Gedanke wird Körper (original) (raw)

2022, transcript Verlag eBooks

Vielleicht wäre es gut, zuerst über Erotik zu sprechen, über Sinnlichkeit und über Eros. Über Papier mit pfirsichsamtener Oberfläche zum Beispiel, über das die Fingerspitzen beim Lesen gleiten-der leichte Widerstand erzeugt wohliges Schaudern. Oder vielleicht etwas rauer, wer das lieber mag? Über das zarte Rascheln beim Umblättern. Über Leder-auf besonderen Wunsch auch Lack! Und natürlich Leinen, welches den Buchdeckel umschließt, der sich schützend um den Buchblock legt. Zugleich flexibel und stabil muss er sein, damit er sich lässig, aber nicht nachlässig im Gebrauch zeigt. Auch die Veredelung des Buchschnitts erweitert das Lesevergnügen ins Objekthafte. Kühle Glätte, tastendes Begreifen. Die Hand wiegt das Gewicht des Werks, prüft seine Stabilität und Haptik-vielleicht den Prägedruck auf dem Einband, mit der perfekten Wölbung am Rücken, um beim Umblättern Spiel zu lassen. Darunter die Bindung, wenn es sein darf, gern auch mit Lesebändchen. Text wird zum Objekt, nicht selten zum Objekt der Begierde. Gedanke wird Körper. Material und Bindung, Skriptographie und Typographie machen aus einem Mentefakt ein Artefakt. Ein Objekt, das im Prozess entsteht. Im Zusammenspiel der Gewerke, durch Hand-und Maschinenwerk, an dem fast alle Sinne beteiligt sind. Nur der Geschmackssinn nicht-dafür aber immerhin im übertragenen Sinne. Alle anderen Sinne schon: Jeder Mensch, der schon einmal einen Drucksaal betreten hat, kennt den typischen Geruch nach Farben und Maschinenöl und das Geräusch der Maschinen, das warnende Klingeln, wenn der Druckvorgang beginnt, das Rattern und Stampfen. Lange Jahre war eine Druckerei Teil des Unternehmensverbundes, in dem wir tätig sind. Der Gang in die Druckerei gehörte selbstverständlich zum Tagesablauf. Mal war es ein Hexenkessel, mal hochkonzentrierte Feinarbeit. Aufregend alle