Work-Life-Balance + Wissenschaft = unvereinbar? Zur exkludierenden Vergeschlechtlichung einer entgrenzten Lebensform (original) (raw)

Lebenspraxis Wissenschaft? Von der praktischen Sperrigkeit des Work-Life-Balance-Konzepts im wissenschaftlichen Feld

Österreichische Zeitschrift für Soziologie, 2016

Zusammenfassung Das Konzept der Work-Life-Balance (WLB) fokussiert die Vereinbarung der strukturell getrennten Bereiche Arbeit und Leben, deren Verhältnis für die Gegenwart in der Arbeitssoziologie unter dem Schlagwort "Entgrenzung" diskutiert wird. Daran anschließend greift der vorliegende Beitrag die Frage nach WLB in der Wissenschaft mit einem praxistheoretisch orientierten Zugang auf und diskutiert Ergebnisse einer empirischen Studie an einer österreichischen Universität. Auf der Grundlage qualitativer Interviews wird mit Bezug auf vorhandene Forschung argumentiert, dass die für das wissenschaftliche Feld konstitutive Logik und die ihr entsprechende Arbeitspraxis der Vorstellung eines ausgleichbaren Verhältnisses der beiden Sphären widerspricht: Das Leitbild des "Lebens für die Wissenschaft" beansprucht gegenüber anderen Lebensbereichen absolute Priorität und zentriert die Arbeitspraxis um das Forschen als eigentliches "Leben" unter einer permanenten Präsenzanforderung im wissenschaftlichen Feld.

Wissenschaftlich Arbeiten - schneller, höher, weiter? Zum (Un-)Verhältnis von Arbeit und Freizeit in den (Kultur-)

2008

Wir thematisieren und problematisieren Praktiken akademischer Wissensproduktion; unser Fokus ist der Wissenschaftsbetrieb bzw. sind die WissenschaftlerInnen selbst. Auf Basis von Interviews mit KulturwissenschaftlerInnen kommen wir zum Schluss, dass in Tages-, Jahres-und Lebensläufen von WissenschaftlerInnen die sozialen und kulturellen Logiken der Arbeitssphäre jene des sogenannten Privatlebens (der Familie oder Freizeit etc.) dominieren. Zuspitzend wollen wir Wissenschaft als eine "totale Institution" bezeichnen, die für die "InsassInnen" sowie für jene, die-trotz Anstrengungen-nie welche werden oder keine mehr sind, mit sozialen, physischen und psychischen Kosten verbunden sein kann.

Wissenschaftlich Arbeiten – schneller, höher, weiter? Zum (Un-)Verhältnis von Arbeit und Freizeit in den (Kultur-)Wissenschaften

2008

Zusammenfassung: Wir thematisieren und problematisieren Praktiken akademischer Wissensproduktion; unser Fokus ist der Wissenschaftsbetrieb bzw. sind die WissenschaftlerInnen selbst. Auf Basis von Interviews mit KulturwissenschaftlerInnen kommen wir zum Schluss, dass in Tages-, Jahresund Lebenslaufen von WissenschaftlerInnen die sozialen und kulturellen Logiken der Arbeitssphare jene des sogenannten Privatlebens (der Familie oder Freizeit etc.) dominieren. Zuspitzend wollen wir Wissenschaft als eine "totale Institution" bezeichnen, die fur die "InsassInnen" sowie fur jene, die – trotz Anstrengungen – nie welche werden oder keine mehr sind, mit sozialen, physischen und psychischen Kosten verbunden sein kann.

Von Pilzen und Wissenschaftler*innen. Gedanken zur "Vereinbarkeit" von Wissenschaft und Leben praefaktisch.de/vereinbarkeit/von-pilzen-und-wissenschaftlerinnen-gedanken-zur-vereinbarkeit-von-wissenschaftund-leben

PraeFaktisch, 2023

In seinem 1642 erschienen Werk "De Cive. Über den Bürger" schreibt Thomas Hobbes über den Naturzustand: "Wir wollen (…) annehmen, daß die Menschen gleichsam wie Schwämme plötzlich aus der Erde hervorgewachsen und erwachsen wären, ohne daß einer dem andern verpflichtet wäre." (Hobbes, 2014 [1642], S. 166) Seyla Benhabib hat diese in der westlichen politischen Ideengeschichte einflussreiche Hobbes'sche Vision von Menschen, die wie Pilze aus der Erde ploppen, bereits in den 1980er Jahren als ultimative männliche (und narzisstische) Fiktion von Autonomie entlarvt, die den basalen Umstand menschlicher Abhängigkeit und Angewiesenheit verleugnet. Kritische Auseinandersetzung mit diesem Menschenbild bleibt gleichwohl nötig, und zwar auch mit Blick auf den Wissenschaftsbetrieb. Das vorherrschende Idealbild der wissenschaftlichen Persönlichkeit ist den Hobbes'schen Pilzen nicht unähnlich. Dabei ist der Anspruch auf ein gutes Leben in-und außerhalb der Wissenschaft mehr ist als "nur" eine Frage der Vereinbarkeit von Wissenschaft und Familie.

Vom konservativen zum egalitären Wohlfahrtsstaat – radikale Arbeitszeitverkürzung als Voraussetzung für eine umfassende Work-Life Balance

2017

Masnahmen zur Forderung der Work-Life Balance und deren wohlfahrtsstaatliche Absicherung zielen uberwiegend auf individuelle Losungen zur Reduzierung der Arbeitszeit ab, richte(te)n sich faktisch hauptsachlich an Frauen und verfolgen vorrangig das Ziel einer besseren Vereinbarkeit von Erwerbsarbeit und Betreuungsaufgaben. Damit wird das konservative Familienmodell befordert und eine gleichberechtigte Work-Life Balance verhindert. Wir pladieren in unserem Beitrag demgegenuber fur eine radikale Arbeitszeitverkurzung auf 30 Stunden pro Woche bei vollem Gehalts- und Personalausgleich. Als eine ’reale Utopie’ bildet sie die Voraussetzung fur ein neues gesellschaftliches Produktionsmodell, das eine gleichberechtigte Work-Life Balance ermoglicht und gleichzeitig einen wichtigen Beitrag zur Losung weiterer wohlfahrtsstaatlicher Probleme leistet.

Zwischen ‚Exzellenz‘ und Existenz. Wissenschaftskarriere, Arbeits- und Geschlechterarrangements in Deutschland und Österreich

Hochschule und Geschlecht, 2019

In der Gesellschaft wie auch in der Wissenschaft haben einige Veränderungen in Richtung Geschlechtergleichstellung stattgefunden. In den letzten Jahren werden wissenschaftliche Karrieren in Deutschland und Österreich jedoch nach ‚Exzellenzkriterien‘ und dem Leitbild der ‚unternehmerischen Hochschule‘ reorganisiert und Karrierepfade prekarisiert. Dieser Beitrag untersucht länderübergreifend, ob sich dadurch Geschlechterarrangements erneut ungleich gestalten. Dazu wird mit der Perspektive der alltäglichen und biografischen Arbeitsarrangements der Zusammenhang zwischen wissenschaftlichen Karrieren und Geschlecht analysiert. Im Fokus stehen die subjektiven Wahrnehmungen von Alltagsorganisation und biografischen Entscheidungen von NachwuchswissenschaftlerInnen, die in zwei qualitativen Interviewstudien befragt wurden. Es wird auf der Subjektebene gezeigt, wie in Zeiten ‚exzellenter‘ Spitzenforschung Geschlechterungleichheiten in Alltag und Biografie erzeugt werden.