Bullinger Research Papers - Academia.edu (original) (raw)
Als Ausleger der Bibel begegnet uns Heinrich Bullinger 1 vor allem in seinen Kommentaren und Predigtsammlungen zu einzelnen Büchern der Bibel. Bis zur Mitte des 16. Jahrhunderts hatte Bullinger zu sämtlichen Büchern des Neuen Testaments... more
Als Ausleger der Bibel begegnet uns Heinrich Bullinger 1 vor allem in seinen Kommentaren und Predigtsammlungen zu einzelnen Büchern der Bibel. Bis zur Mitte des 16. Jahrhunderts hatte Bullinger zu sämtlichen Büchern des Neuen Testaments mit Ausnahme der Johannes-Offenbarung lateinische Kommentare verfasst. Ab der Mitte des 16. Jahrhunderts erschienen -ebenfalls auf Lateinisch -Predigtreihen über die Offenbarung des Johannes sowie über die alttestamentlichen Prophetenbücher Jesaja, Jeremia und Daniel. In seinen exegetischen Schriften erhob Bullinger nicht den Anspruch, besonders eigenständige oder originelle Auslegungen zu entwickeln. Für exegetische Detailfragen stützte er sich auf Kommentare von Fachleuten. Außerdem besuchte er ständig die exegetischen Vorlesungen der Zürcher Professoren. Bullinger ging es in seinen Kommentaren und Predigten vor allem darum, die biblischen Texte möglichst "schlicht und einfach" auszulegen und damit "allen Redlichen und Wahrheitsuchenden zur Erforschung der heil. Schrift Lust und Liebe zu erwecken". 2 Das gilt auch für Bullingers Predigten über das Buch Daniel, aus denen im Folgenden einige Beispiele vorgestellt werden sollen. Wie Emidio Campi gezeigt hat, 3 ist Bullingers Verständnis dieser biblischen Schrift stark von Philipp Melanchthons Kommentar beeinflusst, auf den Bullinger auch mehrfach ausdrücklich verweist. Bullingers Predigten über das Buch Daniel erschienen im Jahr 1565 bei C. Froschauer in Zürich unter dem Titel: "Daniel sapientissimus Dei Propheta, qui a vetustis polyhistor, id est, multiscius est dictus, expositus homilijs LXVI, quibus non tam sensus Prophetae redditur, quam usus et fructus prophetiae ostenditur, adeoque omnibus in Ecclesia docentibus commonstratur, quomodo perspicue, . 3 Emidio Campi, "Über das Ende des Weltzeitalters: Aspekte der Rezeption des Danielbuches bei Bullinger", in M. Delgado, K. Koch, E. Marsch (Hg.), Europa, Tausendjähriges Reich und Neue Welt: Zwei Jahrtausende Geschichte und Utopie in der Rezeption des Danielbuches, Studien zur christlichen Religions-und Kulturgeschichte 1, Stuttgart 2003, 225-238. iusto ordine, et cum utilitate, populo Dei, hic Propheta praedicari possit". 4 Als Anhang war den Predigten eine "Epitome temporum et rerum ab orbe condita ad excidium usque ultimum urbis Hierosolymorum, sub Imperatore Vespasiano" beigegeben. Nach Bullingers Verständnis steht das Buch Daniel als eine Schrift des Alten Testaments den Büchern des Neuen Testaments in seiner Bedeutung für christliche Leser in nichts nach. In einer Schrift mit dem programmatischen Titel "Der eine und ewige Bund Gottes" hatte sich Bullinger schon 1534 gegen die Verwerfung des Alten Testaments durch die Täufer ausgesprochen. Das Alte Testament ist nach Bullingers Verständnis nicht etwa als alter Bund vom Neuen Testament als neuem Bund überholt und außer Kraft gesetzt worden. Vielmehr bezeugt die ganze Bibel den einen Bund Gottes, der sich durch alle Zeiten fortsetzt und in Christus zur Vollendung kommt. Schon vor Christus gab es nach Bullinger ein "geistliches Israel", das "nicht durch das äußere Halten des Gesetzes, sondern durch die Herzensfrömmigkeit, durch wahren Glauben aus Gottes Gnaden selig wurde". 5 Dementsprechend konnte Bullinger in einer 1537 erschienenen Schrift mit dem Titel "Der alte Glaube" den Nachweis führen, dass "der evangelische Glaube weit älter sei [als die römischen Lehren und Bräuche], ja uralt, indem er wesentlich derselbe sei, der schon zu Anfang der Welt begonnen, stets fortgedauert, in der Gnadenzeit Christi aber seine Vollendung gefunden habe". 6