Deutsch als Fremdsprache Research Papers (original) (raw)
Der vorliegende Band zur Literatur von Chamisso-Autorinnen und-Autoren erscheint zu einem Zeitpunkt, in dem Angela Merkels Satz " Wir schaffen es! " im Zusammenhang mit der sogenannten " Flüchtlingskrise " noch kritisch reflektiert wird.... more
Der vorliegende Band zur Literatur von Chamisso-Autorinnen und-Autoren erscheint zu einem Zeitpunkt, in dem Angela Merkels Satz " Wir schaffen es! " im Zusammenhang mit der sogenannten " Flüchtlingskrise " noch kritisch reflektiert wird. Er erscheint zudem im Kontext einer Reihe von wissenschaftlichen Kongressen und Tagungen in den letzten Monaten, deren zentrale Themen sowohl in der Germanistik als auch in der Fremdsprachenforschung Literatur, Mehrsprachigkeit und Heterogenität in der Gegenwartsgesellschaft sind bzw. waren. Gemeinsam haben diese Veranstaltungen die Suche nach neueren Ansätzen in Forschung und Lehre, die der mobilen und diversen Gesellschaft gerecht werden. Die Wissenschaft sucht also nach Antworten auf die Frage, wie, d.h. mit welchem Wissen und durch welche Instrumente, " wir es schaffen können ". Hervorzuheben ist hier der 25. Deutsche Germanistentag in Bayreuth (25.-28. September 2016), dessen Programm und vielfältige Beiträge zu erkennen geben, dass die wissenschaftliche Beschäftigung mit dem literarischen Erzählen konstitutiv für die Germanistik und ihre Teilfächer ist. Inzwischen macht das Thema Erzählen, allerdings unter dem Begriff Storytelling, auch in anderen Wissensbereichen sowie in der Medien-und Beratungsindustrie Karriere. Besonders für die kreativen Bereiche, in denen das Reden und Erzählen professionell angewendet werden, sind Geschichten ein wichtiges und wertvolles Instrument geworden, womit Expertinnen und Experten innovativ Probleme lösen, Projekte konzipieren und Produkte entwickeln. Welche sind aber die Ressourcen für ihre Erzählungen? Und wie wird im Zeichen biographischer Hybridität sowie gesellschaftlicher Heterogenität erzählt? Selbstverständlich handelt es sich hierbei an erster Stelle um die Beherrschung der Sprache und um die linguistischen Ressourcen, zu denen nicht nur die Kenntnis der Grammatik, der Handlungsmuster oder der alltäglichen Sprachäußerungen zählen. Es handelt sich hier um jenes Sprachbewusstsein für die eigenen Sprachkompetenzen, die zusammen mit einer literarischen Kompetenz (z. B. Fähigkeit, Unkonventionelles, Ästhetisches, Künstlerisches zu erzeugen.) im Übergang vom vorreflexiven und imitatorischen Sprachgebrauch zum reflexiven und bewussten entwickelt werden. Die oben genannten Expertinnen und Experten aus der Praxis suchen und finden ihre Mittel für professionelles Erzählen in ihrem sprachlichen und literarischen Gedächtnis und Repertoire. Der Neurodidaktiker, Psychologe und Lerntheoretiker Manfred Spitzer geht davon aus, dass das menschliche Gehirn sogar am besten in Geschichten lernt und denkt: " Wer glaubt, beim Lernen gehe es darum, Fakten zu büffeln, der liegt völlig falsch; Einzelheiten machen nur im Zusammenhang Sinn, und es ist dieser Zusammenhang und dieser Sinn, der die Einzelheiten interessant macht " (Spitzer 2007: 35). Dabei macht das Wie, die Art und Weise des Erzählens sowie die Anwendung stilistischer Mittel, die Geschichten aus. Bachtins Dialogtheorie (vgl. Bachtin 1979) beschreibt diesen Übergang als Prozess sowohl des Spracherwerbs als auch der Sprachveränderung. Für ihn ist die Herausbildung des Sprachbewusstseins für die eigenen Sprachkompetenzen der treibende Motor für diesen Prozess. Ein Beispiel dafür sieht Bachtin in der Übersetzung der Bibel in die Volkssprachen. Damit " [ist] die Sprache nicht mehr gegeben, sondern Sprache wird " (Grübel 1979: 53). Ferner erkennt Bachtin (1979) im Spracherwerb zwei Pole, die " der identischen Wiedergabe (Auswendiglernen bzw. Abschreiben) und der Wiedergabe mit eigenen Worten (die mit der Subjektivität auch die Voraussetzung für Kritik einräumt) " (Grübel 1979: 53).