Hegemonietheorie Research Papers - Academia.edu (original) (raw)

Einladung zum Lektürekolloquium im Casa Cares bei Florenz Gramsci lesen: „Erziehung und Bildung“ Endlich ist es wieder soweit: Für eine Woche im September möchten wir euch einladen, einige Tage abseits des ‚normalen‘ Betriebs – in... more

Einladung zum Lektürekolloquium im Casa Cares bei Florenz

Gramsci lesen: „Erziehung und Bildung“

Endlich ist es wieder soweit: Für eine Woche im September möchten wir euch einladen, einige Tage abseits des ‚normalen‘ Betriebs – in schöner Atmosphäre, bei nettem Beisammensein und gutem Essen – einen intensiven Austausch in unserer toska-naüblichen Weise des Denkens, Diskutierens und Streitens durch langsames und konzentriertes Lesen mitzugestalten.

Als Ort dient unser altes Landhaus in der Nähe von Florenz:
http://casacares.it
Wir beginnen am Montag, den 09. September mit dem Abendessen und werden am Freitag, den 13. September mit dem Frühstück enden. Die An- und Abreise wird indi-viduell organisiert. Für den Transfer von Flughafen oder Bahnhof zum Casa stellen wir aber nach Sammlung der Reisedaten Synergieeffekte her.
Im Landhaus Casa Cares sind vier Übernachtungen mit Vollverpflegung geplant. Das Haus aus dem 18. Jahrhundert ist stilecht, aber einfach. Wie die meisten alten Landhäuser hat es nicht so viele Einzelzimmer. Daher erhöht sich die mögliche Teilnehmer*innenzahl, wenn Ihr bereit seid, ein Zimmer mit jemandem zu teilen.

»Jedes Verhältnis von ›Hegemonie‹ ist notwendigerweise ein
pädagogisches Verhältnis« (Gramsci GH 6, S. 1335)

Antonio Gramsci (1891-1937) gilt als einer der bedeutendsten marxistischen Politiker und Philosophen des 20. Jahrhunderts, er war zudem Journalist, Theaterkritiker, einer der führenden Köpfe der Turiner Rätebewegung und Mitbegründer der Kommunistischen Partei.
Bis heute sind seine Schriften und darin insbesondere der Hegemonie-, der Subaalterne- und der Intellektuellen-Begriff hochrelevant, oft rezipiert und weiterentwickelt worden, u.a. in der politischen Philosophie, den Cultural Studies oder dem Postkolonialismus.
Auch wenn mit Gramscis Inhaftierung für 20 Jahre verhindert werden sollte, »dass dieses Gehirn funktioniert« – so die offiziellen letzten Worte des Staatsanwalts, die Gramsci eine Haftzeit von 20 Jahren, 4 Monaten und 5 Tagen be-scherten – und es fast 2 Jahre gedauert hat, bis Gramsci in seiner Zelle schreiben durfte, hat er während seiner Zeit im Gefängnis 32 Notizhefte und 2061 Seiten hinterlassen, die als Gefängnishefte Bekanntheit erlangten.
1984 hat Foucault formuliert, Gramsci wäre ein Autor, »der öfter zitiert als wirklich gelesen wird«. Erst 2002, also seitdem es eine ›kritische Gesamtausgabe‹ auf Basis der vollständigen Übersetzung der Gefängnishefte gibt, konnten Gramscis macht- und hegemonietheoretische Fragen erziehungs- und bildungstheoretisch fruchtbar gemacht werden.
Durch alle Gefängnishefte zieht sich die Frage, was Hegemonie bedeutet, wie ein Leitmotiv. Hierbei tritt immer wieder eine doppelte Perspektive zutage, einerseits der Analysen der Stabilisierung von Herrschaftsbeziehungen, andererseits zu Fragen nach deren Überwindung. Gerade hierin wird der Blick auf die Pädagogik relevant, denn der Zusammenhang zwischen Erziehung, Bildung und Hegemonie ist entscheidend für eine sich kritisch verstehende Pädagogik: Gramsci verweist darauf, dass Erziehung und Bildung immer mit politischen Entscheidungen und politischem Handeln, mit pädagogisch legitimierten Führungs- und Autorisierungsverhältnissen zu tun haben. Bildung und Erziehung werden dahingehend befragt, welchen Beitrag sie »zur Schaffung und Erhaltung von Hegemonie leisten und unter welchen Bedingungen sie als emanzipatorische Handlungen einer gegenhegemonialen Praxis zugerechnet werden können«. Bildung und Erziehung sind so nicht nur herrschaftsstablisierend, sondern kommen auch als Instrument einer Befreiung in den Blick, indem die Subalternen im gegenhegemonialen Kampf ein (Un-)Verhältnis artikulieren und so Handlungsfähigkeit erringen können. Eine solche Veränderung der hegemonialen Kräfteverhältnisse ist »notwendig an einen pädagogischen Prozess kollektiver Selbstbindung gebunden«. Hegemonie und Pädagogik zusammen zudenken bedeutet dann, einen Diskurs politischer Pädagogik aufzubringen und mögliche Veränderungen der Gesellschaft an pädagogische Prozesse zu binden.
Fragen, die sich schon aus diesem ersten Zugriff ergeben, sind die nach dem Verhältnis von Politik und Pädagogik: Wenn die Veränderung der Verhältnisse mit der Verschiebung hegemonialer Deutungsmacht verbunden ist und sich dieser Prozess mit Gramsci nur als pädagogischer begreifen lässt – wie kann/muss eine kritische und ›gegenhegemoniale‹ Pädagogik beschaffen sein? Wie ist die Frage nach der Subalterne aus pädagogischer Sicht zu diskutierten, wenn es um die unmögliche Aufgabe geht, »die Regierten von den Regierenden intellektuell unabhängig zu machen« (Gramsci GH 15, S. 1714)?

Verschiedene Publikationen, die sich zur Aufgabe gemacht haben, in Gramsci einzuführen, mit seinen Schriften zu arbeiten, ihn zu lesen und zu verstehen, stellen die Frage, wie man sich dem fragmentarischen Charakter des Gesamtwerkes nähern kann: im Buch »Gramsci lesen« wird erläutert, das Lesen der Gefängnishefte wäre wie ein Beobachten seines sich vollziehenden Denkens, weshalb es Zeit brauche, die verschiedenen Verweise, Anspielungen und (historischen) Ereignisse nachvollziehen zu können und sich in das Denken einzufinden. Sich diese Zeit zu nehmen: Dazu treffen wir uns im Lektürekolloquium.