History of Classical Scholarship Research Papers (original) (raw)

Anfang stellte sich die Situation für junge Wissenschaftler, die nach einer Professur strebten, nicht einfach dar. Ein anderer junger Althistoriker und Mitbewerber um eine althistorische Professur im deutschen Sprachraum, der schon früher... more

Anfang stellte sich die Situation für junge Wissenschaftler, die nach einer Professur strebten, nicht einfach dar. Ein anderer junger Althistoriker und Mitbewerber um eine althistorische Professur im deutschen Sprachraum, der schon früher erwähnte Friedrich Bilabel, beschrieb in einem Brief an seinen Konkurrenten Fritz Schachermeyr seine persönliche und zugleich auch die allgemeine damalige Lage, wie sie Schachermeyr seinerseits kaum anders empfinden konnte, folgendermaßen: "Daß ich in Berufungssachen einige Enttäuschungen erlebte, wissen Sie ja. Am überraschendsten war mir Graz, da das Gutachten von Prof. Oertel, das ich gelesen habe, außerordentlich günstig war u[nd] eine Reihe von Fakultätsmitgliedern mich zugern [sic] deswegen an erste Stelle setzen wollten [sic]. Wenn ich hier die Gründe meines Nichtberufenwerdens erführe, so wäre ich sehr dankbar. [Es] wird wohl, wie immer, irgend jemand gegen mich intrigiert haben. Aber ich ahne nicht, wer. Vielleicht erfahren Sie etwas von Lehmann-Haupt? Der wird ja nun wohl auch bald pensionsreif werden[,] und dann hoffe ich sehr, daß Sie sein Nachfolger werden. Tübingen ist auch nicht besetzt. Daß man W. Weber 997 zurückberufen hat, haben Sie wohl gelesen. Da er unglaubliche Gehaltsforderungen gestellt hat, so hat ihn die Regierung fallen laßen [sic] d. h. er (!) hat abgelehnt? Er war unico loco vorgeschlagen. Von weiteren Vorschlägen habe ich noch nichts gehört, aber daß man nur einen, der schon Ordinarius ist, haben will, ist mir von einem Fakultätsmitglied 997 180 versichert worden. T. 998 kann uns Jüngeren also höchstens indirekt nützen. Judeich 999 , der längst überfällig ist, hat man gebeten, noch weiterzulesen. Von Wien habe ich keine zuverlässigen Nachrichten. So sind in Deutschland also die Aussichten nicht gerade vielversprechend. Besonders interessant ist der Endkampf um Berlin, da Wilcken 1000 im Laufe dieses Jahres ausscheidet u[nd] gerne sehr, wie er mir sagt[,] ‚um endlich arbeiten zu können'." 1001 Für Schachermeyr sollte die Situation des Wartens auf eine Professur allerdings schon bald ein Ende haben -Anfang 1931 erging an ihn ein Ruf nach Jena auf den Lehrstuhl des soeben genannten Walther Judeich, und dies, obwohl er im Jenenser Ternavorschlag nur an dritter Stelle genannt worden war 1002 . An erste Stelle waren die 998 Gemeint ist zweifellos das eben erwähnte Tübingen, wo dann seit 1932 tatsächlich vielmehr Woldemar Graf Uxkull-Gyllenband (1898-1939; auch Üxküll geschrieben, so zuletzt bei K. lehrte, der zuvor noch nicht Ordinarius gewesen und selbst einer von "uns Jüngeren" war; und da es deshalb keinen Wechsel eines schon andernorts etablierten Lehrstuhlinhabers nach Tübingen gab, konnten Bilabel und seinesgleichen auch nicht, wie von diesem erhofft, von einer so herbeigeführten Vakanz an einer anderen Universität profitieren. . Daß die Kandidaten von der Fakultät für ein Ordinariat gelistet wurden, geht auch aus dem Glückwunschschreiben Judeichs an Schachermeyr hervor (A I, W. Judeich an Schachermeyr, Brief vom 21.2.1931). 1007 "Nach dem neuen Statut [von 1924] gehörten alle ordentlichen und alle diejenigen beamteten außerordentlichen Professoren, die alleinige Vertreter eines selbständigen Faches waren, zur Engeren Fakultät. Diese wurde durch geheime Wahl der Weiteren Fakultät aus dem Kreis derjenigen Mitglieder ergänzt, die nicht der Engeren Fakultät angehörten. Ihre Zahl sollte jedoch nicht mehr als ein Viertel der Inhaber ordentlicher Lehrstellen betragen, und diese Mitglieder des Lehrkörpers durften an Verhandlungen und Beschlußfassungen über ihre eigene Person nicht teilnehmen […]. Die Weitere Fakultät bestand aus allen ordentlichen Professoren, den außerordentlichen Professoren und den Privatdozenten. […] ‚Der Große Senat setzt sich aus sämtlichen Mitgliedern der engeren [sic] Fakultäten zusammen', denen […] jetzt auch Nichtordinarien angehörten, teils in ihrer Eigenschaft als alleinige Vertreter eines selbständigen Faches, teils als gewählte Vertreter der sonst außerhalb der Fakultät Professor in Jena (1931-1936) 182 ehesten Schachermeyr den Ruf annehmen würde, denn jeder Ruf an eine Universität war für die von ihm ohne Zweifel angestrebte wissenschaftliche Karriere besser als weiterer Gymnasialunterricht. So machte denn also Schachermeyr das Rennen, wofür folgende Begründung gegeben wurde: "Allgemeine Aufmerksamkeit hat Schachermeyr mit seinem im Jahr 1929 veröffentlichten großen Buch 'Etruskische Frühgeschichte' 1008 erregt. Zwar der Nachweis, der das Ziel des Buches bildet, wird bestritten, der Nachweis nämlich, daß die Herkunft der Etrusker im nordwestlichen Kleinasien zu suchen sei. Aber die umfassende Kenntnis, die Vorlegung des Materials, die großen Gesichtspunkte und die mit historischem Takt getroffenen Fragestellungen, endlich die Vorzüge der Darstellung, die besonders in der Beschreibung der archäologischen Denkmäler hervortreten, haben volle Anerkennung, teilweise geradezu Bewunderung gefunden. Schachermeyr hat sich mit diesem Buch, das einen viel umfassenderen Inhalt hat[,] als der Titel verrät[,] und auf Grund genauer Kenntnis und großzügiger Betrachtung der Frühgeschichte der ganzen östlichen Mittelmeerwelt geschrieben ist, als Historiker von Rang ausgewiesen." 1009 Bereits im Sommer 1930 hatte der Archäologe Camillo Praschniker (1884-1949) 1010 , der nur das Sommersemester 1930 in Jena lehrte und danach nach Wien wechselte, Schachermeyr mitgeteilt, daß sein Name "unter einer großen Zahl sozusagen zur engeren Wahl stehenden Lehrkräfte. Hinsichtlich der Mitgliedschaft zum Kleinen Senat wurde präzisiert, daß von den sieben Wahlsenatoren fünf aus dem Kreis der ordentlichen Professoren, und zwar je einer aus jeder Fakultät stammen mußten" (R. Ludloff 1958, 561); vgl. dazu M. Schmeiser 1994, 62, der allerdings nur über die preußischen Verhältnisse berichtet. 183 gestellt wurde" 1011 . Am 19. Dezember 1930 holte das Thüringische Volksbildungsministerium, im besonderen Oberregierungsrat Friedrich Stier (1886-1966) 1012 , der zusätzlich an der Jenenser Universität las, im Österreichischen Bundesministerium für Unterricht Auskünfte über Schachermeyr ein, wobei man sich auch über dessen Persönlichkeit sowie politische Aktivitäten informierte 1013 . Das Ministerium in Wien gab diese Fragen nach Tirol weiter, und dort hieß es, Schachermeyr sei, "soweit dem Landesschulrate bekannt, politisch nie hervorgetreten" 1014 . Bezüglich seiner Besoldung wird angegeben, daß Schachermeyr samt diversen Zulagen und Überstundenvergütung auf ein monatliches Nettoeinkommen von ATS 517,60 komme 1015 . Auch der Dekan der Philosophischen Fakultät der Universität Innsbruck, Ernst Philippi (1888 1016 , der 1945 entlassen wurde, weiß von keiner politischen Betätigung Schachermeyrs, er sei ihm "persönlich als sehr sympathischer jüngerer Kollege bekannt, der meines Wissens auch bei den anderen Kollegen beliebt ist" 1017 . Schachermeyr selbst bezeichnete sich später als bis zu diesem Zeitpunkt "vollkommen unpolitisch". Weiters führte er erklärend und völlig glaubhaft aus: "An eine studentische Korporation habe ich mich während meiner Universitätsjahre nicht angeschlossen. In den nachfolgenden zehn Jahren, welche ich 1011