Netzwerkforschung Research Papers - Academia.edu (original) (raw)

Der Beitrag stellt den Versuch dar, mit Hilfe der quantativen Netzwerkanalyse die Rolle des Collegiums Beate Mariae Virginis, eines der vier Kollegienhäuser der mittelalterlichen Universität Leipzig, und die Funktion ihrer Mitglieder, die... more

Der Beitrag stellt den Versuch dar, mit Hilfe der quantativen Netzwerkanalyse die Rolle des Collegiums Beate Mariae Virginis, eines der vier Kollegienhäuser der mittelalterlichen Universität Leipzig, und die Funktion ihrer Mitglieder, die sich exklusiv aus Magistern schlesischer und preußischer Herkunft rekrutierten, innerhalb des universitären Kontextes und den Mechanismen des Fakultätsbetriebs zu beleuchten. Die Historische Netzwerkanalyse bot sich als geeignetes Mittel zur Analyse der sozialen Kontakte der Kollegiaten an, da die Quellen kaum qualitative Nachrichten über deren Miteinander im Kollegium selbst und mit anderen Universitätsangehörigen bieten. Demgegenüber steht eine Fülle an Informationen quantitativer Art zum Lehrbetrieb, dem Prüfungswesen und der Administration der Artistenfakultät, in der die Magister des Liebfrauenkollegs eng eingebunden waren und worüber sie zwangsläufig auch in Kontakt und Austausch miteinander kommen mussten. Es zeigte sich, dass auch Institutionen eines besonders personenbezogenen Systems wie der spätmittelalterlichen Universität nicht automatisch dafür sorgten, dass sich eine spezifische Bezugsstruktur entwickelte, die alle Kollegiaten gleichermaßen miteinschloss. Zentralakteure, die eine Mittlerfunktion innerhalb des Kollegs und der Fakultät einnahmen, bestimmten die Geschicke des Studienhauses, mithin auch seine personale Zusammensetzung. Das Liebfrauenkolleg war vorrangig ein Instrument der Perpetuierung eines größeren, alle drei Kollegienhäuser umspannenden Personennetzwerks. Mechanismen der Klientelpolitik und Patronage innerhalb des Lehrkörpers wurden über dieses Netzwerk ausgeübt und sorgten so dafür, wer wann auf welche Stelle kam und welche Aufgaben in der Fakultät wem übertragen wurden. Landsmannschaftliche Bindungen, die im Liebfrauenkolleg hinsichtlich der Stellenbesetzung durch die Statuten vorgeschrieben waren, spielten daher hinaus aber nur bei den preußischen Magistern eine größere Rolle. Jedoch hatten solche landsmannschaftlichen Bezugsstrukturen ganz wesentlichen Einfluss auf die Rekrutierung des Nachwuchses in Form des Promotionswesens, das Schlesier und Preußen bevorzugte. Damit, und mit ihrer Dominanz innerhalb der Fakultät, gaben die Kollegiaten dem Liebfrauenkolleg und damit auch der polnischen Nation an der Universität Leipzig ein spezifisches, klar definiertes Profil, das für potentielle Studenten entweder anziehend oder aber abstoßend gewirkt haben dürfte, womit das Kolleg und seine Kollegiaten die Geschichte der Universität Leipzig ganz wesentlich mitbestimmt haben.