Religious Schism Research Papers - Academia.edu (original) (raw)
II.II. Der Eid auf die Zivilverfassung des Klerus und seine soziale Wirkung-Die Rechtspraktiken (1790-1794) II.II.I Der Eid als Wurzel revolutionärer Gewalt? In den Tagebüchern des Henkers von Paris, Charles-Henri Sanson, findet sich in... more
II.II. Der Eid auf die Zivilverfassung des Klerus und seine soziale Wirkung-Die Rechtspraktiken (1790-1794) II.II.I Der Eid als Wurzel revolutionärer Gewalt? In den Tagebüchern des Henkers von Paris, Charles-Henri Sanson, findet sich in dem Eintrag über die Hinrichtung von Marie-Antoinette am 16.10.1793 folgende Passage: »Als man den Palais Égalité überquerte, schien sie [=Marie Antoinette] beunruhigt; sie betrachtete die zahlreichen Hausnummern mit einem Gesichtsausdruck, der mehr als Neugierde verriet. Die Königin hatte vorausgesehen, dass man einem Priester der römischen Kirche nicht gestatten würde, ihr den höchsten Trost der Religion zu spenden; sie war darüber beunruhigt, aber ein nicht vereidigtes Mitglied des Klerus, der Abt Magnien, der zu Zeiten von Richard in die Conciergerie eingedrungen war, hatte ihr versprochen, sich am Tage ihrer Marter in ein Haus der Rue Saint-Honoré zu begeben, um auf ihren Kopf diese Absolution in extremis zu erteilen, für die die Kirche all ihre Macht dem schlichtesten ihrer Minister übertragen hat. Die Nummer dieses Hauses war Marie-Antoinette genannt worden und so suchte sie nach ihr; sie fand sie und bei einem Zeichen, das nur sie verstehen konnte, senkte sie den Kopf, als sie den Priester erkannt hatte, verharrte in einer andächtigen Haltung und betete; dann entwich ihrer Brust ein Seufzer der Erleichterung und man sah ein Lächeln auf ihren Lippen.« 1 Ungeachtet der Frage nach der Authentizität dieser Schilderung, wird hier auf ein religionspolitisches Phänomen während der Französischen Revolution Bezug genommen, das die Königin auch in ihrem letzten Brief thematisiert hatte. 2 »Ich sterbe in der katholischen, apostolischen und römischen Religion, jener meiner Väter, in jener, in der ich großgezogen wurde und zu der ich mich stets bekannt hatte. Da ich keinerlei spirituellen Beistand zu erwarten habe, da ich nicht weiß ob es hier noch Priester dieser Religion gibt und der Ort, an dem ich mich befinde, sie verraten würde, wenn sie einmal eintreten sollten, bitte ich Gott aufrichtig um Verzeihung für all meine Vergehen, die ich begangen habe, seit ich existiere […].« 3 In einem späteren Eintrag notierte der Henker am 1. Nivôse des Jahres II. (21.12.1793): 1 Sanson Charles-Henri, La Révolution Française vue par son bourreau Charles-Henri Sanson (Prais 2007), 70. Die Exekutionen erfolgten mit der Guillotine, die im Zuge der Strafrechtsreformen eingeführt wurde. Mit Abschaffung der Privilegien, was formal das Ende der Ständegesellschaft bedeutete, sollten die Bürger vor dem Gesetz gleich behandelt werden. Dies betraf auch die Todesstrafe. Das Köpfen als Privileg des Adels wurde während der Revolution zur allgemeinen Hinrichtungspraxis. Chamayou Grégoire, La querelle des têtes tranchées: Les médecins, la guillotine et l´anatomie de la conscience au lendemain de la terreur, in: Revue d´histoire des sciences, Nr. 61 2008/2, 333-365. Die erste öffentliche Hinrichtung mit der Guillotine wurde in Paris am 23. April 1792 vollzogen. (Sanson 2007, 53) 2 Die Tagebücher des Henkers wurden vom Enkel Charles-Henri Sanson herausgegeben. Im entsprechenden Eintrag betont er: »Charles Henri-Sanson hat uns keine vollständige Erzählung wie für den König hinterlassen; aber die Details, die ich liefern werde, ebenso wie jene, die folgen, stammen aus Notizen, die er aufgezeichnet hat, um daraus in Folge eine ausführlichere Erzählung abzufassen und sie sind die Frucht der Erinnerungen, die meine Großmutter und mein Vater über dieses traurige Ereignis bewahrt haben.« (66) 3