Shipwrecks Research Papers - Academia.edu (original) (raw)

Eine vom Verfasser vor zehn Jahren vorgelegte Studie «Vorindustrielle Lastsegelschiffe in der Schweiz» führte vor allem für das ost und zentralschweizerische Gebiet zwi schen Boden und Vierwaldstättersee eine Bestandsauf nahme von... more

Eine vom Verfasser vor zehn Jahren vorgelegte Studie «Vorindustrielle Lastsegelschiffe in der Schweiz» führte vor allem für das ost und zentralschweizerische Gebiet zwi schen Boden und Vierwaldstättersee eine Bestandsauf nahme von archäologisch bedeutsamen Schiffswracks vom Spätmittelalter bis ins 20. Jh. durch. Die Arbeit greift ferner auf das Seengebiet der Westschweiz über und bie tet somit eine erste Darstellung vorindustrieller Lastsegel schiffe auf Schweizer Gewässern. Ein derartiges, auch denkmalpflegerisch wertvolles Inventar war grundsätzlich nur durch eine enge Zusammenarbeit mit Sporttauchern möglich, da diese gut über derartige Tauchspots Bescheid wissen. In den letzten Jahren sind auch am Zürichsee wichtige neue Fundstellen hinzugekommen: Meldungen durch Berufsfischer oder die Seepolizei und Wracks, die als Anomalien auf hochauflösenden bathymetrischen Kar ten (Tiefenlinienkarten) sichtbar sind. Allein für den Zürich see sind derzeit mehrere Dutzend historischer Schiffs wracks erfasst Abb. 2. und Abb. 3. Besonders wichtig ist bei Neufunden zunächst eine mög lichst präzise zeitliche Einordnung des Objekts (typolo gisch oder dendrochronologisch), um das Wasserfahrzeug anschliessend detaillierter zu untersuchen. So können ähnlich gebaute Schiffsrümpfe beispielsweise ein Indiz für «kulturellen Austausch», einen «Ideentransfer» zwischen einzelnen Gewässerlandschaften oder eine gemeinsame, weiter zurückreichende Schiffbautradition sein. Die Schiff fahrt auf den Schweizer Seen und Flüssen war jedoch nicht nur naturräumlichen, ökonomischen und technischen, sondern vielmehr auch unterschiedlichen rechtlichen und politischen Bedingungen unterworfen, die es ebenso zu berücksichtigen gilt. Ein Blick auf die bisher vom Zürichsee bekannten Wracks verdeutlicht, dass die Mehrheit dieser Fahrzeuge nicht älter als 100 bis 200 Jahre ist, und dass Schiffe aus dem Mittelalter oder gar der Antike bisher nicht zu Tage getre ten sind. Derartige, deutlich ältere Objekte erscheinen nur in ausserordentlichen Zusammenhängen: als Schiffsreste, Bis in die Zeit um 1900 stellten Europas Seen und Flüsse ein zusammenhängendes, elementares Wegnetz dar, auf dem über viele Jahrhunderte hindurch Waren des täglichen Bedarfs sowie des internationalen Fernhandels, aber auch Menschen und Tiere, auf den verschiedensten Wasserfahr zeugen befördert wurden. Die Schweiz und der im nörd lichen Alpenvorland gelegene Zürichsee, nahmen dabei -sicherlich seit dem Neolithikum -eine zentrale Schlüs selposition für den NordSüdVerkehr zwischen Deutsch land und Italien und für den OstWest Transit in Richtung Frankreich/Mittelmeer ein Abb. 1. Während die wirtschaft lichen, rechtlichen und historischen Zusammenhänge die ses Wasserverkehrs bereits gut untersucht sind, standen die traditionellen Transportmittel selbst, die hölzernen Lastschiffe, lange Zeit nicht im Vordergrund des Interes ses. Der Grund liegt wohl darin, dass sich in der Schweiz nur wenige dieser vorindustriellen Fahrzeuge erhalten haben. Zu schnell hatte der Fortschritt der Industriellen Revolution das alte Gewerbe und Handwerk in einer Zeit überrollt, als der «Vater der Pfahlbauten», der Zürcher Ge lehrte Ferdinand Keller, schon 1869 ein bemerkenswertes schiffsarchäologisches Forschungsprogramm formulierte: «Es ist auffallend, [...] dass bisher niemand es der Mühe werth achtete, über einen culturhistorisch so interessan ten Gegenstand wie die Schifffahrt auf unsern Seen und Flüssen, die in den letzten Jahrzehnten eine bedeutende Umgestaltung erfahren hat, allfällige Notizen, die aus Ur kunden und aus dem Munde alter Schiffer entnommen werden können, zusammenzustellen und eine Skizze der Geschichte unserer einheimischen Schifffahrt zu entwer fen.» Neue Verkehrsmittel aus Stahl und Dampf, Dampf schiff und Eisenbahn also, hatten im 19. Jh. rasch die Ober hand in der Spedition gewonnen. Aus diesem Grund lassen sich hölzerne Lastschiffe im Original und als Produkt eines weitestgehend schriftlosen Handwerks heute lediglich als Wracks unter Wasser genauer studieren, um Informationen über Form, Ausstattung, Bauweise und Ladung, zu Typen vielfalt, Innovationen und Entwicklung zu erhalten.