Talk shows Research Papers - Academia.edu (original) (raw)

Während die sogenannten Daily Talks inzwischen vollständig aus dem deutschen Fernsehen verschwunden sind, feiern politische Talksendungen seit einigen Jahren neue Urstände. Erst 2011 weitet die ARD ihre abendliche Talkschiene aus und... more

Während die sogenannten Daily Talks inzwischen vollständig aus dem deutschen Fernsehen verschwunden sind, feiern politische Talksendungen seit einigen Jahren neue Urstände. Erst 2011 weitet die ARD ihre abendliche Talkschiene aus und seitdem strahlt allein Das Erste pro Woche fünf Polittalks aus. Hinzu kommen maybritt illner im ZDF und diverse Polittalks bei den privaten Sendern und Dritten Programmen.

Angesichts dieser quantitativen Ausweitung und dem Umstand, dass beispielsweise Günther Jauch konstant einen Marktanteil zwischen zehn und zwanzig Prozent erreicht (vgl. Sallhoff 2013), ist es verwunderlich, dass es relativ wenig aktuelle Forschung zu diesem Format politische Kommunikation gibt[1]. Diese weist zudem einige Lücken auf. So lässt sich eine Fokussierung auf wenige „Vorzeigetalks“, wie Sabine Christiansen (Tenscher 1999) bzw. „Ausnahmesendungen“, wie die Kanzlerduelle (Lipp 1983; Schrott und Tenscher 1996; Bucher 2007), und die Dominanz quantitativer Inhaltsanalysen mit relativ kleinen Korpora (Schrott und Tenscher 1996; Schultz 2002, 2004) feststellen.

Die im Folgenden vorgestellte, Ende 2012 abgeschlossene Studie versucht diese Lücken zumindest teilweise zu schließen.

Fragestellung

Ziel war es die Makroebene der Sendungen, ihrer Themen- und Gästestruktur, mit der Mikroebene, dem konkreten Verlauf einzelner Ausgaben, zusammenzubringen. Auf diese Weise sollte die Frage beantwortet werden, wie – und mit welchen Akteuren – politische Talksendungen gesellschaftlich relevante Themen präsentieren und bearbeiten? Ob sie dabei nicht nur ihren selbst gesteckten Ansprüchen, sondern auch denen einer demokratischen Politikvermittlung und -repräsentation gerecht werden können? Mithin geht es um die deliberative Relevanz und die publizitische Qualität von dialogischen Politiksendungen.

Methodik

Um dies zu beantworten, wurde eine zweiteilige Strategie gewählt. Im ersten, quantitativen Teil wurden 283 Folgen von sieben Talksendungen – Anne Will (ARD), Beckmann (ARD), Günther Jauch (ARD), hart aber fair (ARD), Menschen bei Maischberger (ARD), log in (ZDF) und maybrit illner (ZDF) – inhaltsanalytisch hinsichtlich ihrer Themen- und Gästestruktur erfasst. Der Untersuchungszeitraum erstreckte sich vom Ende der Sommerpause Anfang September 2011 bis Anfang September 2012.

Konkret gefragt wurde bei der Analyse nicht nur nach dem Auftreten einzelner Personen, sondern auch nach der Repräsentation gesellschaftlicher Gruppen sowie der Geschlechter- und Altersverteilung. Auch bezüglich der Themenstruktur wurde nicht bloß das Vorkommen verschiedener Themenbereiche, wie Innen- oder Außenpolitik, untersucht, sondern auch ein Blick auf Themencluster und Titelgebung geworfen.

Da Talkshows durch dynamische Kommunikationssituationen charakterisiert sind, ist eine rein quantitative Auswertung dem Gegenstand jedoch nur bedingt angemessen (Plake 1999: 104). Folglich wurden in einem zweiten Teil je zwei Folgen der sieben Sendungen einer qualitativen Diskursanalyse unterzogen. Die Auswahl beschränkte sich dabei auf Folgen zum Thema Eurokrise. Ein Thema, welches zum einen im Untersuchungszeitraum am häufigsten behandelt wurde, zum anderen aber auch eine Chance und Herausforderung für politische Kommunikation jedweder Art darstellt und somit eine Art Lackmustest für die Qualität politischer Talkshows ist.

Bei der qualitativen Analyse standen konkret zwei Bereiche im Fokus. Einerseits wurden zentrale Sendungselemente hinsichtlich ihrer Diskursdynamik betrachtet, unter anderem Eröffnung und Abschluss oder dem Einsatz von Einspielfilme. Andererseits wurden die vorkommenden Diskurstopoi in Bezug auf Ursachen und Lösungen der Eurokrise erfasst, um so den durch die Talks erzeugten „Raum des legitimen Diskurses“ (Dörner 2001:142) sichtbar zu machen.

Zur Beurteilung der Befunde wurden, die von Schatz & Schultz (1992) aus den einschlägigen Rechtsgrundlagen abgeleiteten Kriterien Pluralität, Relevanz und journalistische Professionalität herangezogen.

Ergebnisausblick

Da eine vollständige Ergebnisdarstellung den Rahmen sprengen würde, seien selbige hier nur kurz angerissen. Hoffnungen, dass in den untersuchten politischen Talkshows Akteure zu Wort kommen, die sonst in den Medien unterrepräsentiert sind (Richardson 2008: 386), müssen aufgrund der vorliegenden Ergebnisse abschlägig beschieden werden. Nicht nur wiederholen sich Gäste und Themen in teils eklatanter Weise. Die Zusammensetzung der Gäste reproduziert und verstärkt durch die Herausbildung von „Talkeliten“ zudem eher noch bereits bestehende gesellschaftliche Machtgefälle.

Hinzu kommt, dass auch innerhalb der Sendungen, wie die Studie am Beispiel der Eurokrise illustriert, einige wenige standardisierte Topoi dominieren. Dies wird verschärft durch den Umstand, dass sich auch in der Mikrostruktur einzelner Folgen Ungleichgewichte zugunsten einzelner Akteurs- und Interessengruppen zeigen lassen. Im konkreten Fall der Eurokrise schlägt sich dies beispielsweise nieder in einer Bevorzugung der von der Regierung vertretenen Ursachenzuschreibungen und Lösungsvorschläge.

Literatur

Bucher, Hans-Jürgen. 2007. Logik der Politik – Logik der Medien. Zur interaktionalen Rhetorik der politischen Kommunikation in den TV-Duellen der Bundestagswahlkämpfe 2002 und 2005. In: Sprachhandeln und Medienstrukturen in der politischen Kommunikation, Hrsg. Stephan Habscheid und Michael Klemm, 13–44. Tübingen: M. Niemeyer.

Dörner, Andreas. 2001. Politainment. Politik in der medialen Erlebnisgesellschaft. Frankfurt am Main: Suhrkamp.

Gäbler, Bernd. 2011. „… und unseren täglichen Talk gib uns heute!“. Inszenierungsstrategien, redaktionelle Dramaturgien und Rolle der TV-Polit-Talkshows. Frankfurt (am Main): Otto Brenner Stiftung

Leif, Thomas (Hrsg.). 2013. Die Talk-Republik. Köpfe – Konzepte – Kritiker. o.O.

Lipp, Michael. 1983. Journalistische Wahlkampfvermittlung. Eine Analyse der politischen Diskussionssendungen im Fernsehen. In: Massenmedien und Wahlen. Mass Media and Elections: International Research Perspectives, Hrsg. Winfried Schulz und Klaus Schönbach, 238–259. München: Ölschläger.

Plake, Klaus. 1999. Talkshows. Die Industrialisierung der Kommunikation. Darmstadt: Primus.

Richardson, Kay. 2008. Specific debate formats of mass media. In: Handbook of Communication in the Public Sphere, Hrsg. Ruth Wodak und Veronika Koller. Berlin; New York: Mouton de Gruyter.

Sallhoff, Daniel. 2013. Quotencheck: «Günther Jauch». http://www.quotenmeter.de/n/64674/quotencheck-guenther-jauch (Zugegriffen: 29. Oktober 2013).

Schatz, Heribert, und Winfried Schulz. 1992. Qualität von Fernsehprogrammen. Kriterien und Methoden zur Beurteilung von Programmqualität im dualen Fernsehsystem. In: Media Perspektiven 690–712.

Schrott, Peter, und Jens Tenscher. 1996. Elefanten unter sich? Das Aufeinandertreffen von Moderatoren und Politikern in den deutschen Wahlkampfdebatten. In: Politische Vierteljahresschrift 37: 447 – 474.

Schultz, Tanjev. 2004. Die Moderation politischer Gesprächsrunden im Fernsehen. Eine Inhaltsanalyse von »Sabine Christiansen«, »Berlin Mitte«, »Presseclub« und »19:zehn«. Publizistik 49: 292–318.

Schultz, Tanjev. 2002. Journalisten-Talk. Politische Kommunikation als Punditocracy? In: Talk auf allen Kanälen. Angebote, Akteure und Nutzer von Fernsehgesprächssendungen, Hrsg. Jens Tenscher und Christian Schicha, 233–249. Wiesbaden: Westdeutscher Verlag.

Tenscher, Jens. 1999. »Sabine Christiansen« und »Talk im Turm«. Eine Fallanalyse politischer Fernsehtalkshows. In: Publizistik 44: 317–333.

[1] Die letzten im engeren Sinne wissenschaftlichen Publikationen sind eine Analyse von Bernd Gäbler (2011) sowie eine Studie von Studierenden (Leif 2013).