Zeit Verbrechen: Der Panther | Kritik (original) (raw)
RTL+: Wenn man Gangsterbosse in den Knast bringen will, ruft man V-Mann Johnny. Wenn man einen rauen, rasanten Genrefilm produzieren will, ruft man Regisseur Jan Bonny.
Es gibt keine Panther. Es gibt nur Leoparden und Jaguare mit Pigmentstörung. Aus der Ferne sehen sie komplett schwarz aus, doch wenn man genauer hinschaut, schimmert ihre gelblich-schwarze Musterung hindurch und entlarvt sie. Bei Johnny (Lars Eidinger) ist es ähnlich: Auf den ersten Blick scheint er ein Gangster zu sein, doch tatsächlich ist er ein eingeschleuster V-Mann. Oder ist es umgekehrt? Man weiß es nicht so genau – und auch Johnny selbst scheint nicht mehr so recht zu wissen, auf welcher Seite er steht. Er schlägt brutal (und gerne) zu, kokst fleißig, kauft Frauen, feiert (und rezitiert Rilke) mit den Clanbossen, die er hinter Gitter bringen soll. Vielleicht tut Johnny all das, um innerhalb der Bande glaubwürdig zu bleiben, wie er es einmal seinen Polizei-KollegInnen erklärt. Vielleicht aber auch, um aus seinen Spielschulden rauszukommen und sich für immer nach Vietnam abzusetzen.
Atemlos durch die Unterwelt
Jan Bonnys Der Panther folgt ihm mit atemloser Energie. Nichts in diesem Film ruht: Die Figuren rennen, tanzen, schlagen, treten, fliehen, sind immer in Bewegung. Die wacklige Handkamera ist ihnen stets auf den Fersen, umkreist sie, schwenkt wild hin und her. Alle paar Sekunden ein Schnitt, Zeitsprung, Ortssprung, Schuss, Gegenschuss, SMS als Zwischentitel, nächste Szene. Niemand im aktuellen deutschen Genrekino hält eine solche Intensität dermaßen lange aufrecht wie Jan Bonny – das war auch schon in seinem NSU-Film Wintermärchen (2018) zu bestaunen.
Diesmal geht es nun nicht um politische Gewalt, sondern um kriminelle. Der Panther blickt hinab in den Abgrund des organisierten Verbrechens, wo sich Drogenhandel, Prostitution und Waffengewalt vermischen. Die Kulisse heißt Leverkusen. Jan Bonny und Kameramann Jakob Berger inszenieren diesen Ort, von dem man jenseits des Fußballs quasi nie irgendetwas hört, als Ödnis voller grauer Industriegebiete, ausdrucksloser Gebäude und düsterer Spielhöllen. Nur zweimal bekommen wir ein wenig Natur zu sehen – wenn Johnny versucht, die Beziehung zu seiner Junkie-Tochter zu kitten.
Warten auf die Raubkatze
Lars Eidinger spielt diesen Johnny (vermutlich nicht ohne autobiografischen Input) als einen Getriebenen – als testosterongesteuerten, selbstherrlichen Zampano, der nicht ruhen darf, weil er sonst womöglich Zeit hätte, das eigene Scheitern zu erkennen. Also rast er unablässig weiter, versinkt immer tiefer im Strudel seines Doppellebens. Diese immense kinetische Energie, die Jan Bonny und Lars Eidinger hier auf die Leinwand bringen, erzeugt einen Sog, der mit den Credits nicht endet. Man muss aufpassen nach diesem Film – aufpassen, dass man beim Verlassen des Kinos Menschen, die im Weg stehen oder zu langsam laufen, nicht einfach umnietet. Der Panther steckt dermaßen voller Adrenalin, dass er in seinen nur 75 Minuten eine enorm aufputschende Wirkung erzielt.
Bei der besuchten Berlinale-Vorführung war diese nie nachlassende Wucht, gepaart mit derben Gewaltdarstellungen, einigen ZuschauerInnen offensichtlich zu viel: Nicht alle hielten den Film bis zum Ende aus. Wo Der Panther künftig zu sehen sein wird, ist indes noch unklar: Das Werk gehört zu einem Quartett kurzer Spielfilme, die bei den Berliner Filmfestspielen unter dem Namen Zeit Verbrechen veröffentlicht wurden, da sie von Folgen der gleichnamigen True-Crime-Podcast-Reihe inspiriert sind. Produziert wurde das Ganze im Auftrag des Streamingdienstes Paramount+. Dort werden die vier Episoden nun aber überraschenderweise nicht zu sehen sein. Doch es lohnt sich, die Fährte dieses düster schimmernden Raubtiers zu verfolgen.
Den Film kann man (mit Abo) bei RTL+ streeamen.
Der Text erschien urprünglich am 26. Februar 2024.