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Denkt man heute an Willy Brandt, so steht der Staatsmann im Vordergrund, der Kanzler der Ostpolitik mit der großen symbolischen Geste, dann aber auch der Parteipatriarch, der Verständnis für die aufmüpfige Jugend zeigte, und schließlich der Patriot, der zusammenwachsen sah, was zusammengehörte. Berlin als Frontstadt des Kalten Krieges erweckt dagegen eher negative Assoziationen. Aber gerade hier hat jene Ikone der Friedenspolitik ihren festen Platz, erklärte Brandt doch 1960: "Wir werden uns daran gewöhnen müssen, im Gleichgewicht des Schreckens zu leben." Er war der politische Führer West-Berlins in der Krise seit 1958, der in machtvollen Reden den Gegnern gegenüber Entschlossenheit demonstrierte und in der Bevölkerung die Bereitschaft zum Widerstand stärkte und stets Zuversicht in die Zukunft zeigte, in der aber das so häufig strapazierte Licht am Ende des Tunnels noch nicht sichtbar war. Es ist aber nicht nur die unbestreitbar große politische Leistung Brandts während dieser Krisenjahre, die in der Dokumentation der Berliner Jahre überzeugend belegt wird. Vielleicht noch bedeutsamer sind diese Jahre für Brandts eigene Entwicklung gewesen. Es waren keine "Lehrjahre", sondern Jahre auf einem einzigartigen Außenposten, der ihm alles abverlangte.