Denkerhaus: Carl Schmitts Bungalow steht zum Verkauf (original) (raw)

Die Urbanisierung der intellektuellen Provinz hat in der deutschen Geistesgeschichte eine lange Tradition. Der Spott über Heideggers Schwarzwaldhütte zieht sich von Theodor W. Adorno bis Thomas Bernhard, änderte aber nichts daran, dass Todtnauberg auch nach dem Zweiten Weltkrieg zum Walhall von Philosophen und Schriftstellern wurde. „Hoffnung auf ein kommendes Wort im Herzen“, hat der Dichter Paul Celan dort ins Gästebuch geschrieben, und wurde enttäuscht. Heidegger hat nie ein Wort der Reue über seine NS-Verstrickung verloren.

Die Verstocktheit teilt er mit Carl Schmitt, dem „Kronjuristen des Dritten Reiches“, der sich nach dem Weltkrieg in seinen Heimatort Plettenberg zurückzog. Um 1960 tauchte im Briefkopf seiner zahlreichen Korrespondenzen der Name „San Casciano“ für die Kleinstadt im Sauerland auf, eine Anspielung auf den späten Exilort Niccolò Macchiavellis, der von dort aus das politische Denken revolutionierte. Schmitts Geistesrevolution war, wie man weiß, anderer Art. Sie führte von der christlichen Offenbarung, die den Erdkreis in Freunde und Feinde teilte, zur immer wieder aufgeschobenen Erlösung. Schmitt verbrachte in Plettenberg viele bittere Tage. Die frühe Bundesrepublik schwieg über ihn, für die Achtundsechziger war er der maximale Gegner. Als Entdecker der Feindschaft in der Welt, klagt er in seinem Denktagebuch, habe er nun alle Chancen, zum Feind des Menschengeschlechts erklärt zu werden.

Es kam anders. Plettenberg wurde zum Pilgerort einer geistigen Elite, die von jener Sehnsucht nach dem Rätselhaften, Dunklen und Geheimnisvollen getrieben wurde, die von der jungen Bundesrepublik nicht bedient wurde, wie der Schmitt-Kenner Timo Frasch in seiner Magisterarbeit schreibt. Die Rede vom „System Plettenberg“ kam auf als dem bewusst gewählten Reduit, aus dem Schmitt seinen wachsenden geistigen Einfluss ausübte. Der schmucklose Bungalow, in dem Schmitt seit 1970 seine Gäste empfing, hat nichts von der arkanen Aura. Er strahlt jene funktionalistische Biederkeit aus, die dem Modernekritiker Schmitt eigentlich verhasst gewesen sein muss.

Man kann darüber rätseln, ob es Geldmangel oder Tarnung war, die Schmitt zum Kauf der Immobilie getrieben hatte, und man könnte es sogar konsequent nennen, dass sie jetzt für schlappe 240 000 Euro auf Immonet zum Verkauf angeboten wird. Drei Zimmer auf 122 Quadratmetern, prosaischer geht es nicht, und wer es nicht weiß, erfährt auf der Plattform erst gar nicht, wer hier einmal gewohnt hat. Die Wirkungsgeschichte eines Autors bemisst sich in Büchern, nicht in Immobilien; trotzdem ist es ein geistesgeschichtlicher Ort, der hier zum Verkauf steht. Vielleicht wird die Carl-Schmitt-Gesellschaft, die das Erbe des Juristen pflegt, noch auf die Anzeige aufmerksam.