Glosse Feuilleton: Bastians Rache (original) (raw)

Nun ist es heraus. Heiner Bastian, der die Sammlung Marx seit langem als Kurator betreut, wirft den Kram hin. Er kündigt aber nicht etwa dem Sammler seine Mitarbeit auf, sondern dem Hamburger Bahnhof in Berlin, jenem "Museum für Gegenwart", in dem die von ihm betreute Kollektion seit der Eröffnung des Hauses 1996 residiert. Und er tut dies nicht still und leise, sondern in einem Interview mit der Kunstzeitschrift "Monopol", in dem ein Paukenschlag auf den anderen folgt. Seit Jahren, so Bastian, tue der Hamburger Bahnhof zuwenig für die zeitgenössische Kunst. Immer wieder hätten Klaus-Dieter Lehmann, der Präsident der Stiftung Preußischer Kulturbesitz, und Peter-Klaus Schuster, der Generaldirektor der Berliner Museen, Verbesserungen versprochen. Passiert sei nichts: "Das Wort von Schuster und Lehmann war nichts wert." Aus dem einst "schillernden Bahnhof" sei "ein stilles Gleis geworden, an dem die Züge der Gegenwart schon lange nicht mehr halten". Hinter München, Wolfsburg, ja sogar hinter Bregenz sei man zurückgefallen. Jüngstes Beispiel: die große Andreas-Gursky-Ausstellung in München, die Bastian für die Berliner Nationalgalerie geplant hatte. Endlos scheint die Liste der Versäumnisse. Dann setzt Bastian zu einem finalen Trommelwirbel an: Würde die Amtszeit von Peter-Klaus Schuster, die 2008 endet, verlängert, so wäre das eine "Katastrophe für die Stadt, die größte Katastrophe, die dem Hamburger Bahnhof und der Neuen Nationalgalerie passieren könnte". Ein Nachfolger ist bereits ausgespäht: Max Hollein, Direktor des Frankfurter Städel und der Kunsthalle Schirn. Bastian ist beileibe nicht der Erste, der die Ankaufspolitik Schusters und das Ausstellungsprogramm des Hamburger Bahnhofs kritisiert. Allein der Furor, den Bastians Abrechnung entwickelt, scheint wohlkalkuliert. Da macht einer Tabula rasa, einer, der lange als heimlicher Direktor des Hauses galt, mit dem er nun nicht mehr in einem Atemzug genannt sein möchte, einer, der den Hamburger Bahnhof als sein Terrain betrachtet hat. Natürlich spielt die Rivalität der Großsammler Marx und Flick dabei eine wichtige Rolle, agiert Bastian wie ein verschmähter Liebhaber, wenn er behauptet, Schuster und Lehmann hätten sich von Flick "über den Tisch ziehen lassen". Gleichwohl ist das ganze Theater ein strategischer Rachefeldzug, geführt, um Einfluss zu gewinnen auf die anstehenden personellen Entscheidungen. Es geht nicht um den Hamburger Bahnhof, der mit der "Atlas Group" und mit Felix Gonzalez-Torres gerade erst politische Kunst der Gegenwart gezeigt hat und vom Publikum mehr als je zuvor angenommen wird. Manches, was Bastian heraustrommelt, trifft zu; manches ist beleidigend. Alles aber ist bestimmt von Interessen. Der Kampf um die Zukunft der Berliner Museen hat begonnen. Die Truppen formieren sich. tw