Glosse Feuilleton: Die Filmkultur ist museumsreif (original) (raw)
Wenn man den kleinen Apokalyptikern glaubt, die vom tödlichen Angriff der kleinen Silberscheiben raunen, dann ist das Kino bald museumsreif. Dazu paßt, daß der Louvre sich nun Filme ins Museum holt, nachdem sich die Filme bislang den Louvre ins Kino geholt haben, in Dokumentationen wie "La ville Louvre" von Nicolas Philibert oder in Godards "Die Außenseiterbande", der seine Protagonisten durchs Museum rennen läßt, was Bernardo Bertolucci dann in "Die Träumer" nachgemacht hat, wobei seine Helden den alten Godard-Rekord von 9:43 Minuten unterboten. Natürlich ist mit diesem Kulturtransfer nicht gemeint, daß demnächst Teile des unter dem irreführenden deutschen Titel "Sakrileg" bekannten "DaVinci-Code" im Louvre gedreht werden dürfen. Nein, der Louvre selbst wird Produzent und gibt handverlesenen Regisseuren carte blanche, Spielfilme zu realisieren, die dann im Museum gezeigt werden sollen. Und weil man im Land von Derrida und Deleuze ist, sagt der Museumsdirektor: "Es handelt sich darum, jene Objekte in unserer Sammlung einem anderen Licht auszusetzen, die ursprünglich nicht dazu bestimmt waren, gesehen oder im Rahmen eines Museums ausgestellt zu werden. Der Blick des Cineasten kann diesen Objekten paradoxerweise eine Jungfräulichkeit wiedergeben und ihre Bestimmung des Geheimnisses und des Heiligen erneuern." Das klingt zwar fast wie bei Dan Brown, aber so wird's nicht werden, denn es ist bereits durchgesickert, daß der taiwanesische Regisseur Tsai Ming-liang den Anfang machen wird, mit seinem Lieblingsschauspieler Lee Kang-sheng, Nouvelle-Vague-Veteran Jean-Pierre Leaud und einer bekannten Schauspielerin aus Hongkong; Drehort ist, natürlich, der Louvre. Der Regisseur sagt, es reize ihn, das Kino, "das in Asien ein reines Unterhaltungsmedium ist, mit diesem Tempel der Weltkunst zu konfrontieren". Wenn diese Konfrontation aussieht wie der Zusammenprall von Melonen, Porno und Musical in Tsai Ming-liangs letztem Film "The Wayward Cloud", kann das ziemlich lustig werden. PETER KÖRTE