Glosse: Ist Rockmusik schlecht für Kunst? (original) (raw)
Hat der Gesang von Sir Paul McCartney Gemälde von Picasso, Monet und Renoir in der Eremitage beschädigt? Die Ermittlungen in Sankt Petersburg laufen. Neben dem ehemaligen Beatle sitzen die Rocker von Aerosmith und Sanftklang-Künstler Elton John auf der Anklagebank. Denn auch sie sollen in den vergangenen Jahren bei Konzerten auf dem Schlossplatz vor dem russischen Staatsmuseum mit hoher Dezibelstärke die Farbschichten der modernen Meister zu sehr in Schwingungen versetzt haben. Noch ein durchdringender Schrei von Aerosmith-Sänger Steven Tyler vor jubelnder Masse - und Monets Wasserlandschaft könnte bröckeln, befürchtet die Eremitage.
Die Leitung des Museums hat deshalb eine Lautstärke-Forschungsgruppe eingesetzt. Sie soll Test-Leinwände mit hohen Schallwellen "bombardieren". Ihr Leiter Alexei Bogdanow hofft auf eine staatliche Norm, um die Dezibelzahlen auf dem Schlossplatz zu reglementieren. Vielleicht aber sollten sich die Russen vielmehr der Frage der Musikauswahl widmen und sich dabei vom japanischen Wissenschaftler Emoto Masuru beraten lassen: Emoto hat Wasser abwechselnd mit Heavy-Metal-Musik und Mozart beschallt. Er behauptet, dass die aggressive Musik zu defekten Kristallen geführt habe, die klassische Musik hingegen zu wohlgeformten sechseckigen Kristallen. Die positive Wirkung klassischer Musik auf die Kunst wäre allemal ein Forschungsprojekt wert. Sollte Emoto recht haben, wäre wohl Elton Johns Ballade "Candle in the Wind" weiter in Sankt Petersburg erlaubt.
Die friedliche Nachbarschaft zwischen den mehr als 60 000 Exponaten im Kunstmuseum auf 350 Prunksäle verteilt und den Rolling Stones, die im Juli 2007 vor rund 40 000 Anhängern das lautstärkste Konzertereignis des Jahres in Moskau waren, könnte jedoch, hält man sich an Emoto, gefährdend für die Kunstwerke ausgefallen sein. So wären wohl auch die jungen Kunstsammler gut beraten, ihren Musikgeschmack zu überdenken - sonst könnte es auf dem Contemporary-Kunstmarkt bald zu bad vibrations kommen, vor allem, was die wandfüllend malenden Kräfte angeht: von den empfindlichen Lack-Farbtafeln Gerhard Richters über die pastosen Pinseleien von Jonathan Meese bis zum dicken Farbbalken eines Matthias Weischer.