Rezension: Sachbuch: Deutschland (original) (raw)
"Sylt - Amrum - Föhr" von Gisela Budde. Erschienen in der Reihe: dtv Merian Reiseführer. Deutscher Taschenbuch Verlag, München 1995. 239 Seiten, zahlreiche Abbildungen und Karten. Taschenbuch, 24,90 Mark. ISBN 3-423-37007-6.
Waren Reiseführer früher weniger subjektiv, die ehrwürdigen, die heute im Antiquariat wegen ihres skurrilen Reizes (Wieviel Trinkgeld erhält der Hausdiener, den es jetzt selbst in den Luxushotels kaum mehr gibt) oder wegen der von ihnen geweckten wehmütigen Erinnerungen an bezahlbare Preise auch in einem guten Hotel oder auch wegen der etwas gestelzten Beschreibung von Landschaften eine Art Rarität sind? Subjektiv waren Reiseführer auf ihre Art immer, aber diese Subjektivität fand ihre natürlichen Grenzen darin, daß der Reiseführer-Käufer schließlich nicht alles ganz anders vorfinden wollte, als es ihm vorgeführt worden war, daß er zuviel Belehrung nicht braucht, dafür Informationen, die nicht zu lückenhaft sein sollten. Gisela Budde, die Autorin des Sammel-Reiseführers über die Nordsee-Inseln Sylt, Amrum und Föhr, hat bei den Grünen ihren politischen Weg gemacht. Als sie sich entschloß, einen Reiseführer zu schreiben, wollte (oder konnte) sie nicht eine Fibel der Tourismus-Feindlichkeit verfassen. Die Geschichte des Seebadens wird ohne übermäßgie Ironisierung vergangener Sitten erzählt. Die Beschreibung des Booms ist zutreffend, der Sylt in den sechziger Jahren erfaßt hatte.Es hätte zu sehr ins Politische und ins Detail geführt, wenn die Autorin das Verdienst des damaligen Innenministers Titzck von der CDU erwähnt hätte, der durch eine keineswegs unriskante und unumstrittene Genehmigungsverweigerung den Bauboom auf Sylt gedämpft und damit zur Einsicht auf "der Insel" beigetragen hatte. Die Autorin ist gewiß nicht zu tadeln, wenn sie die Veränderung Westerlands kritisiert. Dort wurden die verklinkerten oder weiß gestrichenen See-Villen mit ihren hölzernen Balkonen weithin gesichtslosen Hochhäusern geopfert. "Man schätzt, was man verliert", mit diesem Satz gibt die Autorin eine auch für die Inseln, vor allem für Sylt, weniger für Amrum, fast gar nicht für die ihren Eigencharakter neben dem Fremdenverkehr wahrende Insel Föhr gültige Weisheit kund. Wer wollte der Autorin widersprechen, daß der heute am Flutsaum, wo man trotz alledem noch gesundheitsfördernd wandern kann, angespülte Müll, von Flaschen bis zu Kanistern und Plastikplanen, nicht den Vorzug der Vergänglichkeit hat, den das Angespülte von früher hatte: Bretter, Balken und Bohlen, mit denen man die (heute wegen des Küstenschutzes verbotenen) Strandburgen befestigen oder verzieren konnte? (fr.)