Wunderkinder (original) (raw)

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Drei Kinder sitzen am See, in einer urwüchsigen, grün wuchernden Waldlandschaft, die in weiches Sonnenlicht getaucht ist. Hanna, Abrascha und Larissa schwören sich ewige Freundschaft. Doch diese Freundschaft der beiden jüdischen Kinder mit Hanna, Tochter eines deutschen Brauereidirektors in der ukrainischen Stadt Poltava, wird vom Zweiten Weltkrieg überschattet. „Wunderkinder“ ist der zweite Kinofilm des Regisseurs Marcus O. Rosenmüller (nicht zu verwechseln mit Marcus H. Rosenmüller!) nach seinem Langfilmdebüt „Der tote Taucher im Wald“ (fd 34 183). Nach zahlreichen Fernseharbeiten, zumeist ebenfalls Krimis, etwa Episoden von „Sperling“ oder „Wolffs Revier“, beschreitet der 1963 geborene Regisseur nun ein ganz anderes Terrain. Produziert wurde „Wunderkinder“ von Artur Brauner und seiner Tochter Alice Brauner. Die Geschichte der drei Kinder ist in eine Rahmenhandlung eingebettet: Die berühmte Violinistin Hanna Reich befindet sich auf ihrer Abschiedstournee. Da erhält sie eine unerwartete Nachricht, die Erinnerungen an ihre Kindheit in der Ukraine wachruft; sie erzählt ihrer Enkelin von den Erlebnissen damals. Auf diese Weise werden die komplexen Zusammenhänge jugendgerecht aufbereitet. Nicht nur, dass die Binnenhandlung in der Ukraine aus der Perspektive der drei jungen Hauptfiguren erzählt wird; Adressat der Erzählung ist ebenfalls ein Mädchen im Alter der Hauptfiguren. Der Film richtet sich dementsprechend an ein junges Publikum, trotz der teilweise dramatischen Begebenheiten, die er zeigt. „Wunderkinder“ ist nach Hans Steinbichlers „Das Blaue vom Himmel“ (fd 40 474) in diesem Jahr schon der zweite Film über den Nationalsozialismus, der sich – zumindest teilweise – den Ereignissen in den ehemals der Sowjetunion angeschlossenen, sprachlich und kulturell gleichwohl eigenständigen Gebieten widmet: Bei Rosenmüller ist es die Ukraine, bei Steinbichler war es Lettland. Das Mädchen Hanna, das mit seinen Eltern in einer stattlichen Villa in Poltava lebt, spielt talentiert Geige, aber sie ist keineswegs hochbegabt. Anders als Larissa und Abrascha, die als musikalische Wunderkinder mit Klavier und Geige einmal sogar vor Stalin auftreten dürfen. Hannas Bericht setzt ein, als sich die Ukraine noch in der Sicherheit wiegt, die der Hitler-Stalin-Pakt vermeintlich gewährt. Als die Sowjetunion überraschend angegriffen wird, werden die in der Ukraine ansässigen Deutschen verfolgt. Auch die Familie Reich muss sich vor dem Zugriff des russischen Geheimdiensts NKWD verstecken – dabei helfen ihr die jüdischen Familien von Abrascha und Larissa. Als die deutsche Wehrmacht dann 1941 in die Ukraine einmarschiert und gnadenlos Judenverfolgung und Deportierungen vorantreibt, ist es an der Familie Reich, ihre jüdischen Helfer zu unterstützen. Dieser Blickwechsel ist spannend und neuartig innerhalb des Genres. Wo deutschen Kinoerzählungen über den Nationalsozialismus oft eine gewisse politische Überkorrektheit anhaftet, die sich dann in Stereotypen äußert, schert „Wunderkinder“ ein wenig aus. Das gilt auch für die Figur des SS-Standartenführers Schwartow, die nicht körperlich abstoßend und widerwärtig gezeichnet ist, sondern smart und kulturbeflissen. Die Rolle ist mit Konstantin Wecker gut besetzt (ebenso wie die drei Kinderrollen); es gelingt dem Schauspieler, die joviale Art mit kalter Grausamkeit aufzuladen. Aber schon seine rechte Hand, SS-Sturmbannführer Becker, ist comichaft eindimensional, ganz im Sinne des Klischees, gestaltet. Die Dialoge sind bisweilen lebensfern und wirken dann sehr ausgedacht, dramaturgisch gewollt wie in der symbolisch überfrachteten Szene, in der die drei Kinder vor einem sterbendem Hirsch im Wald stehen und eines fragt: „Ist das jetzt der Krieg?“ Neben dem interessanten Ansatz bewahren jedoch vor allem die einnehmenden schauspielerischen Leistungen der Kinder den Film davor, in eine Mischung aus Kitsch, Klischee und gutem Willen abzurutschen. Gewidmet ist „Wunderkinder“, so steht es im Abspann, „1,5 Millionen ermordeten jüdischen Kindern“ – das ist dann doch etwas anmaßend. Eine bloße Notiz wäre sicher angemessener gewesen.