581 Aeschenplatz 6 – Herzog & de Meuron (original) (raw)

Aeschenplatz und St. Alban-Anlage

Die St. Alban-Anlage verdankt ihre Dimension und ihre Gestalt der Tatsache, dass sie Ende des 19 Jahrhunderts anstelle der ehemaligen Befestigungsanlage entstand. Der einzige richtige Boulevard unserer Stadt ist eine Hauptverkehrsachse, und mit fremdartigen Bäumen bestückt gleichzeitig eine Art botanischer Garten. Sie ist für alle Verkehrsteilnehmer inklusive Fussgänger attraktiv, und sie beeinflusst das Stadtklima positiv.

Nach der Realisierung dieses Projekts können mehr Menschen an dieser Basler «Prachtsstrasse» teilhaben, zweitens erhält der Boulevard an einem seiner wichtigsten Gelenke ein eindeutiges städtisches Gepräge.

Das bestehende Gebäude ist gleichzeitig zu niedrig und zu lang. In unserem Projektvorschlag verleihen ein neuer Turm und Aufbauten unterschiedlicher Dimension dem etwas monotonen früheren Konzernsitz eine bewegte neue Silhouette. Das frühere lange Haus reiht sich nun in die Kette hoher Einzelbauten entlang dieser städtebaulichen Achse ein. Der Umbau von Aeschenplatz 6 ist ein weiterer Baustein der städtebaulichen Verdichtung von St-Alban-Anlage und Aeschengraben. Der Bau der Nationalzeitung 1960 machte den Auftakt dazu, die Hauptsitze von Helvetia und Bâloise Versicherungen folgten, und an beiden Orten wurde in den letzten Jahren weiter verdichtet. Gegenüber dem Boulevard stehen mit dem Pax-Haus und dem Wohnhaus St.Alban-Anlage zwei weitere Gebäude von grossstädtischem Masstab. Hermann Baur formulierte diese Verdichtungsidee bereits 1948 mit seinem Wettbewerbsbeitrag zum Bebauungsplan von Bahnhofplatz und Aeschengraben.

Ökologie

Der Umbau des ehemaligen Bankvereins bietet die Möglichkeit, ein wegweisendes Pilotprojekt für nachhaltiges Bauen in Basel zu realisieren. Dabei werden grundlegende Prinzipien nachhaltiger Stadtentwicklung wie Standortverdichtung und die Weiterentwicklung bestehender Strukturen deutlich.
In unserem Projekt werden die Entwurfsentscheidungen gemäss den folgenden Grundprinzipien getroffen:

ARCHITEKTUR

Umbau

Das Gebäude wurde in den frühen 80erJahren als Bankenhauptsitz entworfen. Der Wunsch nach Repräsentation und das Gebot absoluter Sicherheit sind die alles bestimmenden Eigenschaften dieses Baus.

Die Repräsentation der Bank manifestiert sich in Kalksteinverkleidungen – an der Fassade und im Inneren. Zwei zentrale Atrien, sind das herausstechende Merkmal in der inneren Organisation. Sie sollten spontane Begegnungen zwischen Mitarbeitenden trotz Zellenbüros und schweren Türen fördern. Die Anforderungen an absolute Sicherheit der Bank führte die Architekten wohl dazu, das Gebäude gegenüber dem Stadtraum völlig zu verschliessen.

Das umgestaltete Haus präsentiert sich offen und deutlich erkennbar nicht mehr als reiner Konzernsitz, sondern als ein Ort, der von verschiedenen Nutzern genutzt wird. Wir transformieren primäre architektonische Elemente des Burckhardt-Baus, wie die vertikalen Doppelsäulen, um sie funktional und begehbar zu machen. Die Kalksteinverkleidungen werden sowohl innen als auch aussen entfernt, wobei das bestehende Haus als Quelle für Baumaterialien für die neuen Konstruktionen dient. Am Burckhardt-Bau wird der rohe, tragende Beton sichtbar gemacht. Elemente von abgerissenen Gebäudeteilen werden an anderen Stellen wiederverwendet. Zudem werden je nach Nutzung als Büro oder Wohnraum verschiedene neue Bauelemente integriert, darunter Balkone, Geländer, Keramikverkleidungen, Holzrollläden, textile Markisen und Bepflanzung. Dieses Repertoire aus verschiedenen, aber wiederkehrenden Materialien schafft eine Einheit inmitten der Vielfalt.

Das grosse Atrium im umgebauten Bürohaus wird durch Entfernen der nicht-tragenden Innenwände der Zellenbüros zu geräumigen, stützenfreien Räumen umgestaltet, die durch eine Brandschutzverglasung zum Atrium hin begrenzt sind. Grosse Schiebefenster, die im Brandfall schliessen, ermöglichen weiterhin die Nutzung des Innenbereichs als kommunikativen Treffpunkt. Die flexible Gestaltung der Etagen erlaubt eine Unterteilung in größere oder kleinere Mieteinheiten und bietet die Möglichkeit, interessante Kombinationen aus Wohn- und Arbeitsräumen mit dem Flügel (B) zu schaffen. Im umgebauten “Cluster-Wohnhaus” wird das kleine Atrium in einen bepflanzten Innenhof umgestaltet.

An der Engelgasse verlängern wir das Gebäude um ein paar Meter bis zur Baulinie, aus der heute eher verschlossenen Stirnseite wird ein Kopfbau. Wohnungen zu Marktmiete haben Balkone mit Sicht in die Längsachsen des grünen Boulevards bzw. die Engelgasse hoch. Vis-à-Vis steht das neue Bürogebäude der Helvetia, man kann von guter Privatsphäre abends und an den Wochenenden ausgehen. Kleinere und mittlere Wohnungen sind als Vierspänner um den bestehenden Kern herum organisiert, wobei die grösseren Eckwohnungen sind.

Den Flügelbauten schneiden wir ihre Spitze ab, um Luft und Licht für den Garten zu schaffen und die Durchwegung des Gevierts zu verbessern. Die markanten Wendeltreppen bleiben im Garten als Aussentreppen stehen. Die Kerne werden umgebaut, um eine separate Erschliessung zu ermöglichen, wobei gleichzeitig eine Verbindung zum Clusterhaus (Flügel A) und zum Bürohaus (Flügel B) besteht- so können interessante Wohn/Arbeitsmodelle angeboten werden.

Aufstockungen

Die Wohn-Aufbauten entlang der St. Alban-Anlage sind Holzkonstruktionen deren Fassaden die Materialpalette des umgebauten Hauses darunter aufnehmen. Es ist nicht auf den ersten Blick erkennbar, was alt und was neu ist. Die Aufstockungen variieren in ihrer Höhe von einem bis zu drei Stockwerken, es entsteht eine lebendige Silhouette anstelle der heutigen, 160m langen Wand mit durchgehender Traufe, und man erkennt, dass dort oben jetzt gewohnt wird- mit guter Aussicht. Die neuen Wohnungen haben eigene Eingangshallen und Lifte, sie sind unabhängig von der Erschliessung der Büros, auch wenn sie darüber liegen.

Neubauten

Die Neubauten sind primär Wohnbauten: drei Stadthäuser an der Gartenstrasse und zwei niedrige Hofhäuser entlang der Parzellengrenze wachsen aus den bestehenden Untergeschossen heraus. Der neue Turm an der St.Alban-Anlage ist das höchste Haus im verwandelten Quartier.

Alle Neubauten sind Holz- oder Holz-Beton-Hybridbauten und drücken die Wohnnutzung aus. Stockwerkeigentum, Mietwohnungen zu Marktmiete und preisgünstige Wohnungen sind verteilt über die verschiedenen Um- und Neubauten, in einzelnen Häusern mit eigener Erschliessung. Die Fassaden der Neubauten sind bestimmt durch eine ähnliche Mischung aus Materialien wie der Umbau. Heraus sticht die Wiederverwendung des Kalksteins aus dem Burckhardt-Bau: in den Sockelbereichen, auf Treppen und Wegen, aber auch als opake Fassadenelemente in den Obergeschossen.

Turm an der St. Alban-Anlage

Ein neuer Büro- und Wohnturm besetzt die Leerstelle der heutigen Eingangshalle. Vom Stadtboden angehoben markiert der höchste Bau den prominentesten Durchgang von der St.Alban-Anlage in den Garten. Das Volumen in diesem Turm erlaubt es, die Verdichtung entlang der St.Alban-Anlage zu maximieren und gleichzeitig die Aufbauten auf dem Bestand auf ein bautechnisch vernünftiges Mass und unterhalb der Hochhausgrenze zu beschränken. Der Turm ist etwas weniger hoch als die benachbarten Helvetia Hochhäuser. Trotzdem braucht er neue Fundamente: an dieser Stelle ist ein solcher Eingriff in die Untergeschosse mit geringerem Aufwand möglich als über dem Bestandsbau.

Im Sockelbereich des Turms befinden sich Dienstleistungsflächen mit eigenen Zugängen, die aber auch mit den Mittelbauten A und B verbunden werden können. Eine Gemeinschaftszone auf Ebene 5 könnte für das Haus oder auch für alle Bewohner der Aufbauten entlang der St.Alban-Anlage ein attraktives Angebot sein- sie könnten über das Dach dahin gelangen. Sieben Geschosse mit Eigentumswohnungen unterschiedlicher Größe, die alle zweiseitig orientiert sind, runden das Wohnungsangebot hochwertig ab. Gekrönt wird der Turm und das neue Geviert mit einer Dachterrasse.

Personen- und Feuerwehraufzüge für den Turm sind neu, der Zugang erfolgt aus der Passage im Erdgeschoss. Die Fluchttreppenhäuser des bestehenden Gebäudes können mitbenutzt werden. Wir verlängern sie nach oben als Aussentreppen, sie geben dem Haus eine besondere Identität.

Stadthäuser an der Gartenstrasse

Drei neue Wohnhäuser fassen die Gartenstrasse als Einzelbauten, dazwischen führen Treppen und Rampen in den erhöhten Garten. Zurückversetzte mineralische und bepflanzte Sockel drücken aus, dass der Garten zugänglich ist, dass die Privatsphäre im ersten Obergeschoss beginnt. Auf Gartenniveau sind neben Wohnungseingängen und Fahrradstellplätzen kleine gewerbliche Mieteinheiten mit Quartierbezug vorgesehen.

Die kristalline Form der Häuser nimmt die Winkel der verschiedenen Grundstücksgrenzen auf und kommuniziert über den Garten hinweg mit den zu Wohnungen umgebauten, polygonalen Flügelbauten A und B. Die orthogonale Grundrissstruktur der Stadthäuser wächst aus derjenigen der bestehenden Untergeschosse heraus. Alle drei Häuser sind Vierspänner und fast alle Wohnungen sind Eckwohnungen.

Die drei Häuser sind verwandt, aber sie haben Eigenheiten, die sie unterscheiden. Das östliche Haus I steht über der Einfahrt zur Tiefgarage. Im mittleren, von der Strasse zurückversetzten Haus II liegt die Haupterschliessung in die Untergeschosse, sozusagen das fussläufige Pendant zur Autorampe. Das Charakteristische an Haus III im Westen sind abgetreppte Balkone, es reagiert auf die Abstandsflächen und Lichteinfallswinkel des Nachbargebäudes.

Hofhäuser entlang der Parzellengrenze

Zwei dreigeschossige Hofbauten stehen entlang der westlichen Parzellengrenze und haben Vorgärten. Auch sie wachsen aus bestehenden Untergeschossen heraus. Es sind reine Holzbauten und ihre besondere Lage bietet sich beispielsweise für Atelierwohnungen an. Direkt an die Parzellengrenze platziert, beherbergt Hofhaus II vier schmale Reihenhäuser mit einem innenliegenden Luftraum. Das südliche Hofhaus I ist von der Grenze abgerückt und profitiert von einem kleinen Garten mit schönen bestehenden Bäumen im Westen. In diesem Haus liegen zwei grosse Etagenwohnungen über vier Maisonetten.