Eggishorn & Strahlhorn [hikr.org] (original) (raw)

Steilwandern über dem Aletschgletscher...

Das Strahlhorn mag ein abwegiges Ziel sein, wenn man extra dafür ins Wallis reisen muss. Aber es gibt eien Menge Argumente, die für diesen 3000er sprechen - top Aussichtspunkt für den Aletschgletscher, spannender Steilaufstieg, der eben nicht in die Klasse der 08/15-Geröllhatscher fällt, spitziges Aussehen, dickes Gipfelbuch, nicht allzuviele Höhenmeter... Jedenfalls genügend Gründe für mich, es eben doch mal in Angriff zu nehmen.

Die Anreise aus dem Südschwarzwald zieht sich zwar ihre 3 1/2 Stündchen, ist aber nicht übermäßig stessig. Im Furkaverlad kann ich 20 Minuten pennen, ohne extra eine Pause machen zu müssen.

An der Eggishorn-Bergstation (ca. 2870 m) bringe ich es nicht übers Herz, einfach mit dem Abstieg in Richtung Gletscherstube zu beginnen. Die Gipfel sind für mich die größte Motivation am Bergsteigen und hier ist ein schönes Exemplar ganz billig zu haben. Also spaziere ich schnell auf das Eggishorn (2927 m), genieße einen ersten Blick zum Gletscher und gönne mir das heutige Gipfelbierchen. Klingt seltsam, macht aber Sinn, wenn man Stunden später wieder den Wagen wird lenken müssen.
Das genau einhundert Meter höhere Stahlhorn sieht von Eggishorn klein, aber steil aus. Wie man dort wohl rauf kommt?

Ich mache keine Experimente mit direkteren Varianten, sondern gehe wieder bis fast zur Bergstation zurück und nehme den markierten Bergweg via Tällisee zur Gletscherstube. Im Großen und Ganzen ein ansprechender, schön zu gehender Pfad mit einer unangenehmen Stelle bei P. 2723, wo gerade gebaut wird und man aufpassen muss, nicht versehentlich in Richtung Fiescheralp abzusteigen.
Beim Damm des Märjelen-Stausees (ca. 2360 m) endet für mich der Abstieg und jenseits beginnt auch schon der Anstieg in Richtung Strahlhorn.

Wie schon in einigen meiner Vorgänger-Berichte erwähnt, ist es zunächst nicht besonders wichtig, wo und wie genau man aufsteigt. Hauptsache, man hält in etwa auf P. 2750 zu bzw. auf die Rasenstücken etwas weiter östlich auf dieser Höhe.

Der Hinweis, man solle zur "9" von P. 2749 (bzw. neu zur "0" von P. 2750) gehen, ist an sich sehr hilfreich. Allerdings springt die Position bei starkem Zoom zu weit nach Westen, was zu Missverständnissen führen kann!

Ich entscheide mich für eine "relativ" östliche Variante und komme an den "sumpfigen Stellen" (wo ein Bach in den Stausee entspringt) auf ca. 2510 m vorbei. Das Gelände ist bis dahin fast überall gut zu gehen.
Auch im weiteren Anstieg gibt es keine sonderlichen Schwierigkeiten. Die Felsen lassen sich immer umgehen. So gelange ich auf eine Wiese auf ca. 2690 m - es ist der östlichste Rasenflecken, der auf der Landeskarte dort in dieser Höhe zu erkennen ist. Bis hierher nur T3 und leichter.

Direkt westlich der Wiese befindet sich ein Geröllfeld, darüber ein Felsriegel, darüber nochmals eine steile Wiese, die sich noch ca. 100 Meter östlich von P. 2750 befindet.
Am oberen Ende des Geröllfeldes entdecke ich die erste blau-weiße Markierungsstange. Auf erdigen Pfadspuren überwinde ich den felsigen Bereich ohne allzu große Schwierigkeiten (T4) und erreiche die obere, steile Wiese. So, nun wird es langsam spannend!
Ich zickzacke den Grashang hoch bis zum oberen Ende auf ca. 2790 m. Die Wegspuren sind im Aufstieg extrem undeutlich. Nun muss ich mich entscheiden - rechterhand nach Osten über Steilgras hoch oder linkerhand an einem auffälligen Block vorbei in felsiges Gelände?
Ich entscheide mich für links - und das ist ein Fehler!
So gelange ich an den Fuß einer Steilrinne, die mit Intuition sogar auf der Karte zu sehen ist (kleine Kerbe auf 2900 m). Da ich mich ich grundsätzlich recht wohl in solchen Rinnen fühle, steige ich ein. Unten geht es gut, weiter oben wird es aber steiler und viel loses Geröll behindert das Kraxeln ("nur" I, aber auch T5) . So bin ich froh, nach vielleicht 80 Höhenmetern rechts raus zu können.

Dort treffe ich auf Steinmännchen, einzelne Markierungsstangen und Wegspuren. Obwohl schon fast auf 3000 Metern, geht es nun mehrheitlich durch Gras und Erde immer rechts (östlich) der Rinne aufwärts bis in einen Mini-Sattel, in dem sich zwei Steilrinnen treffen. Dort überquere ich die Rinnen und steige ziemlich direkt weiter hoch. Auf den letzten Höhenmetern gibt es Blockwerk, das aber relativ stabil ist.

Der Gipfel des Strahlhorns (3027 m) ist geräumig und ein sehr gemütlicher Aussichtspunkt. So ein großformatiges Gipfelbuch habe ich soweit ich mich erinnern kann noch nie gefunden. Demzufolge wurde das Strahlhorn in 2023 knapp 50 Mal bestiegen, heuer nur ca. halb so oft bis Anfang September. Also jetzt nicht super-exklusiv, aber auch absolut nicht überrannt.

Ein kleines Manko des Strahlhorns ist seine mickerliche Schartenhöhe - laut Landeskarte nur ca. 20 Meter. Der nächstgrößere Gipfel wäre dann P. 3050 im Strahlgrat. Den möchte ich wenigstens mal versuchen.
Gleich nach dem Gipfel kommt eine kurze Kletterstelle, dann geht es zunächst recht einfach weiter. Aber nicht sehr lange. Spätestens die tiefste Scharte etwa auf halber Strecke zwischen Strahlhorn und P. 3050 ist dann richtig ausgesetzt. Runter komme ich noch (II), aber dann müsste ich ein paar Meter in den Reitsitz und danach sieht es nicht wirklich besser aus. Ich fühle mich nicht mehr richtig wohl und kehre in der Scharte um. Sooo wichtig ist mit P. 3050 nun auch wieder nicht.
Ich weiß nicht, wie genau die Vermessung an solchen Blockgraten ist. Jedenfalls kommt mir die Scharte etwas tiefer vor als die Karte angibt und mein GPS ist ähnlicher Meinung (ca. 2995 m). Damit hätte das Strahlhorn wieder die magischen 30 Meter Schartenhöhe, die manchmal als Gipfelkriterium angegeben werden. Aber egal - als südlicher Eckpfeiler dominiert es optisch sowieso den Strahlgrat mit seinen vielen kleinen Gipfelchen.

Wie öfters im Steilgelände sieht man die Wegspuren runterwärts besser. Trotzdem dauert der Abstieg ziemlich lange, zumindest in den oberen 250 Höhenmetern. Klettern muss ich eigentlich gar nicht, doch es ist eben nicht gerade flach, ca. 45 Grad im Durchschnitt. Solange ich in Bewegung bin, geht es gut, aber sobald ich stehenbleibe und eine Weile runterschaue, fühlt es sich plötzlich gefährlich an. Also immer schön weiter gehen.

Von oben kommend habe ich den Eindruck, dass sich der Pfad unterhalb von 2700 Metern verliert oder in Schafspuren übergeht. Macht aber nichts. Ich gehe einfach irgendwo herunter - wenig weiter westlich als hochwärts und treffe schließlich auf den Weg zwischen Platta und der Gletscherstube. Von dort sind es nur ein paar Minuten zum Tälligrattunnel (2346 m).

Der Tunnel ist ganz schön lang und beleuchtet. Das ist auch gut so, denn der Boden ist uneben und voller Wasser. Mit Bergschuhen kein Problem, ansonsten vielleicht etwas unangenehm... Es gibt drei Nischen, in der mittleren befindet sich ein kleiner Marienalter. Schön gemacht.
Die restliche Wegstrecke zur Fiescheralp (2215 m) ist zwar langweilig, aber angenehm zu begehen. Nicht einmal der kleine Gegenanstieg ganz zum Schluss stört sonderlich.

Auf der Rückfahrt liegen die Fahrzeiten für den Furkaverlad ungünstig. Deshalb entscheide ich mich spontan, über den Nufenenpass nach Airolo zu fahren und von dort aus durch den Stinketunnel nach Norden. Das klingt zwar umständlich, geht aber erstaunlich schnell und ist (solange kein Stau am Tunnel zu erwarten ist) durchaus zu empfehlen. Bemerkenswert: auf dem Nufenen dichter Nebel, sodass ich die Gruppe Steinböcke auf der Straße fast umgefahren hätte - im Reusstal dann bester Sonnenschein...

Schwierigkeiten & Gehzeiten

Abstecher zum Eggishorn: T2; 30 min hin und zurück
Bergstation - Gletscherstube: T2; 55 min
Gletscherstube - erster Markierungspfahl (ca. 2700 m): T3; 50 min rauf, 40 min runter
Gipfelanstieg Strahlhorn: tja, hm, auf der Idealroute "nur" ein sehr steiler Pfad - ich sag mal T5-; 55 min hoch, 45 min runter (schlechte Variante durch die Steilrinne: T5 / I+)
Erkundung am Strahlgrat: bis II und T5 (definitiv schwerer als der Gipfelanstieg); 30 min hin und zurück
Gletscherstube - Tunnel - Fiescheralp: eigentlich T1, aber feste Schuhe für den Tunnel nötig;
1 h 15 min

Fazit - eine pfiffige Route, irgendwie speziell und gut für schöne Erinnerungen

Für das Strahlhorn habe ich eine Routenskizze erstellt.