Eugenie von Soden - Frau im Fokus (original) (raw)
Esslinger Schriftstellerin und bürgerliche Frauenrechtlerin
Es war ein langer und mühsamer Kampf, den Frauen aller gesellschaftlichen Schichten in Deutschland führen mussten, bis sie im Januar 1919 zum ersten Mal wählen durften und gewählt werden konnten.
Zu den Streiterinnen für das Frauenwahlrecht in Württemberg zählt die Esslinger Schriftstellerin Eugenie von Soden. In verschiedenen Frauenvereinen aktiv, engagierte sie sich auch für das Recht junger Frauen, ein Studium aufnehmen zu können. Eugenie von Soden war Mitbegründerin verschiedener Frauenvereine und publizierte zahlreiche Schriften zum Thema Fraueninteressen. 1913/14 gab sie das dreibändige „Frauenbuch“ heraus, das eine „allgemeinverständliche Einführung in alle Gebiete des Frauenlebens der Gegenwart“ bieten wollte.
Eugenie von Sodens Geburtstag jährt sich im Oktober 2018 zum 160. Mal.
Eugenie von Soden wird am 21. Oktober 1858 in Esslingen geboren und wächst dort mit ihrer Zwillingsschwester und fünf weiteren Geschwistern auf. Ihre Eltern Theodor von Soden und Clementine geb. Camerer hatten mehrere Jahre in den USA gelebt, wo der Vater deutsche Sprache und Literatur an einem deutschen Gymnasium unterrichtete.
Nach ihrer Rückkehr nach Deutschland gründet er 1857 mit seiner Frau, die über ein Lehrerinnenexamen verfügte, in der Esslinger Fabrikstraße eine private höhere Töchterschule mit Pensionat. Bürgerliche Mädchen aus der Oberschicht wurden hier in Sprachen, musischen Fächern und Handarbeit ausgebildet, um später die Rolle einer Gesellschafterin, Ehefrau und Mutter einnehmen zu können. Zum Lehrplan zählten zudem Geschichte, Naturgeschichte und Physik. Auch Eugenie von Soden und ihre beiden Schwestern besuchen diese Schule.
Im Gegensatz zu den drei Brüdern, die nach dem Abitur studieren und akademische Berufe ergreifen können, haben die Schwestern diese Möglichkeit nicht: Frauen werden im Königreich Württemberg erst 1904 an der Universität zugelassen. Während Eugenies ältere Schwester Anna als Diakonisse in Frankfurt ein Kinderhospital leitet und ihre Zwillingsschwester Frieda einen Konzertmeister heiratet, bleibt Eugenie als einzige bei den Eltern in Esslingen wohnen und arbeitet in der Töchterschule mit.
Pflege der Eltern und schriftstellerische Tätigkeit 1892 schließen Theodor und Clementine von Soden aus Altersgründen das „Institut“. Als nicht verheirateter Tochter fällt nun Eugenie die Pflicht zu, für die Eltern zu sorgen. Gemeinsam ziehen sie nach Bad Cannstatt, wo die Mutter nach einem Jahr stirbt. Ihren Vater pflegt sie bis zu seinem Tod im Jahr 1913.
Parallel dazu beginnt um die Jahrhundertwende Eugenie von Sodens Laufbahn als Schriftstellerin: Sie verfasst Artikel für die „Schwäbische Frauenzeitung“ und schreibt Volkserzählungen, Novellen und Gedichte. In einem Brief an den Cotta-Verlag bittet sie 1905 um die Veröffentlichung eines Gedichtbands. Deutlich wird, wie schwierig es für sie ist, einen Verlag für ihre Werke zu finden – und wie gering wohl die Resonanz der Leserschaft war:
„Seit Jahren hege ich den Wunsch, meine Gedichte herauszugeben und obgleich mir von wohlwollender Seite versichert wird, sie seien das beste meiner literarischen Tätigkeit, habe ich kaum den Mut dazu, angesichts der Tatsache, wie viel produziert und wie wenig gelesen wird...“
Eugenie von Soden am 22. März 1905 (zit. n. Gierhake 1999:21)
Den Gedichtband „Haidekraut“ (1905) widmet Eugenie von Soden ihrer Zwillingsschwester, das Bändchen „Aus meiner Mappe“ ihrer Mutter. Die schriftstellerische Tätigkeit bietet ihr jedoch keine finanzielle Unabhängigkeit.
Tatkräftig mischt Eugenie von Soden in der bürgerlichen Frauenbewegung mit. Ihr Ziel ist dabei vor allem die Bildung von Frauen und Mädchen, um deren Teilhabe an Gesellschaft und Staat zu fördern. Mehrmals reist sie zu ihren Brüdern nach Berlin und lernt dort andere Aktivistinnen der ersten deutschen Frauenbewegung kennen. Zwischen 1896 und 1906 ist sie maßgeblich in verschiedenen Organisationen tätig.
Eugenie von Soden hält Vorträge und leitet Diskussionen in einer „Frauenlesegruppe“ mit dem Ziel der "Förderung aller zeitgemäßen Frauenbestrebungen" (zit. n. Gierhake 1999:28).
Um die Mitglieder auf dem Laufenden zu halten, sorgt sie dafür, dass Bücher und Zeitschrif-ten in Form von Lesemappen zirkulieren. Zusätzlich gibt es eine unentgeltliche Rechtsbera-tung für Frauen aller Stände durch erfahrene Anwälte.
Eugenie von Sodens Vortrag „Ein soziales Frauenideal“ erscheint 1900 zusammengefasst in der Schwäbischen Frauenzeitung. Einer seiner Kerngedanken lautet:
„Immer mehr erkennt die Frau ihre soziale Aufgabe. In unseren Tagen kann sie diese Aufgabe erfüllen, indem sie die Gegensätze zwischen reich und arm, gebildet und ungebildet zu überbrücken versucht.“
Vortrag „Ein soziales Frauenideal“, veröffentlicht am 18.02.1900 in der Schwäbischen Frauen-zeitung (zit. n. Gierhake 1999:29)
In den folgenden Jahren wird Eugenie von Sodens Arbeit zunehmend konkreter: Ab 1898 engagiert sie sich im „Verein für weibliche Angestellte in Handel und Gewerbe“, an dessen Gründung sie maßgeblich beteiligt gewesen war. Ziel des Vereins ist die Unterstützung von Frauen im Arbeitsleben. Der Verein hat zahlreiche Gönnerinnen und Gönner aus den "besseren" Kreisen Stuttgarts.
In Eugenies Zuständigkeit fällt der Bereich „Unterricht, Belehrung, Unterhaltung“. Angeboten werden Kurse in Englisch, Französisch, Maschinenschreiben und Stenografie. Zudem organisiert sie Feste und kulturelle Angebote. Mitglieder des Vereins gründen sogar ein „Damenorchester“.
Eugenie von Soden fordert ein soziales Miteinander und die aktive Rolle von Frauen in der Gesellschaft. Wie viele andere bürgerliche Frauen ihrer Zeit stellt sie die Standesgrenzen jedoch nicht in Frage. Ihr Engagement gilt besonders den gebildeten Mädchen und Frauen.
So zählt sie zu den Mitgründerinnen des „Stuttgarter Frauenklubs für Frauen und Mädchen gebildeter Stände“ und organisiert mit anderen Vereinsmitgliedern Räume, in denen erwerbstätige Frauen und Schülerinnen ihre Freizeit verbringen können. In der Langestraße 20 in Stuttgart werden zu diesem Zweck ein Lese- und Ausruhzimmer, ein Gesellschaftszimmer und ein Speisezimmer für Mittagessen, Kaffee und Tee eingerichtet.
Nicht zuletzt engagiert sich Eugenie von Soden im Vorstand des Stuttgarter Mädchengymnasiums – der ersten Schule, an der junge Württembergerinnen auf private Initiative hin das Abitur ablegen können.
Das Leben der Unterschichtsfrauen in Esslingen und anderen aufstrebenden Industriestädten verläuft oft am Rande der Gesellschaft, Armut und soziale Not sind an der Tagesordnung. Witwen, Frauen mit Kindern und Alleinstehende kämpfen als Tagelöhnerin, Dienstmädchen oder Fabrikarbeiterin um ihre Existenz. An Bildung oder gar Reflexion ihrer sozialen Lage und ihrer Rechte ist nicht zu denken.
Eine fundamentale Änderung der Situation von Frauen und Mädchen, so ist Eugenie von Soden überzeugt, ist nur durch die politische Gleichberechtigung zu erreichen. Ein erster Schritt dazu ist die Gründung des „Württembergischen Vereins für Frauenstimmrecht“ im Jahr 1904, den sie längere Zeit als Vorsitzende leitet.
Diese Aktivität wird durch die vergleichsweise liberalen Vereinsgesetze in Württemberg ermöglicht – in Preußen ist Frauen die politische Betätigung bis 1908 offiziell verboten.
Der Frauenstimmrechtsverein organisiert Vorträge und öffentliche Versammlungen, etwa zum Thema „Politische Eingliederung der Frau“. Hauptziel ist die gleichberechtigte Teilhabe von Frauen und die Wahrnehmung ihrer politischen Rechte. Auch Eugenies Bruder, Professor Dr. Hermann von Soden, engagiert sich für das Wahlrecht für Frauen: Auf der brandenburgischen Provinzialsynode 1912 bringt er eine Resolution zugunsten des Frauenstimmrechts in der dortigen evangelischen Kirche ein, die angenommen wird.
Nach langen Kämpfen vieler engagierter Frauen und einiger Männer wird nach dem Ende des Ersten Weltkriegs und der Revolution am 12. November 1918 vom Rat der Volksbeauftragten das Wahlrecht für Frauen verkündet.
Am 30. November 1918 wird es mit dem Erlassen des Reichswahlgesetzes das aktive und passive Wahlrecht (auch) für Frauen geltendes Recht. Im Alter von 60 Jahren darf Eugenie von Soden im Januar 1919 erstmals wählen.
Das dreibändige "Frauenbuch" – eine wahre Enzyklopädie
Sechs Jahre vorher publiziert Eugenie von Soden zusammen mit sachkundigen Mitstreiterinnen 1913/14 mit dem dreibändigen „Frauenbuch“ ihr Hauptwerk. Es will die Errungenschaften der Frauen(bildungs)bewegung einem breiten Leser/-innenkreis zugänglich machen. Alle Bände sind mit ausführlichem Bildmaterial und praktischen Anleitungen versehen.
Der erste Band („Frauenberufe und Ausbildungsstätten“) bietet einen Überblick über berufliche Entwicklungen für Frauen zu Beginn des 20. Jahrhunderts. Dazu zählen auch Informatio-nen über unterschiedliche Erwerbsmöglichkeiten, die Frauen offen stehen.
Im zweiten Band „Die Frau als Gattin, Hausfrau und Mutter“ geht es um den familiären und häuslichen Bereich, der damals als reine Frauen-Aufgabe gilt. Hier finden sich Tipps und Ratschläge für Gesundheit, Kindererziehung und Hausarbeit. Dabei geht es auch um die Rolle der (bürgerlichen) Hausfrau als Arbeitgeberin und ihr Verhältnis zu den Hausangestellten.
Durch die Entstehung einer öffentlichen Wohlfahrtspflege werden soziale Tätigkeiten vermehrt zu öffentlichen Tätigkeiten.
Im dritten Band des Frauenbuches "Stellung der Frau in Recht und Gesellschaft“ zeigen Eugenie von Soden und ihre Mit-Autorinnen das öffentliche Leben im Staat und in der Gemeinde auf, um Frauen über wichtige gesellschaftliche Fragen aufzuklären. Zudem finden sich in diesem Band Dokumente zur bürgerlichen Frauenbewe-gung, ihren Aktivistinnen und den wichtigsten Frauenvereinen.
Nach dem Tod des Vaters zieht Eugenie von Soden von Bad Cannstatt aus für zwei Jahre in den „Frauenklub“ in der Stuttgarter Alleenstraße 25. Hier gibt es Wohnmöglichkeiten für Frauen aus gebildeten Ständen wie etwa Sängerinnen, Lehrerinnen oder finanziell abgesicherte Witwen.
Bis zu ihrem Tod im Jahr 1930 wohnt Eugenie mit einer Gefährtin in der Augustenstraße in Stuttgart.
Am 19. März 1930 stirbt sie im Alter von 71 Jahren in Baden-Baden, wo sie die Heilung einer schweren Erkrankung gesucht hatte.
In einem Nachruf im „Schwäbischen Merkur“ werden zwei Tage später ihre Verdienste gewürdigt.
Die Urne Eugenie von Sodens wird in Esslingen im (inzwischen aufgelösten) Familiengrab bestattet.
Seit 2011 erinnert in der Daimlerstraße 29 in Stuttgart-Bad Cannstatt eine Tafel daran, dass Eugenie von Soden hier von 1900 bis zum Tod des Vaters im Jahr 1913 lebte. Diese Gedenktafel gehört zum „Historischen Pfad Alt Cannstatt“ und wurde von der Antiquarin und ehemaligen Landtagsabgeordneten Inge Utzt gestiftet.
Beide Erinnerungsorte tragen dazu bei, dass die Schriftstellerin und bürgerliche Frauenrechtlerin Eugenie von Soden nicht völlig vergessen wird.
Autorinnen: Elisabeth Zeitler-Saile / Lisa Voigt / Aufbereitung für das Netz: Internetredaktion LpB (Stand: Dezember 2018)