Chronicles of Pern (Test) – SEGA-DC.DE (original) (raw)
Dragon Riders: Chronicles of Pern | |
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Genre | Adventure |
Erschienen | 09.08.2001 08.02.2002 |
Entwickler | Ubisoft UK |
Vertrieb | Ubisoft |
Online-Funktionen | keine |
Spieler | 1 |
Kompatibel mit | VMU, Vibration Pack, |
Mehr Infos | Weitere Daten |
Im Gegensatz zum Mega-Publisher Electronic Arts, der sich recht schnell entschieden hatte, Segas neue Konsole komplett zu ignorieren (angeblich, wegen eines geplatzten Exklusivdeals), begleitete Ubisoft den Dreamcast quasi vom Anfang bis zum bitteren Ende. Mit ihren Rennspielen waren sie einer der Vorreiter beim Online-Gaming und für die ausgehungerten Rollenspiel-Fans brachten sie u.a. Grandia 2 in den Westen. Im Jahr 2002, als die meisten Dreamcast-Projekte entweder komplett eingestampft oder auf andere Systeme verschoben wurden, folgte dann sogar noch Dragon Riders: Chronicles of Pern. Ein 3D-Adventure, das selbst unter Dreamcast-Fans eher unbekannt ist und auf den Fantasy-Romanen von Anne McCaffrey basiert. Entwickelt wurde es von den Ubi Studios UK, für die es das erste und zugleich letzte große Projekt war.
Vom Roman zum Spiel:
Das Spiel ist zwar im gleichen Universum angesiedelt, aber statt die Romane nachzuspielen, erlebt ihr in der Rolle von D‘Khor eine komplett neue Geschichte. Um die zu verstehen, muss man die Bücher übrigens nicht gelesen haben. Ich kann mir aber gut vorstellen, dass es die Spielerfahrung noch ein wenig verstärken würde. Man merkt dem Spiel nämlich an, dass es nur einen kleinen Teil eines viel größeren Kosmos darstellt und es lässt so manche Frage unbeantwortet.
Zurück zu unserem Protagonisten, D‘Khor. Er gehört zu den sogenannten Drachenreitern, die in der Spielwelt hohes Ansehen genießen. Nur sie können eine Art telepathische Verbindung mit den Drachen eingehen und mit deren Hilfe die Gefahr durch die Thread abwenden. Das sind wiederum fädenartige Sporen aus dem All, die in regelmäßigen Abständen auf die Welt niederregnen und alles Leben vernichten. Klingt abgefahren? Es wird noch verrückter. Die Bewohner von Pern sind ursprünglich mal Kolonisten von der Erde gewesen und die Drachen waren mal kleine Eidechsen, die erst durch Züchtung zu monströsen Drachen wurden. Viele Generationen später ist die Erinnerung an die Herkunft jedoch völlig verblasst und die Gesellschaft ist in eher mittelalterliche Zeiten verfallen. Auch die Technologie, mit der die Menschen einst den Planeten erreichten, ist längst vergessen und nur noch Bruchstückhaft in der Welt vorhanden.
Adventure ohne Action:
Im Spiel geht es aber letztlich gar nicht wirklich um die Drachen, die ständige Gefahr aus dem All oder die hochentwickelten Vorfahren, sondern vornehmlich um Intrigen, Machtspiele und eine unbekannte Seuche. Letztere breitet sich immer weiter aus und es liegt nun an euch, eine Erklärung und vor allem ein Heilmittel zu finden. Also bereist ihr die drei Kontinente, um jeden Charakter nach Hinweisen auszufragen und alles aufzusammeln, was euch in die Finger kommt. Viel mehr als das werdet ihr nicht tun, auch wenn die Screenshots und das damalige Marketing womöglich den Eindruck erwecken, dass Dragonriders ein Action-Adventure oder gar ein Rollenspiel ist. Ja, ihr lernt auf eurer Reise nach und nach ein paar neue Fähigkeiten, wie etwa den Einsatz eines Schwertes oder das Schleichen, und mit der Zeit verbessern sich auch ein paar Charakterwerte, aber es wäre wohl noch geschmeichelt, diese Aspekte des Spiels als rudimentär zu bezeichnen. Und wer sich auf Drachen-Action wie einst in Drakan oder Panzer Dragoon gefreut hat, der wird maßlos enttäuscht sein, denn ironischerweise gibt es die in Dragon Riders gar nicht.
Normale Nahkämpfe mit Monstern und Bösewichten gibt es hingegen regelmäßig, aber die ganze Mechanik und die Gegnerintelligenz sind dermaßen simpel und obendrein fehlerhaft, dass man sich nach einer Weile ernsthaft fragt, warum man nicht gleich komplett darauf verzichtet hat. Im Grunde läuft es immer darauf hinaus, dass man halbautomatisch um den Gegner tänzelt, ihren Schlag ins Leere gehen lässt und dann seinerseits einen Schlag landet. Das ist nicht nur super einfältig, sondern funktioniert in engen Räumen manchmal gar nicht richtig. In seltenen Fällen kann es sogar passieren, dass man durch die teils festen Kamerawinkel die eigene Figur und/oder den Gegner gar nicht sieht. Ganz ähnlich verhält es sich mit dem Schleichen, das zwar nur in einer handvoll Szenen benötigt wird, aber eben auch völlig unausgegoren ist. Selbst die für Adventures eigentlich üblichen Rätsel sind Mangelware und verdienen den Namen nicht.
Doch wie bereits erwähnt, sind diese Dinge eben nur Beiwerk, denn Dragonriders will in erster Linie seine Geschichte erzählen. Die allermeiste Zeit seid ihr damit beschäftigt, mit den unzähligen Bewohnern zu reden und so allmählich dem Ursprung der Seuche und den Verantwortlichen auf die Schliche zu kommen. Neben der Haupthandlung gibt es dazu auch immer wieder kleinere Nebenstränge, die meist nach einfachen Botengängen und dergleichen abgeschlossen sind. So helft ihr beispielsweise Händlern beim Ausliefern ihrer Waren, sucht in der Bibliothek nach einer bestimmten Schriftrolle oder besorgt warmes Essen für die Kranken. Hin und wieder führt euch eure Suche auch mal weg von den Gemeinden in leider viel zu klein geratene Höhlensysteme, Tempelanlagen, Schmugglerverstecke und vergessene Ruinen, um dort Story-relevante Artefakte zu bergen oder zwielichtige Leute zu beschatten.
Vertane Chancen und endlose Qualen:
In diesen Abschnitten kommt dann auch mal Spannung auf, was sonst eher nicht der Fall ist. Im Kern sind die Story und das ganze Universum drumherum ja durchaus interessant, aber Ubisoft macht viel zu wenig daraus und schafft es vor allem nicht, einen ordentlichen Spannungsbogen aufzubauen. Es gibt zwar jede Menge Menschen, die fast alle mindestens zwei, drei vertonte Sätze von sich geben, aber weder D‘Khor selbst noch seine Freunde und Kollegen wirken wie echte Persönlichkeiten mit Charakterzügen und eigenen Motivationen. Viele von ihnen sind so blass, dass ich zwischendurch doch immer mal wieder Probleme hatte, mich an sie zu erinnern, selbst dann, wenn sie gerade Teil einer großen Storywendung waren.
Wer bis hierhin großzügig ein Auge zugedrückt hat, der wird vermutlich spätestens dann aufgeben, wenn er merkt, wie quälend langsam das Spiel ist. Und damit meine ich gar nicht das gemächliche Tempo mit dem sich die Geschichte entwickelt, sondern die Tatsache, dass vieles im Spiel einfach extrem lange dauert. Allen voran die Ladezeiten, die zweifellos zu den längsten im ganzen Dreamcast-Portfolio gehören (wer erinnert sich noch an SoF?) und euch andauernd ausbremsen. Selbst die Karte zu öffnen oder nur durch das (ohnehin nicht sehr hilfreiche) 3D-Notizbuch zu blättern dauert eine kleine Ewigkeit. Obendrein lassen sich weder die Dialoge, die ja den Großteil des Spiels ausmachen, noch irgendwelche Scriptsequenzen und dergleichen beschleunigen oder gar überspringen.
Das geht sogar so weit, dass man folgendes Szenario immer wieder und wieder über sich ergehen lassen muss, wann immer man zwischen den fünf großen Locations wechseln will: Erst rennt ihr zur einzigen Stelle des jeweiligen Ortes, wo der Drache landen kann. Nun öffnet ihr das Menü und ruft ihn in einem Mini-Dialog herbei. Jetzt wartet ihr, bis er langsam angeflogen kommt und D‘Khor aufgestiegen ist. Darauf folgt die lange Ladezeit und als wäre das nicht schon nervig genug, müsst ihr dann auch noch eine Cutscene über euch ergehen lassen, in der ihr landet und anschließend auch noch von eurem speziellen Flug-Outfit zur normalen Kleidung wechselt... Ich habe die Zeit nicht gestoppt, aber ich bin mir sicher, dass ich mindestens ein Viertel der Spielzeit nur mit Ladebalken und dieser drögen Start-/Lande-Sequenz zugebracht habe und ich kann wirklich jeden verstehen, dem seine Freizeit dafür zu schade ist.
Grafisch bewegt sich das Spiel irgendwo im Dreamcast-Mittelfeld. Man hat versucht allen Figuren eine echte Mimik zu verpassen, was für ein Spiel jener Zeit nicht selbstverständlich ist. Leider wirken die Gesichter dadurch aber zuweilen unfreiwillig komisch oder gar etwas gruselig und manchmal sind auch kleine Grafikbugs zu erkennen. In seltenen Momenten schaut es tatsächlich mal ganz hübsch aus, aber die meiste Zeit ist ziemlich offensichtlich, dass es dem Dreamcast nicht gerade auf den Leib geschnitten wurde. Teils auffallend matschige Texturen, recht kleine und oft etwas leer wirkende Umgebungen sowie detailarme Objekte sind nur einige der Indizien dafür.
Es gibt noch zahlreiche andere Kleinigkeiten, die vermuten lassen, dass Ubisoft das Spiel einfach auch etwas überhastet fertiggestellt hat, weil die potentielle Käuferschaft auf dem Dreamcast mit jedem weiteren Tag schrumpfte. Ohne BigBen Interactive wäre es sicher auch nicht mehr nach Europa gekommen und selbst die trauten dem Spiel offenbar nur noch in England ein paar Verkäufe zu. Aus diesem Grund ist die PAL-Version auch eher selten und mittlerweile entsprechend teuer. Ab rund 25 € kann man aber auch die weitaus geläufigere und inhaltlich nahezu identische US-Version importieren. Wer das Spiel aber nicht nur aus nostalgischen Gründen bzw. zur Komplettierung der DC-Sammlung haben will, sondern es wirklich spielen möchte, der sollte wohl am ehesten zur PC-Version greifen. Die ist schon ab rund 10 € zu haben, sieht ein wenig besser aus und hat vor allem weitaus kürzere Ladezeiten. Wirklich empfehlen kann ich aber eigentlich keine Version. Auf dem Dreamcast kann man Dragon Riders noch zugutehalten, dass es für Adventure-Freunde kaum Alternativen gibt. Man könnte es wohl noch am ehesten mit Spielen wie Shenmue oder The Nomad Soul vergleichen, nur sind die eben in jeder Hinsicht ausgefeilter.
Über die Vorlage:
Obwohl im Mainstream weitgehend unbekannt, gibt es die Romanreihe schon seit 1967 und durch McCaffreys Kinder wird sie bis heute fortgeführt. Auch eine Videospielumsetzung gab es schon früher. Bereits 1983 veröffentlichte Epyx (u.a. Summer Games, Impossible Mission) das Strategiespiel Dragonriders of Pern für Atari-400/800 und C64.
Über den Redakteur:
Roberto ist der einzig verbliebene Redakteur des ursprünglichen Sega-DC.de-Teams. Neben seinen Aufgaben bei Sega-DC.de betreibt er unter dem Namen Polygonien noch einen kleinen Gaming-Blog, wo er sich vornehmlich Indie-, Nischen- und Art-Games widmet.