Frankfurt am Main: Suhrkamp Verlag verkauft Villa Unseld (original) (raw)

Schauplatz von Verlagsempfängen Suhrkamp verkauft Frankfurter Villa Unseld

Ein Symbol der bundesdeutschen Geistesgeschichte sucht einen neuen Besitzer: In der Villa im Frankfurter Nordend wohnte und empfing Verleger Siegfried Unseld. Nach seinem Tod zog Suhrkamp nach Berlin. Nun trennt man sich von dem Haus.

06.06.2024, 12.20 Uhr

Villa Unseld (in einer Aufnahme von 2010): Bundesdeutsche Geistesgeschichte im Holzhausenviertel

Villa Unseld (in einer Aufnahme von 2010): Bundesdeutsche Geistesgeschichte im Holzhausenviertel

Foto: Thomas Lohnes / ddp images

In der Buchbranche ist die Eckvilla in der Klettenbergstraße legendär. Alljährlich lädt der Suhrkamp Verlag dorthin zum Kritikerempfang während der Frankfurter Buchmesse. Betritt man den blauen Teppich im Erdgeschoss des Hauses, hat es den Anschein, als sei der 2002 verstorbene Verleger Siegfried Unseld nur kurz mal zur Tür hinaus. Seine Möbel, seine Warhols, vor allen Dingen aber seine Bibliothek: Alles ist noch da und wird in jedem Oktober mit Ehrfurcht betrachtet. Man fühlt sich wieder wie in der alten Bundesrepublik, in der die »Suhrkamp-Kultur« das Geistesleben prägte.

Suhrkamp-Kritikerempfang 2017 in der Villa Unseld: Pflichttermin am Buchmessenmittwoch

Suhrkamp-Kritikerempfang 2017 in der Villa Unseld: Pflichttermin am Buchmessenmittwoch

Foto: Martin Lengemann / WELT / ullstein bild

Siegfried Unseld, der den Suhrkamp Verlag von 1959 bis zu seinem Tod leitete, zog im selben Jahr auch mit seiner Familie in das Gebäude im Frankfurter Nordend ein. Unseld machte es zu einer Mischung aus Wohnhaus und Verlagsrepräsentanz. Auch 2002 hatte Unseld noch zum Kritikerempfang geladen, doch wegen seines Gesundheitszustands verlegte die zweite Ehefrau Ulla Berkéwicz die Veranstaltung in den Verlag in der Lindenstraße. Am 26. Oktober 2002 starb Unseld. Das Gebäude in der Klettenbergstraße trägt heute den Namen Siegfried-Unseld-Haus.

Der Suhrkamp Verlag zog nach einigen Querelen um die Nachfolge des Verlages 2009 nach Berlin um. Das Grundstück in der Lindenstraße wurde verkauft, das Verlagsgebäude abgerissen . Das Verlagsarchiv ging an das Deutsche Literaturarchiv (DLA) in Marbach. So blieb die Unseld-Villa das letzte Überbleibsel von Suhrkamp in Frankfurt am Main. Es ist Sitz der Siegfried und Ulla Unseld Familienstiftung.

Seit 2010 stand das Haus weitgehend leer. Ursprüngliche Planungen, es als Verlagsdependance zu nutzen, zerschlugen sich am Baunutzungsrecht : Die Klettenbergstraße ist als reines Wohngebiet ausgewiesen. Suhrkamp nutzt das Haus zu gelegentlichen Veranstaltungen und eben am Buchmessenmittwoch für den Kritikerempfang. Vor neun Jahren setzten sich Suhrkamp-Autor Andreas Maier und der langjährige Cheflektor Raimund Fellinger für ein Videogespräch im Suhrkamp-Auftrag ins Unseld-Haus.

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»Entscheidung nicht leichtgefallen«

Doch nun will sich Suhrkamp von dem Rest seiner Frankfurter Geschichte trennen. Wie zunächst die »Frankfurter Allgemeine Zeitung« in ihrer Lokalausgabe berichtete , steht die Unseld-Villa zum Verkauf. Die Maklerfirma Engel & Völkers bietet das Gebäude und das Eckgrundstück für 4,1 Millionen Euro an. Bei dem 1927 erbauten Haus besteht offenbar einiger Sanierungsbedarf.

Tanja Postpischil, Leiterin der Suhrkamp-Presseabteilung und Mitglied der Geschäftsleitung, bestätigte auf SPIEGEL-Anfrage die Verkaufspläne. »Es ist inzwischen 15 Jahre her, dass der Verlag Frankfurt in Richtung Berlin verlassen hat, und allein die Tatsache, dass wir diesen Schritt erst jetzt gehen, lässt Sie vielleicht erahnen, dass uns die Entscheidung nicht leichtgefallen ist«, schreibt sie. Das Haus stehe eben schon lange leer, ein Nutzungskonzept sei trotz aller Bemühungen nicht zu finden gewesen, die Kosten für den Erhalt der Immobilie hoch.

In Berlin ist Suhrkamp seit Ende 2022 Eigentümer des Verlagshauses in der Torstraße (zuvor war man Mieter). Mit seinem neuen Verlagshaus habe der Verlag »einen guten Ort für seine Zukunft gefunden«, so Postpischil. Damit sei die Frage nach der Zukunft der Klettenbergstraße mehr und mehr in den Blick geraten – »bis wir schließlich entschieden haben, uns von dem Haus zu trennen«.

Siegfried Unseld, kurz vor seinem Tod von der Stadt Frankfurt zum Ehrenbürger ernannt, kam am 28. September 1924 zur Welt. Zu seinem 100. Geburtstag wird es zu Unselds Gedenken eine vom DLA konzipierte Ausstellung geben – im Holzhausenschlösschen der Frankfurter Bürgerstiftung, nicht in der Unseld-Villa.