»Nörgelei nach Noten« (original) (raw)

Dem Journalisten Menge, 73, gelang Anfang der siebziger Jahre mit der Satire »Ein Herz und eine Seele« eine Erfolgsserie, deren legendärer Held Heinz Schubert als »Ekel« Alfred Tetzlaff bis heute ein Millionen-Publikum amüsiert. Am Freitag um 23.o5 Uhr startet die ARD den neuen Menge-Zwölfteiler »Das Lied zum Sonntag«.

SPIEGEL: In Ihrer neuen Serie randaliert wieder eine Familie Tetzlaff. Haben Sie das legendäre Ekel Alfred und seine »dusselige Kuh« wiederbelebt?

Menge: Nein, aber es sind Verwandte aus dem gleichen Holz, Edith und Arnold. Ich wollte eigentlich nur die Figuren reanimieren, nicht den Namen. Aber der NDR wünschte es dringlich und baut auf das unverwüstliche Markenzeichen.

SPIEGEL: Was passiert bei dem Lieder-Abend?

Menge: Das immer gleiche Ritual: Ein Laienchor in einer fiktiven norddeutschen Kleinstadt trifft sich zu Proben in einer Kneipe. Man singt alles mögliche, »Mit 17 hat man noch Träume« etwa oder Beethovens Ode »An die Freude« - jedes Lied ist das Präludium zum Streitthema, das in der Bierpause an der Theke diskutiert wird. Die Nörgelei nach Noten dauert jeweils nur zwölf Minuten und ist ein ganz neues

Sendeformat im Fernsehen.

* Mit Rotraud Schindler, Jaecki Schwarz (r.) als Ehepaar Tetzlaff.

SPIEGEL: Und da werden auch die Tetzlaffs

ordentlich vom Leder ziehen?

Menge: Sicher, über den Euro, über Ausländerprobleme oder Abtreibung. Sie sollen keinen beleidigen, aber auch nicht politisch korrekt sein. In einer Folge geht es zum Beispiel um Arbeitslosigkeit. Da singt dann ein Chorist, der gerade seinen Job verloren hat: »Ich brauche keine Millionen, mir fehlt kein Pfennig zum Glück.« Und der Tresen-Schnacker Arnold kommentiert: »Morgens aufwachen und gleich Feierabend machen ist doch herrlich.« Wenn ich diese Szene jetzt sehe, habe ich beinahe ein schlechtes Gewissen.

SPIEGEL: Man wird Ihnen Stammtisch-Humor vorwerfen.

Menge: Ich weiß nicht, was in diesen Zirkeln geredet wird, solche Zusammenrottungen sind mir fremd. Ich glaube nicht, daß ich Nachhilfeunterricht in Misanthropie brauche.

SPIEGEL: Sind Edith und Arnold ebenso gnadenlos einfältig und reaktionär wie das Wohnküchen-Duo Else und Alfred?

Menge: Also, er ist etwas zivilisierter und würde sich die Füße nicht in der Salatschüssel waschen wie Alfred. Edith kommt naiv und gutmütig daher, aber nicht mehr so kreuzblöd wie ihre Ahnfrau.

SPIEGEL: Die Zuschauer sind immer noch ganz närrisch nach der Spießer-Idylle von damals. Haben Sie eine Erklärung dafür?

Menge: Nein. Die Satire hat ja in der x-ten Wiederholung noch sensationelle Quoten. Und das beweist vor allem eines: Es gibt offenbar ein Bedürfnis nach politischer Unterhaltung, die unser albernes Comedy-Fernsehen nicht befriedigt.

SPIEGEL: Rührt sich da eine Siebziger-Jahre-Nostalgie?

Menge: Glaub'' ich nicht. Es sind die komisch-monströsen Figuren, die den Leuten gefallen, weniger das gesellschaftliche Umfeld. Sicher spielen auch Wiedererkennungseffekte eine Rolle. Die Jugend sieht im Ekel und sin Fru die eigenen Eltern, Onkel und Tanten und lacht sich scheckig.

SPIEGEL: Haben Sie sich noch mal Stücke aus der Antiquität angesehen?

Menge: Nur die Folge »Silvesterpunsch«. Gefiel mir ganz gut. Ich wollte eigentlich nur kontrollieren, ob der Gevatter Reich-Ranicki sich wirklich so exzellent in der Serie auskennt, wie er mal behauptet hat.

SPIEGEL: Der Großkritiker ein Ekel-Fan? Fühlt er sich dem Gnatter-Gnom womöglich seelenverwandt?

Menge: Wer weiß. Jedenfalls hat er mir mal ganze »Punsch«-Passagen fehlerfrei auswendig vorgetragen. Es hat ihn offenbar sehr amüsiert, wie die arme Else da ständig den US-Außenminister Kissinger mit Ex-Kanzler Kiesinger verwechselt.

SPIEGEL: Warum haben Sie nicht die Original-Darsteller engagiert?

Menge: Wir haben daran gedacht, doch sie waren damals auch privat selten ein Herz und eine Seele. Elisabeth Wiedemann hätte vermutlich nicht für Geld und gute Worte mit dem Ex-Kollegen Heinz Schubert arbeiten wollen.

SPIEGEL: Ihnen hat das Ekel-Paket doch sicher ordentlich Kasse gebracht?

Menge: Wollen Sie mich anpumpen? Bei den Öffentlich-Rechtlichen ist noch keiner zum Nabob geworden, schon gar nicht vor 25 Jahren. Jetzt läppert es sich ganz nett durch die Wiederholungen.

SPIEGEL: Erwarten Sie eine so erfreuliche Resonanz auch für das neue »Lied zum Sonntag«?

Menge: Ich schreibe nie mit Blick auf die Quote, gräme mich aber auch nicht, wenn sie hoch ist. Auf jeden Fall wird es Fortsetzungen geben, ich sitze schon dran. WDR-Intendant Fritz Pleitgen hat sich den Pilotfilm angesehen und prophezeit: »Daran schreibst du bis zum Jahr 2o2o.« Das allerdings halte ich für leicht übertrieben.

* Mit Rotraud Schindler, Jaecki Schwarz (r.) als EhepaarTetzlaff.