Auf grüner Welle um die Welt (original) (raw)

Biodiesel-Rennboot Auf grüner Welle um die Welt

Es ist ein Öko- und ein Egotrip zugleich: Mit seinem Biodiesel-Rennboot "Earthrace" will der Neuseeländer Pete Bethune die Welt umrunden. Die Aktion soll für umweltverträglicheren Treibstoff werben. Und es geht um einen neuen Weltrekord.

Das Erlebnis wird der drahtige Mann so schnell nicht vergessen. "Ein paar Sekunden lang war ich völlig unter Wasser wie in einem U-Boot. Steuern ging nur mit Hilfe der Instrumente. Ich hätte mir dabei beinahe in die Hosen gemacht", sagt Pete Bethune. Bei Testfahrten mit seinem futuristisch aussehenden Spezialboot war der 41-Jährige letztes Jahr vor Neuseeland in einen schweren Sturm geraten. Auch jenseits schlechten Wetters war der Proberitt mit dem Diesel-Power-Boat "Earthrace" abenteuerlich. Bethune: "Deine Sinne werden bombardiert. Hinter Dir brüllen 1000 PS. Und der Kohlefaser-Bootskörper verstärkt den Lärm wie ein Echo."

Er erzählt die Geschichte in Long Beach, Kalifornien. Dort dümpelt das silberfarbene Boot an einem sonnigen Sonntagmorgen im touristischen Teil des Hafens. Mit seinem lang gezogenen Bug, den geschwungenen Seitenauslegern, zwei Stummelflügeln und der Bemalung sieht der Trimaran wie ein Geschoss aus der Comic-Welt aus. In Sichtweite tutet die alte Queen Mary (Baujahr 1936). Der Ocean Liner ist hier seit 1972 als Hotel fest vertäut. Von einer Restaurantterasse trägt der Wind Steel-Drum-Klänge und den Duft von gegrilltem Fisch herüber. Am blauen Himmel zieht ein Luftschiff lautlos seine Kreise. Motorboote mit Hochseeanglern kehren von einem Turn zurück. Eine Postkartenidylle. Stürme mit Monsterwellen wie Bethune sie vor Neuseeland erlebt hat sind weit weg.

Al Gore des Meeres

Pete öffnet eine Packung Thunfisch mit Crackern aus dem Bord-Proviant, fängt an zu futtern und erzählt in leicht quäkendem Englisch von seiner Mission. Die knapp über 10.000 Kilometer von Auckland nach Long Beach, dem zweitgrößten Hafen der USA südwestlich von Los Angeles, hat er nicht aus Jux und Dollerei zurückgelegt. Der Ingenieur und Spezialist für Ölförderung ist auf Geldsammeltour. Der drahtige Kerl ist eine Art Al Gore des Meeres. Ein Prediger in Sachen Umweltschutz. Mit seinem silbernen Renner will er Ökosprit populärer machen. Und zwar durch eine Weltumrundung in Rekordzeit. Start ist - wenn nichts dazwischen kommt - am 8. März auf Barbados. Von dort geht es weiter nach Panama, Acapulco, San Diego, Hawaii, Majuro, Koror, Singapur, Malediven, Aden, Port Said, Malaga, Kanaren und wieder zurück nach Barbados. Befeuert wird sein bis zu 45 Knoten (etwa 80 km/h) schnelles Boot von Biodiesel. Für den Marathontrip liegt die derzeitige Bestleistung bei 75 Tagen. Bethune will sie um mindestens zehn Tage unterbieten.

Die 24 Meter lange "Earthrace" reitet anders als üblich nicht auf den Wellen, sondern sticht geradewegs hindurch. Auf die Idee mit dem Wellenpieksen kam Pete Bethune, als er spezielle amerikanische Kampfboote sah. Ein Bootsbauer in Neuseeland fertigte nach diesem Designansatz das Unikat aus vier Zentimeter dickem, carbonfaserverstärkten Sandwichlaminat. Anhand der Konstruktionsmerkmale wurde dann das Fahrverhalten der Röhre von Spezialisten des Schiffs-Tüv Germanischer Lloyd in Hamburg am Computer simuliert.

Ökotrip auf eigene Kosten

Der Ökotrip, der irgendwo auch ein Egotrip ist, wird nicht nur technisch und fahrerisch ein Abenteuer. Auch finanziell. Familienvater Bethune, er hat zwei Töchter, belastete eigens für dieses Vorhaben sein Eigenheim mit drei Hypotheken in Höhe von zusammen 650.000 Dollar. Ungefähr die gleiche Summe noch einmal lieh er sich. Er tingelte durch die USA und durch Neuseeland, warb für sein Projekt und sammelte Barspenden. Zudem unterstützen ihn Sponsoren mit Produkten - vom Anker und Navigationsgeräten bis zum Schlafsack. 18 Monate will er weg sein von Zuhause. Ehefrau Sharyn und die beiden Mädchen wird er nur bei wenigen kurzen Heimaturlauben sehen. Entspannung an Bord wird es kaum geben. Die Tankstopps zum Beispiel dürften hektisch werden. Jeder soll nicht länger als zwei Stunden dauern - eventuelle Zoll- und Passkontrollen sowie die Beladung mit frischem Proviant inklusive.

Keine Spur von Seemannsromantik

Heimelig ist es nicht an Bord. Der Bootsleib ist eine Mischung aus U-Boot und Rallye-Auto. Nur enger. Überall sind nackte Schraubenmuttern und Isoband zu sehen. Die Kohlefaserhülle ist pechschwarz und trägt eine dünne Schicht Klarlack, damit lose Fasern weder Juckreiz oder Husten auslösen. Das Schwarz hat zusätzlichen den Effekt, die Augen während der Nacht zu schonen. Dadurch bleiben die Pupillen weit geöffnet, was zumindest theoretisch die Wahrscheinlichkeit erhöht, dass Gefahren vom Steuermann schneller erkannt werden. Der sitzt erhöht in einem harten Schalensitz, seine Beine baumeln in der Luft oder stützen sich auf der Instrumentenkonsole ab. Pete Bethune hat eine Hälfte des Lenkrads abgesägt, damit er den taschenbuchgroßen Radarschirm besser sehen kann.

Eine Klimaanlage gibt es nicht. Sie würde zuviel Gewicht und Motorleistung kosten. Mickrige Ventilatoren verwirbeln die Mischung aus Männerschweiß und salziger Seeluft. In den Tropen herrschen rund 40 Grad bei einer hohen Luftfeuchtigkeit. "Da wirst du permanent in Schweiß gebadet sein", sagt Pete Bethune. Das Bordklo ist ein nackte Schüssel hinter einen dünnen Kohlefaser-Sichtblende. Die Schlafkojen sind schmal, die Matratzen sehr dünn. Und dann ist da der Lärm von 85 Dezibel als Dauergeräusch. Das entspricht dem eines vorbeifahrenden Lastwagens. Deshalb trägt jedes der fünf Crewmitglieder individuell angepasste Ohrstöpsel.

"Ich brauche Leute an Bord, die sich selbst motivieren können", sagt Bethune. Zwei Stunden steht jeder am Steuer, danach sind sechs Stunden Pause. Die Zeit wird genutzt werden, um zu schlafen, zu lesen oder um am Laptop Videoclips zu schneiden, die per Satellitenverbindung auf die Earthrace-Website überspielt werden und anschließend dort anzusehen sind. "Die meisten schlafen dreimal in 24 Stunden zwei bis drei Stunden am Stück", sagt Pete Bethune.

Gefahr durch Container

Eine große Gefahr werden Container sein. Von den stählernen Transportkisten, die sich bei stürmischem Wetter immer mal wieder aus ihrer Verankerung auf den Frachtern losreißen, ragt nur ein kleiner Teil aus dem Wasser. Dadurch sind sie nur sehr schwer zu erkennen. Große Tanker oder Frachter fahren einfach drüber. Das gibt höchstens einen Kratzer oder eine Delle. "Wenn wir jedoch durch eine Welle fahren und einen Container mit 20 bis 25 Knoten rammen, würde das Boot wahrscheinlich sinken", sagt Bethune. Der Earthrace-Crew bliebe dann nur der Notausstieg. Ein "X" markiert im Innern die dünnste Stelle, wo sich Pete und seine Mitstreiter ihren Weg nach draußen mit einer Axt freischlagen müssten.

Heikel ist auch, dass Earthrace für dicke Pötte nahezu unsichtbar ist. Das liegt zum einen an der flachen Bootsform, die selbst bei Tag schwer auszumachen ist. Und nachts hilft selbst Radar nicht, denn um ein Radarecho auf dem Bildschirm sichtbar zu machen, müssten die Strahlen von Metall reflektiert werden. Doch davon hat das Boot zu wenig. Bei einem Test ist ein großer Frachter Earthrace bis auf 100 Meter nahe gekommen. "Das war ziemlich brenzlig", sagt Pete Bethune.

Nach der Tortur will der Neuseeländer mit dem Boot auch Hamburg anlaufen - wenn alles glatt geht, als neuer Rekordhalter.