Putins Festung – französisches TV-Team darf erstmals eine russische Stellung filmen (original) (raw)

Krieg in der Ukraine Putins Festung – französisches TV-Team darf erstmals eine russische Stellung filmen

Krieg in der Ukraine: Putins Festung – französisches TV-Team darf erstmals eine russische Stellung filmen

© TF1 Youtube / PR

Die Streitkräfte der Ukraine suchen die Entscheidung in einer großen Sommeroffensive. Dabei machen ihnen die russischen Verteidigungsanlagen zu schaffen. Französische Journalisten durften eine Stellung nahe der Front besuchen.

Das Video "Dans les trenchees avec les soldats russes" ist keine drei Minuten lang. Doch seine Sprengkraft ist groß. In der Ukraine kam der neutral gehaltene Ton nicht gut an, zumal es sich um den Beitrag des großen französischen Senders TF1 und nicht um das Einzelprojekt eines Freelancers handelt. Das französische Kamerateam besuchte russische Stellungen.

Der Weg an die Front geht vorbei an Militärfahrzeugen, Trümmern und ersten Straßensperren. Dann die Stellung oder das, was man davon sehen darf. Die Gräben sind professionell gebaut. Etwa 2,5 Meter tief, mit Holz verschalt und am Boden mit einem Lattenrost versehen, dass die Soldaten nicht im Matsch stehen müssen. Die ganzen Felder sollen von ihnen durchzogen sein. Diese Systeme ähneln auf den ersten Blick denen des Ersten Weltkrieges. Tatsächlich funktionieren sie aber anders. Diese Gräben sind nie mit Mannschaften gefüllt, sie verbinden nur einzelne Positionen. Man könnte sagen, es gibt mehr Gräben als Soldaten.

Gut ausgebautes Stellungssystem

Laut "New York Times" beklagen sich ukrainische Soldaten, dass die russischen Schützengräben besser gebaut sind als ihre eigenen. Bunkeranlagen der Russen ähneln "Insektenbauten im vietnamesischen Stil“ und seien "so tief, dass sie von Drohnen nicht entdeckt werden können." Im Vietnamkrieg bauten die Vietnamesen ganze Tunnel- und Höhlensysteme, um sich vor der US-Luftwaffe zu schützen. Diese Anlagen wurden wie ein Bergwerk in mehreren Etagen in die Tiefe getrieben.

Grundsätzlich ist der Besuch der französischen Journalisten auch ein Mittel im Informationskrieg. Das Vorzeigen einer vorbildlichen Stellung soll sicherlich das Publikum im Westen entmutigen. Der Gegner steht nur etwa einen Kilometer von den Russen entfernt. Es handelt sich bei der Anlage nicht um eine "Festung" einer der russischen Hauptverteidigungslinien, sondern "nur" um eine Vorpostenstellung. Eine Befestigung wie die, durch die sich die ukrainischen Streitkräfte derzeit durchkämpfen müssen.

An den Gräben schließen sich an den Seiten tiefe Unterstände an. Die Truppe besteht aus Reservisten, die im letzten Jahr mobilisiert wurden. Sie führen dem Team einen automatisierten Granatwerfer vor, mit dem sie dann und wann zu den Ukrainern hinüber schießen. Ein Soldat sagt: "Diese Front wird seit sechs Monaten aufgebaut. Wir sind keine Dummköpfe. Wir beobachten die Ukrainer genau. Wenn sie sich bewegen, schlägt unsere Artillerie zu." Die russischen Verteidigungsanlagen sind in Schichten aufgebaut, bis zu fünf Linien sind hintereinander gestaffelt.

Soldaten der 35. Marine Brigade in einem der befreiten Siedlungen.

Drohnen-Werkstatt

Dann geht es in die Drohnen-Werkstatt der Stellung. Hier arbeitet ein Spezialist, ein Freiwilliger, kein Mobilisierter. Sein Helm ziert die Grafik eines Quadcopters – im typischen Orange, der Farbe des St. Georgsbandes. Der Spezialist nutzt die gleichen zivilen Quadcopter wie die Gegenseite. Aber die Zeiten, dass sie einfach Handgranaten abwerfen, sind vorbei. Kistenweise stehen industriell gefertigte Ladungen herum. "Die Ukrainer waren uns voraus, aber seit sechs Monaten holen wir schnell auf." In den weißen Bechern dürften sich Ladungen mit Splittern und Sprengstoff befinden. Sie wirken gegen "Weichziele" – Menschen und ungepanzerte Fahrzeuge.

Männerhände mit Smartphone, darüber verschiedene Computergrafiken gelegt

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Die Feuerstellungen des fünfzackigen Sterns sind beim Lager Labbézanga gut zu erkennen.

"So ist diese Drohne nur ein Spielzeug", sagt der Soldat. Dann hält er den panzerbrechenden Gefechtskopf unter sie. "Aber damit kann ich auch einen Panzer zerstören, wenn die Granate richtig platziert wird."

Bislang keine tiefen Einbrüche

Wie schwer es ist, diese Stellungen einzunehmen, zeigen die ersten beiden Wochen der ukrainischen Gegenoffensive. Kiew konnte bislang einige Orte an der unmittelbaren Frontlinie einnehmen so wie Pjatychatky und einige Siedlungen im Frontvorsprung bei Vremevka. "Sie hatten Monate Zeit, um einen Verteidigungsplan zu erstellen, sie haben sich eingegraben und das Gelände genutzt, sie haben sechs Monate lang dort gesessen und kleine Fallen und Minen gelegt", sagte Dara Massicot, Militärexpertin bei der Rand Corp, der "Washington Times". Geistiger "Architekt" der Anlagen soll der General Surowikin sein. "Es gibt so viele Minenfelder vor den Stellungen und viele Kilometer von ihnen entfernt, auf den Straßen, auf den Feldern, und es ist wirklich schwierig", so Massicot. "Und ein Großteil der ukrainischen Durchbruchsausrüstung wurde bereits zerstört, so dass der Versuch, all diese Minenfelder zu durchstoßen, eine echte Herausforderung ist."

Quelle: Wapo, NYT

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