Arsen, Strychnin und Nikotin – warum Agatha Christie mit Gift morden ließ (original) (raw)

Agatha Christie

Die britische Krimi-Autorin Agatha Christie, aufgenommen 1925, hatte eine Vorliebe für Giftmorde

© Mary Evans Picture Library/ILLUS / Picture Alliance

Die britische Autorin Agatha Christie gilt als Königin der Krimis. In ihren Werken bringt sie die Opfer gerne mit Gift um die Ecke - und das hat gute Gründe.

Die Gutbesitzerin Emily Inglethorp wird nachts von schweren Krämpfen geschüttelt. Ihre Familienangehörigen wollen ihr helfen, doch ihre Schlafzimmertür ist fest verschlossen. Die anwesenden Männer schmeißen sich gegen die Tür, doch als diese endlich offen steht, kann die reiche Lady nur noch den Namen ihres Mannes wispern. Dann stirbt sie. Und zwar an einer Strychnin-Vergiftung.

Mit diesem ungewöhnlichen Mordfall betritt die damals noch unbekannte Agatha Christie die Bühne der Weltliteratur. Veröffentlicht wurde der Roman in Großbritannien 1921, geschrieben hatte sie ihn bereits 1916, während des Ersten Weltkriegs. Die frisch verheiratete Agatha Christie tat damals freiwillig Dienst in einem Krankenhaus im Badeort Torquay. Dabei lief der Start nicht ganz rund: Christie war zu Kriegsbeginn 24 Jahre alt, kam aus besserem Haus und war vollkommen unerfahren. "Es ist ironisch, dass angesichts der grausigen Tode, die viele ihrer Charaktere erleiden, es eine Zeit gab, als sie beim Anblick von Blut ohnmächtig wurde", sagte Alasdair Brooks, Heritage Manager des britischen Roten Kreuzes, gegenüber dem Observer. Das Rote Kreuz hatte erst kürzlich die internen Aufzeichnungen über Christies Dienst veröffentlicht.

Ein altes Militärgelände bei Westerkappeln

Agatha Christie im Krankenhaus

Die Arbeit im Krankenhaus war zu viel für Christie. Operationen und Amputationen - Christie gab sich zwar Mühe und wurde am Ende doch in die Apotheke versetzt. Insgesamt leistete sie von Oktober 1914 bis September 1918 3400 Stunden im Torquay's Town Hall Hospital ab. "Aber wäre Christie nicht aus dem Krankenhaus entlassen worden, um in einer Apotheke zu arbeiten, hätte sie vielleicht nicht ihr gründliches Wissen über Gifte erlangt, das sie in ihren Romanen benutzte", sagt Brooks.

Christie selbst erklärte ihre Liebe für Gifte so: "Auf den Regalen rund um mich standen Gifte, und so war es vielleicht nur natürlich, dass ich einen Giftmord ins Auge fasste!" Und tatsächlich: In ihren rund 80 Krimis mordete sie in 41 mit Gift. Das Wissen, dass sie in der Apotheke erwarb, half ihr sehr bei ihren Büchern. "Da ich von Giften umgeben war, war es vielleicht naheliegend, dass der Tod durch Vergiftung die von mir gewählte Methode sein sollte", so Christie.

Am 30. April 1917 erhielt sie das Zertifikat der "Society of Apothecaries of London", dass es ihr ermöglichte, Arzneimittel für Ärzte herzustellen. Und sie führte Buch über die Substanzen, ihre (Wechsel-)Wirkung und Anwendungsgebiete. Und das tat sie mit einer wissenschaftlichen Genauigkeit, wie Prof. Volkmar Schneider vom Institut für Rechtsmedizin der Freien Universität Berlin und Dr. Benno Rießelmann vom Landesinstitut für gerichtliche und soziale Medizin in Berlin in einer Untersuchung im Jahr 2002 zeigten.

Für Rießelmann ist die genaue Darstellung der Giftwirkung, die zwar literarisch umschrieben, ansonsten jedoch fast Lehrbuchniveau erreicht, ein Grund, die Romane nicht nur als Unterhaltungsliteratur zu betrachten. Ein weiterer Grund ist die hervorragende Darstellung der häufigen Fehleinschätzungen, vor denen selbst Spezialisten nicht gefeilt sind. Dabei verweist Dr. Rießelmann auf den Roman "Das fahle Pferd", in dem die Thallium-Vergiftung von einem Arzt nicht erkannt und fehldiagnostiziert wird.

In ihrem Erstlingswerk brachte sie ihr Opfer mit Strychnin um die Ecke. 13 Morde "verübt" die Königin des Krimis später mit Blausäure (Cyanwasserstoff), neun Mal befördert Arsen ihre Opfer ins Grab. Mophium kommt sieben Mal zu Einsatz. Wasserschierling bemüht sie nur einmal. "Ich kenne mich nicht aus mit Pistolen und Revolvern, deshalb werden meine Figuren mit einem stumpfen Gegenstand oder, besser noch, mit Gift umgebracht", schrieb Christie selbst über ihre Mordmethoden. "Außerdem ist Gift raffiniert und sauber und wirklich aufregend… Ich glaube nicht, dass ich einer grässlich entstellten Leiche ins Antlitz schauen könnte."

Wie Agatha Christie einem Kind das Leben rettete

Dass die Lektüre von Agatha Christie auch in Wirklichkeit über Leben und Tod entscheiden kann, zeigt ein Vorfall aus dem Jahr 1977 aus England. Damals war ein 19 Monate altes Kind in eine Londoner Klinik eingeliefert worden. Der Krankheitsverlauf war mysteriös. Die Ärzte waren ratlos, denn die Symptome waren uneindeutig. Brechreiz, Durchfall und Schlafstörungen machten eine eindeutige Diagnose unmöglich - wäre da nicht eine krimiversessene Krankenschwester gewesen. Sie erkannte die Symptome, die auch Christie in einem ihrer Romane sehr genau beschrieb: Vergiftung durch Thallium. Die Diagnose war richtig, das Kind wurde gerettet.

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