Paris Hilton in Versailles (original) (raw)

"Marie Antoinette" Paris Hilton in Versailles

Meterhohe Turmfrisuren und Orgien der Verschwendung zu treibender New-Wave-Music: In ihrem Film "Marie Antoinette" beleuchtet die Regisseurin Sofia Coppola das Leben der französischen Königin - und bleibt an der zuckrigen Kruste des eigentlichen Dramas kleben.

Was hätte aus diesen Zutaten für ein großartiger Film entstehen können: Die seit ihren Filmen "Virgin Suicides" und "Lost in Translation" allseits geschätzte Regisseurin Sofia Coppola engagiert die bezaubernde Kirsten Dunst und eine Reihe weiterer hochrangiger Schauspieler und macht sich auf den Weg nach Frankreich, um das Leben der Königin Marie Antoinette zu verfilmen. Mit im Gepäck: ein üppiges Budget von 40 Millionen Dollar und eine Truhe voller bunter New-Wave-Musik für den nötigen Zuckerguss.

Aus all dem hätte ein wirklich spannender Film entstehen können: ein opulentes, optisch bestechendes Popmärchen, das aus dem 21. Jahrhundert einen ganz neuen Blick auf die Rokoko-Königin wirft. Ihr bislang unbekannte Seiten abgewinnt, sie in ihrer Modernität darstellt. Für ein solches Vorgehen hätte man es nicht mit allen geschichtlichen Tatsachen ganz ernst halten müssen, wenn denn nur die große Linie, der Entwurf erkennbar gewesen wäre; einem gewagten filmischen Unternehmen verzeiht man vieles. Doch leider fehlte Coppola hier der Mut für den großen Wurf.

Warten auf den Thronfolger

Der Film spult seine Handlung streng chronologisch ab: Er setzt ein im Jahr 1768, als die gerade erst 14-jährige Marie Antoinette, Tochter der österreichischen Kaiserin Maria Theresia (Marianne Faithfull), aus Gründen der Staatsraison mit dem französischen Thronfolger verheiratet wird. So macht sie sich - beinahe noch ein Kind - allein auf den Weg in eine fremde Welt. Das strenge Regelwerk am Hof von Versailles macht ihr die Eingewöhnung denkbar schwer. Niemals ist sie allein und hat Zeit für sich, ständig schleicht eine Armada von Hofdiener um sie herum. Ihr Ehemann Ludwig XVI. (Jason Schwartzman) zeigt kein Interesse - nicht einmal seinen ehelichen Pflichten kommt er nach. So verwundert es kaum, dass der ersehnte Thronfolger auf sich warten lässt. Der Druck auf die junge, in Liebesdingen noch unerfahrene Königin steigt ins Unermessliche.

Marie Antoinette ist eine Gefangene, fremder Interessen - und kompensiert ihren Frust für einige Jahre auf Mädchen-typische Art mit übersteigertem Konsum. Als Rokoko-Konsumgöre deckt sie sich mit Seidenkleidern ein, ihre Perücken türmen sich immer höher, und mit ihren Freundinnen lebt sie in Saus und Braus: Nach der Party ist vor der Party, und an Champagner und Baiser-Törtchen herrscht kein Mangel - eine Paris Hilton des 18. Jahrhunderts.

Kuchen statt Brot

Doch ihre Eskapaden sprechen sich herum. Diese Phase ist es, die ihr den verheerenden Ruf einbringt, rund um die Uhr dem Müßiggang zu frönen und an Verschwendungssucht zu leiden. Bei der französischen Bevölkerung ist sie - ohnehin mit dem Makel der Ausländerin versehen - bald verhasst. Fortan fungiert sie als Personifikation des dekadenten Königtums, das in Versailles prasst, während das Volk hungert. Und es werden Geschichten erfunden: Ihr wird der fatale Satz in den Mund gelegt: "Die Leute haben kein Brot? Sollen sie doch Kuchen essen."

Als endlich das ersehnte Kind geboren wird, ändert sie ihr Leben, wohnt ganz naturverbunden in einem kleinen Häuschen im Park des Schlosses. Doch da ist es schon zu spät: Ihr Ruf ist gänzlich ruiniert. In den letzten Tagen des Ancien Régime hat sich das Volk auf sie eingeschossen. Als 1789 die Revolution beginnt, ist es vorbei mit dem prunkvollen Leben. Das Königspaar wird unter dem Druck des Volkes gezwungen, nach Paris ins Stadtschloss Palais de Tuileries umzusiedeln.

Historische Akkuratesse

An dieser Stelle endet der Film und erspart dem Zuschauer den letzten Akt dieses Dramas: die Verhaftung, und schließlich 1793 den Tod durch Enthauptung an der Guillotine. Basierend auf der Biografie der Historikerin Antonia Fraser hält sich Sofia Coppola an die geschichtlichen Fakten. Bis in die Details geht es ihr dabei um historische Akkuratesse. So hat die Regisseurin für die Hochzeits-Szene ein komplettes Festbankett aus dem 18. Jahrhundert rekonstruiert - inklusive eines auf alten Instrumenten spielenden Orchesters.

Derartige Detailverliebtheit beißt sich immer wieder mit Szenen, in denen die junge Königin zu den Klängen der New Yorker Rockband The Strokes durch die Gänge von Versailles streift. Wenn Marie Antoinette mit ihren Freundinnen wilde Partys feiert, werden die Farben plötzlich grellbunt. Der 80er-Jahre-Song "I want candy" untermalt immer schneller werdende Schnitte. Das erzeugt eine ästhetische Anmutung, als befände man sich gerade inmitten eines Videoclips - so sexy sind die Bilder, aber auch so oberflächlich.

Es setzt sich der Eindruck fest, Coppola habe sich nicht entscheiden können. Die Handlung ihres historisch exakten Kostümfilms lässt sich auf der Bilderebene nicht in Einklang bringen mit dem schrillen Popfilm, der auf den Nerv gerade des jüngeren Publikums zielt. So scheitert die Regisseurin schließlich mit dem Versuch einer Vermählung von Rokoko-Königin und moderner Pop-Ikone in gleichem Maße, wie Marie Antoinettes Ehe mit Ludwig XVI. - und der Zuschauer gleitet ähnlich verloren durch den Film, wie die Königin durch die pompösen Hallen von Versailles.