"Musik ist mein Ecstasy" (original) (raw)

Sie ist 19 Jahre alt, ihr drittes Album hat sie im Alleingang fertig gestellt. Im _stern.de_-Interview erzählt die eigenwillige englische Sängerin Joss Stone, wie sie ohne Manager klar kommt, wie sie auf Barbados ihr Album geschrieben hat und wem ihr Herz gehört.

Frau Stone, im vergangenen Jahr haben Sie ein halbes Jahr auf Barbados verbracht, um ihr neues Album zu schreiben.

Es war eine wunderbare Zeit. Ich habe geschrieben, geschrieben, geschrieben. 60, 70 Lieder, bis ich nicht mehr konnte. Ich hatte einen Bungalow mit riesigen Fenstern, durch die ich direkt aufs Meer gucken konnte. Jeden Abend gab es diese unglaublichen Sonnenuntergänge, und ich dachte, Gott schafft täglich ein neues Kunstwerk. Manchmal habe ich draußen geschrieben, manchmal in meinem Schlafzimmer. Das Tolle am Schreiben ist, dass man es überall machen kann, auch im Flugzeug. Alles, was ich brauche, ist ein Diktiergerät. Zur Entspannung habe ich ein bisschen im Garten gearbeitet, Blumen angepflanzt. Einen Sarong und eine Kollektion aus Bikinis in allen Formen und Farben, mehr habe ich dort nicht gebraucht.

Haben Sie sich niemals einsam gefühlt?

Hin und wieder habe ich ein paar Leute am Strand getroffen. Aber ich habe so viel gearbeitet, dass ich mit niemandem sprechen konnte, sondern mich total isoliert habe. Es war verrückt, aber ich musste das tun. Ich wollte niemanden, der sich in meine Ideen einmischt. Ich habe vielleicht dreimal mit meiner Mutter telefoniert. Darum heißt das Album auch "Introducing Joss Stone": Alles kommt von mir. Ich habe einen wunderbaren Produzenten gefunden, Raphael Saadiq, er war begeistert. Ich bin stolz auf dieses Album.

Demnächst werden Sie 20, ein Alter, in dem andere sich gerade mal entscheiden, was sie in ihrem Leben machen wollen. Und Sie erschaffen ein Album im Alleingang.

Verrückt, oder? Ich bin ein bisschen anders als andere. Aber das Leben kann jederzeit vorbei sein, deswegen will ich das Beste daraus machen und meine Zeit nicht verschwenden. Man darf nicht denken: Ach, morgen ist ja auch noch ein Tag. Das machen die meisten jungen Leute, sie fühlen sich unsterblich, nur weil sie jung sind und sitzen auf ihrem Arsch.

"Introducing Joss Stone"

Es sei ihr erstes Album, bei dem sie alles allein gemacht habe, deswegen eben auch "Introducing Joss Stone", sagt die 19-jährige Sängerin über ihr drittes Werk. Die Vorgänger-Alben habe sie nie richtig gemocht. Schade eigentlich. Wir schon. Die neuen Lieder sind nicht mehr ganz so soulig, sondern gehen mit ihren starken Bass-Linien eher in Richtung HipHop. Die Single "Tell me Bout it" hat ordentlich wumps, auch der Rest kommt frisch und frech rüber. Die eigenwillige Joss hat sich prominente Verstärkung gesichert. Bei "Music" singt Lauryn Hill, die von Stone so lange mit Anrufen genervt wurde, bis sie endlich zusagte. Sie hat eben Biss, die Stone.

Es scheint, dass Sie sich bei diesem Album von allen frei gestrampelt haben. Sie haben nicht mal mehr einen Manager.

Das ist eine verrückte Geschichte. Von einem Tag auf den anderen sind meine beiden Manager verschwunden. Haben sich nicht mehr bei mir gemeldet. Ich habe ständig versucht, sie anzurufen, habe Mails geschrieben - keine Antwort. Ich weiß bis heute nicht, warum. Es war vor Weihnachten, das Album musste fertig werden. Also habe ich alles selbst in die Hand genommen, habe Rechnungen bezahlt, Flüge nach L.A. und New York gebucht, die Leute engagiert. Den Graffiti-Künstler zum Beispiel, Meras, der meinen Körper für das Cover bemalt hat. Eigentlich braucht man keine Manager, sie nerven nur. Ehrlich. Sie machen nichts außer Telefonanrufe entgegenzunehmen und sie weiterzuleiten. Und dafür bekommen sie 15 bis 20 Prozent meiner Einnahmen. Jetzt habe ich eine Assistentin, mehr brauche ich auch nicht.

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Haben Sie keine Angst, in dem doch sehr harten Musikbusiness unterzugehen? So wie Robbie Williams?

Ich habe einen starken Glauben. Vorfälle wie die mit meinen Managern machen mich stark. Und Robbie ist auch stark. Er ist ein Freund von mir und einer der tollsten Menschen, die ich kenne. Er hat ein so großes Herz. Aber versetzten Sie sich mal in seine Lage: Alles, was er tut, wird auf der ganzen Welt beobachtet, Menschen, die ihn überhaupt nicht kennen, urteilen über ihn. Das hat er nicht verdient. Er sitzt allein in L.A. und lässt sich Freunde aus England einfliegen, um Gesellschaft zu haben. Wenn er sich schlecht fühlt und ein paar Pillen nimmt – soll er doch. Das ist seine Sache. Wenn es mir schlecht geht, rauche ich einen Joint. Ich nehme kein Kokain, ich trinke ein Bier. Aber nur manchmal, ist nicht gut für die Stimme. Und - bin ich deswegen ein schlechter Mensch?

Ihnen wird in den britischen Medien vorgeworfen, Sie würden Ihren britischen Akzent verleugnen…

Falls das so wäre, tut es mir leid. Aber was soll ich machen, seit ich 14 bin, lebe ich in den Staaten, mein Akzent ist ziemlich durcheinander. Ich liebe die Briten. Das ist ungefähr so, als würde man mir vorwerfen, dass ich groß bin. Wenn ich damit die Gefühle von irgendjemandem verletzt habe, ist er krank und soll zum Doktor gehen.

Sie haben kürzlich Ihre Haarfarbe verändert. Ist das euch Teil Ihre Reifeprozesses?

Ich hatte einfach Lust dazu, wollte mal etwas anderes ausprobieren. Kürzlich war ich bei einem Shooting für das Cover eines Magazins. Der Stylist wollte, dass meine Haare glatt sind. Dazu hatte ich aber keine Lust, ich wollte sie lockig und wild haben. Ich habe ihm gesagt, ich bin kein Model, sondern Sängerin, und meine Haare sind Ausdruck meiner Persönlichkeit. Da bin ich vielleicht ein bisschen stur, aber ich lass mir nicht reinreden. Bei einem anderen Shooting für ein kanadisches Magazin hatte ich meine Haare gerade pink. Na und, hat das irgendwas mit meiner Musik zu tun? Und wissen Sie, was die gemacht haben?

Nein.

Sie haben die Farbe meiner Haare nachträglich mit Fotoshop geändert. Brünett. Und wissen Sie, wer die Erlaubnis gegeben hat?

Ihre Manager?

Genau. Verrückt oder? Ohne meine Einwilligung.

Frau Stone, was macht Sie glücklich?

Musik. Das ist mein Ecstasy. Es macht mich enthusiastisch und ist wie eine Droge, von der ich nicht runterkomme.

Ist es mehr das Schreiben der Musik oder sind es die Live-Auftritte?

Alles, schreiben, auftreten, Musik zu fühlen, zu hören, zu machen. Wenn jemand wissen will, wer mein Liebhaber ist: Musik. Die Möglichkeit, sich und seine Persönlichkeit darin auszudrücken. Eigentlich sollte sie frei und für jeden kostenlos zugänglich sein. Wenn ich nicht einen Vertrag mit meiner Plattenfirma hätte, würde ich meine Musik umsonst verbreiten. Irgendwann, wenn ich über ausreichend finanzielle Mittel verfüge, werde ich das auch tun. Ich brauche nur genug Geld, um mir Essen zu kaufen. Ich bin kein Mädchen, das große Ansprüche hat.

Interview: Kathrin Buchner

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