Die Blinklederjacke unter Blindgängern (original) (raw)
TV-Kritik "Promi Big Brother" Die Blinklederjacke unter Blindgängern
David Hasselhoff ist der einzige Star unter lauter D-Promis. Sein Einzug ins "Big-Brother"-Haus steckt voller Verheißungen: 350 Kacktüten für den Köter und Schnaps für die Alkis auf Entzug.
David Hasselhoff kam spät, aber immerhin, er kam. Und schüttelte freundlich die Hände der Menschen, die man ihm als deutsche Promis verkauft hatte. Nur wenige Minuten brauchte der ehemalige "Knight Rider" und "Baywatch-Star", bis er den Quatsch durchschaut hatte: "Celebrity Rehab!" sprach er, was frei übersetzt sagen will: Wo bin ich denn hier gelandet? In einer Entzugsklinik für Prominente. Hasselhoff mag ein abgehalfteter Schauspieler und Sänger sein, noch dazu mit veritablem Größenwahn- und Alkoholproblemen, ein Idiot ist er deshalb nicht.
Er weiß genau: Er ist der einzige echte Prominente bei "Promi Big Brother". Mit seiner reinen Anwesenheit rettet "The Hoff" Sat1 den Allerwertesten. Es ist ja eben nicht "die Show auf die alle gewartet haben", wie es die nervtötende "Big Brother"-Stimme behauptet. Sondern vielmehr der verzweifelte Versuch, das Erfolgsrezept des "Dschungelcamps" von RTL zu kopieren. Dazu hat man sogar die herzensgute Cindy aus Marzahn genötigt, mit dem furchtbar unlustigen Sprücheklopfer Oliver Pocher zu moderieren.
Vier Hoden, die keiner sehen will
Hasselhoff trägt beim Einzug seine blinkende Lederjacke, das Original aus dem Jahr 1989. Damals war er durchs beherzte Trällern von "I‘ve Been Looking For Freedom" mitverantwortlich dafür, dass die Mauer fiel. Glaubt Hasselhoff. Entsprechend euphorisch wird er im Haus begrüßt. Von zwei leicht bekleidete Girls, die Schampus süppeln. Die haben bei irgendeiner Casting/Datingshow nicht gewonnen. Dazu zwei vierschrötige Muckybudentypen. Plus: Ein Castingshowüberbleibsel mit Korkenzieherlocken und eines mit Glatze. Sowie eine dünne Blonde und ein Kleiner mit lustig abstehenden Haaren. Letztere trinken wie The Hoff auch keinen Alkohol. Gut möglich, dass sein Manager die Namen Jenny Elvers und Martin Semmelrogge vorher mal aufgeschrieben hat. Nur: Wer ist diese aufdringliche Frau mit dem moppeligen Hund?
"Ich kann ohne Männer leben, aber nicht ohne Hund", hatte Marijke Amado zuvor gesagt. Und dass sie 350 Kacktüten für ihren Havaneser eingepackt hat, auf den sie als Pionierin im Haus unentwegt einplappert. Unappetitlich gerät auch die Vorstellung von 80er-Jahre-Ex-Popstar Fancy. "Der wiedergeborene Elvis" (Amado) redet wirres Zeug von vier Hoden, will aber später bloß Spaß gemacht haben.
Noch jemanden vergessen aus der ach so illustren Runde? Ach ja: Youngster Simon Desue. Semmelrogge guckt ihn an wie ein Auto. Fast-Millionärs-Gespielin Natalia erklärt: "Er ist sehr bekannt bei YouTube". Semmelrogge nickt und fragt die Blondine: "Und wie heißt du noch mal?"
"Warum bin ich in diesem Schweinestall?"
Wenn es nicht so traurig wäre, man könnte jetzt lachen. Auch über die Einrichtung, die den Eindruck macht, als hätte Tine Wittler eine schlimme Ludwig-XIV-Phase durchlebt: Opulent geschwungene Stühle in Pappmachegold, ein plätschernder Springbrunnen im Schlafzimmer, monströse Massageseesel und natürlich ein Swimmingpool. So spießig stellt man sich bei Sat1 Luxus also vor. Der Kühlschrank ist bestückt mit reichlich Alkohol. Das freut besonders die trockenen Trinker. Nicht zu vergessen: das Stück Berliner Mauer, das da extra für den David rumsteht.
Wie schon in früheren "Big-Brother"-Ausgaben, gibt es auch diesmal eine Art Verbannung. In diesem Fall eine ungemütliche Bretterbude im Garten. In diese wird die "Mini-Playback-Show"-Moderatorin Amado nebst Hund geschickt. "Warum bin ich in diesem Schweinestall gelandet?" fragt sie, nachdem sie über drei Stunden in der Kälte ausharren musste. Eine gute Frage. Womöglich Geldgier?
Der Aufbau in spartanische und luxuriöse Bereiche ist aber ein alter Hut. Ebenso die Spiele. Nach dem ersten weiß man: Das werden 14 sehr lange Tage bis zum Ende. Die "bestialische Brandmauer" könnte jede rüstige Rentnerin problemos durchlaufen. Die Kandidaten werden in feuerfeste Kleidung verpackt und müssen in einer Lagerhalle über Hindernisse laufen, an denen ein bißchen was brennt. Dagegen war selbst die ödeste Dschungelprüfung noch ein Thriller. Aber auch da waren ja das Ekligste nicht Ungeziefer und Schleim, sondern die fiesen Lästereien und Abgründe der Mitbewohner. Das Allzumenschliche.
Jenny Elvers wirkt zerbrechlich
Naturgemäß sitzen die Masken bei den Beteiligsten anfangs aber noch gut. Natürlich sind auch hier wieder alle total ehrlich, sagen stets ihre Meinung und scheren sich nicht darum, was andere von ihnen denken. Wie illusorisch das ist, sieht man an der Reaktion von Jenny Elvers, nachdem ihr gesagt wurde, Marijke Amado habe entschieden, sie müsse sich ein Bett mit sexy Sarah Joelle teilen. Pures Entsetzen. Blicke, die töten würden. Und: Totale Ehrlichkeit? Nee, nee, alles okay.
Um Elvers muss man sich sowieso am meisten sorgen. "Grundsätzlich muss ich niemandem etwas beweisen", hatte sie beim Einzug gesagt, um dann genau das zu versuchen. Sie sei eine Kämpferin, habe ihr Therapeut gesagt. Im Haus packt sie stundenlang Sachen aus, raucht eine nach der anderen und wirkt zerbrechlich.
Am einfachsten wird es hingegen Ex-No Angels-Lucy haben. Die einzíge Frau, die in Hosen den Weg antrat, umarmte alle und jeden, verteilte Komplimente und sagte den intelligentesten Satz des Abends: "Nehmt das alles bitte nicht so ernst."