Volle Kaufkraft voraus (original) (raw)
Cruise Collections Volle Kaufkraft voraus
Von Jina Khayyer, Dirk van Versendaal
Die aktuell schärfste Waffe der Modefirmen sind Cruise Collections - Sommerkleider für den Winter, wie sie auch Diane von Fürstenberg schneidert.
Sommernacht im größten Privatgarten von Florenz, dem Giardino Torrigiani. Unzählige Windlichter flackern im Abendhauch. Ein Shuttle- Service von Cinquecentos mit Knutschmundaufdruck fährt die Gäste vor. Lapo Elkann ist gekommen, der Enkel des Fiat- Patriarchen Gianni Agnelli, im knalllilafarbenen Anzug mit passendem Hut. Die Florentiner Modedynastien Pucci, Cavalli und Ferragamo haben Abgesandte geschickt. Livrierte Kellner servieren Champagner und Erdbeer-Daiquiris. Aus Paris reiste der Schuhdesigner Christian Louboutin an (der mit den roten Sohlen), und auch die britische Künstlerin Tracy Emin, die amerikanische Schauspielerin Eva Longoria ("Desperate Housewives") und das russische Supermodel Natalia Vodianova sind der Einladung der Gastgeberin gefolgt: Diane von Fürstenberg wird an diesem Abend ihre neue Cruise Collection vorstellen.
Ihre was? Bei den Cruise Collections, den Kreuzfahrt-Kollektionen, handelt es sich um die derzeit schärfste Waffe im Arsenal der Modefirmen. In den 1920er Jahren war das Genre der Kreuzfahrtmode den Happy Few vorbehalten, die winters auf Ozeandampfern die Zeit totschlugen - ein Nischenprodukt für den amerikanischen Markt. Mittlerweile aber winken sie fast alle von ihren Kreuzfahrtschiffen herab - Louis Vuitton, Céline, Dior, Dolce & Gabbana, Prada, Armani - und machen den Winter mit Shorts, Bikinis und Seidenkleidchen warm. Im Hause Chanel führt man die "Croisière" bereits seit 1991 im Programm, doch erst jetzt fährt sie unter Volldampf.
Nun bittet auch Diane von Fürstenberg zur Reise. Die Erfinderin des Wickelkleids und Mode-Jetsetterin hat eine Kollektion mit dem Namen "La Petite Valise" geschaffen - das kleine Gepäck. "Wenn du dein Gepäck unter Kontrolle hast, dann hast du auch dein Leben unter Kontrolle", sagt sie an diesem Sommerabend, gekleidet in ein knielanges Stück Stoff mit schwarz-weißem Dreiecksmuster.
Vor ein paar Jahren noch war alles einfach: Die Modehäuser lieferten zwei Kollektionen im Jahr, eine zum Frühjahr, eine zum Herbst. Doch im Kampf um die Anteile im Luxusmarkt reicht das nicht mehr. Kaufanreize müssen her, um die neureiche Kundschaft in Asien und Russland bei Laune zu halten. Alle gieren nach frischem Stoff. Die großen Häuser verkürzen die Lieferabstände auf wenige Wochen, und ihre Designer sind vor neue Aufgaben gestellt: "Der Schwung, den die Modenschauen ins Geschäft bringen, ebbt nach drei Monaten ab", erklärt die Gucci-Kreativchefin Frida Giannini. "Danach brauchen wir kreative Injektionen, neue Produkte." Karl Lagerfeld kommt zum gleichen Schluss: "Frauen wollen ständig etwas Frisches haben. Sie verlangen nicht nach weniger, sondern nach mehr Chanel."
Ein Branchenkenner aus Deutschland bestätigt die wichtige Rolle der Cruise Collections: "Viele Modefirmen erwirtschaften mit ihnen bis zu 40 Prozent des Jahresumsatzes." Genaue Zahlen werden von den Unternehmen unter Verschluss gehalten, sie könnten ja die aufwendig vorgestellten Hauptkollektionen als eitlen Mummenschanz entlarven. Nur die italienische Designerin Alberta Ferretti sagt offen, dass sie 60 Prozent ihres Umsatzes mittlerweile mit der leichten Kreuzfahrt- Mode verdiene: "Die Kleider kommen früher in die Geschäfte. Damit animieren wir die Kundinnen zum Kauf."
Anders als so manche Hauptlinie erscheinen Cruise Collections stets als tragbar und sind auch etwas günstiger: "Ich will, dass sich die Jugend meine Kleider leisten kann", sagt Diane von Fürstenberg. "Nur Superreiche und Alte zu bedienen ist furchtbar und langweilig." Fürstenberg-Kleider kosten ab 360 Euro.
Am Ende des Defilees, auf dem etwa ein blau-weißes Strickkostüm geboten wurde oder ein schwarzes Jersey-Kleid, das im Nacken gebunden wird, schreitet Natalia Vodianova in einem sagenhaften Wickelkleid über den Rollrasen. Es handelt sich um einen Entwurf von 1977. Viel hat sich nicht geändert an der Fürstenberg- Mode. Sie war schon immer für selbstbewusste Frauen gemacht, die das Gefühl eines Sommertages nicht nur auf Urlaubsdampfern ausleben, sondern auch ins Büro tragen.
"Ich bin die unbeschwerteste Kofferpackerin der Welt", sagt Fürstenberg und bittet ihre Gäste, ungefähr tausend an der Zahl, einen kleinen Hügel hinauf, hinter den Turm, auf einen kleinen Hain, wo sie von eingedeckten Tischen erwartet werden. Über ihnen steht der Vollmond. Es fühlt sich an wie ein Kapitänsdinner, auch wenn weit und breit kein Ozean zu sehen ist.