Die Zwillinge (original) (raw)

Crime Story Die Zwillinge

Die Zwillinge

© Wales News Service

June und Jennifer liebten einander. June und Jennifer hassten einander. Sie sahen nur einen Ausweg: eine musste sterben

Von Verena Lugert

Wie werde ich meinen Schatten los? Und wenn ich dann ohne Schatten bin: Werde ich sterben? Oder werde ich leben?“, fragt sich June Gibbons.

Waren sie getrennt voneinander, wollten sie nicht mehr leben. Und waren sie zusammen, sehnten sie sich nach dem Tod. Dem Tod ihres Zwillings. Zwei Schwestern, June und Jennifer Gibbons: Sie liebten und hassten sich mit einer hysterischen Intensität, wie Zwillingssterne kreisten sie umeinander, den schmalen Grat von Distanz und Nähe beständig verhandelnd. Um nicht zu verglühen in der Weite der All-Einsamkeit. Oder zu kollabieren in der Verschmelzung. June fährt fort mit ihrem Tagebucheintrag, sie ist damals 18, sie befindet sich kaum einen Meter entfernt von Jennifer, mit der sie eine Gefängniszelle teilt: „Ich bin von ihr unterjocht, von dieser Kreatur, die in unserer Zelle auf mich lauert und jede Stunde meines Lebens bei mir ist. Wir sind Todfeindinnen geworden. Doch wer wird gewinnen? Der Tod kommt näher.“ Und Jahre später schreibt sie, nun mit ihrer Schwester in der geschlossenen Hochsicherheitspsychiatrie, unter Mördern, Totschlägern und Serien-Vergewaltigern einsitzend: „Wo soll das alles enden? In Tod, in Trennung? Nur eine soll verlieren, nicht wir beide. Dies ist es. Unser Spiel.“

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