Droht uns ein früher Wintereinbruch durch "La Niña"? (stern+) (original) (raw)

Wetterphänomene Droht uns ein früher Wintereinbruch durch "La Niña"?

Wetter im Winter: Luftaufnahme von verschneitem Nadelwald, durch den sich eine Straße schlängelt

Kippt das Wetter und kommt nach der großen Hitze nun ein besonders kalter Winter? (Symbolbild)

© Jan Eifert / Imago Images

Nicht nur der Sommer geht zu Ende. Auch die Rekordhitze des Wetterphänomens "El Niño" wird abgelöst: durch die kühle "La Niña". Aber das bringt nicht zwingend Eis und Kälte zu uns.

Inhaltsverzeichnis

Erwartet uns wegen "La Niña" ein besonders kalter Winter?

So einfach ist es nicht: Zwar rechnet die UN-Weltwetterorganisation WMO (World Meteorological Organization) für die kommenden Monate mit einer globalen Abkühlung durch das Wetterphänomen "La Niña" (spanisch: "das Mädchen"). Doch bisher fallen die Temperaturen vor allem am anderen Ende der Welt, nämlich am östlichen Rand des pazifischen Ozeans vor Südamerika. Gerade erst hat die WMO in ihrer Prognose bis November erklärt, dass sich der östliche Pazifik an seiner Oberfläche über den Sommer leicht abgekühlt hat und sein Wettersystem im Herbst in das Phänomen "La Niña" kippen könnte. In "La Niña-Jahren" kühlt sich auch das globale Wetter tendenziell ab.

Die WMO betont jedoch: Alle anderen Meere sind momentan an ihrer Oberfläche wärmer als normal, weshalb auch auf den Kontinenten keine besonders tiefen Temperaturen erwartet werden – außer zum Beispiel am östlichen Pazifik oder an der Südwestküste Nordamerikas. Unklar ist auch, wie viel wir in Deutschland von der Abkühlung mitbekommen: Zum einen steht Europa bei weitem nicht so stark unter dem Einfluss von "La Niña" wie andere Landmassen, zum anderen scheint die Erderwärmung das kühle "Mädchen" schon seit Jahren zu schwächen.

"El Niño" und "La Niña": Was ist das überhaupt?

Die beiden Wetterphänomene "El Niño" (spanisch: "der Junge"/"das Christkind", weil das Phänomen um Weihnachten auftritt) und seine Gegenspielerin "La Niña" schieben gewaltige Luft- und Wassermassen im tropischen Pazifik hin und her. Experten sprechen manchmal von einer "Luftdruckwippe" oder "Wetterschaukel". Sowohl "Christkind" als auch "Mädchen" verursachen Abweichungen vom Normalzustand des pazifischen Ozeans. Normalerweise wehen dort rund um den Äquator konstante Passatwinde aus Nordost bis Südost und schieben warmes Oberflächenwasser vor sich her nach Westen in Richtung Südostasien – grob gesagt von Peru nach Indonesien.

In Asien verdunstet viel von dem warmen Wasser und sorgt für reichlich Regen und feuchtwarmes Klima. Gleichzeitig "fehlt" Meerwasser vor der Küste Südamerikas, sodass dort kaltes, nährstoffreiches Wasser aus der Tiefe hoch strömt – ein Lebenselixier für Fischschwärme und die Sardinen-Fischerei von Peru. Da von dem kalten Wasser weniger verdunstet, bleibt das Klima an der Westküste Südamerikas gemäßigt und trocken.

Doch in "El Niño"-Jahren gerät das pazifische Strömungssystem durch Luftdruckschwankungen über Monate aus dem Rhythmus: Die Passatwinde aus östlicher Richtung schlafen ein. Das vor Asien "gestaute" Warmwasser strömt langsam zurück Richtung Peru und bringt Regen und Überschwemmungen nach Südamerika, während in Südostasien nun Trockenheit herrscht. Umgekehrt ist es während einer "La Niña"-Episode: Dann wehen sogar besonders kräftige Passatwinde von Ost nach West. Sie schaufeln vor Südamerika besonders viel kaltes Wasser an die Oberfläche und warmes Wasser Richtung Asien – was dort oft zu (noch) mehr Tropenstürmen, in Südamerika dagegen zu Kälte und Trockenheit führt. Insgesamt kühlt der Pazifik in einem "La Niña"-Jahr eher ab – und damit auch das globale Wettersystem.

23. Juli 2024,19:04

Klimawandel: Ein Sonnenuntergang

Wie weit reichen die globalen Wetter-Effekte von "El Niño" oder "La Niña"?

Die stärksten Auswirkungen haben "El Niño" und "La Niña" rund um den tropischen Pazifik. Doch beide gehören zu den größten und mächtigsten Wettermaschinen auf dem Globus. Ihre Effekte sind viele tausend Kilometer weit nachweisbar. Expertinnen und -Experten gehen davon aus, dass sogar die verheerenden Überschwemmungen 2023 am Horn von Afrika auf "El Niño" zurückzuführen waren. Durch "La Niña" wiederum verlagert sich der polare "Jetstream" nordwärts, ein Starkwind-Band in großer Höhe, das Kanada, die USA und Nordeuropa überströmt und in kalte und warme Wetterzonen zerteilt. In einem "La Niña"-Jahr wird zum Beispiel das Temperaturgefälle in Nordamerika steiler: In Kanada und im Norden der USA fallen die Temperaturen noch weiter, im Süden bleibt es dagegen wärmer. Auch die Hurricane-Saison über dem Atlantik ist in einem "La Niña"-Jahr oft besonders verheerend – inklusive einzelnen Wirbelstürmen, die über den Atlantik bis nach Europa gelangen.

Hat "La Niña" auch Vorteile?

Seit Spätsommer 2023 erlebte die Welt ein Rekordhitzejahr – durch das Zusammentreffen von Klimawandel mit einer besonders starken "El Niño"-Saison. Die Meerestemperaturen lagen auf nie gekanntem Niveau, der Amazonas wurde von der schwersten Dürre seit Jahrzehnten gebeutelt. Daher hoffen nun viele Wissenschaftler, Landwirte oder Umweltschützerinnen – global betrachtet – auf etwas Abkühlung und mehr Regen durch "La Niña". Wie sich das allerdings im Detail gestalten wird und welche Regionen am Ende profitieren, lässt sich nicht präzise vorhersagen. Erwartet wird zum Beispiel, dass es in Australien oder im südlichen Afrika mehr regnen könnte, allerdings dürften auch Extremwetterereignisse in vielen Regionen zunehmen. Schon oft waren "Christkind" und "Mädchen" nämlich für Überraschungen gut, auch für böse: Da warteten Landwirte etwa sehnlichst auf Regen – und mussten dann zusehen, wie ihre Felder überschwemmt und zerstört wurden.

Wenn das größte Feuchtgebiet der Erde in Flammen aufgeht

Ein Feuerwehrmann stakst durch das rauchende Unterholz mitten im Pantanal

Ein Feuerwehrmann stakst durch das rauchende Unterholz mitten im Pantanal. Die ersten Brände registrierten die Behörden noch in der Regenzeit Anfang des Jahres. Seit Juni brennt das Feuchtgebiet vielerorts lichterloh

© Lucio Tavora / Imago Images

Welche Folgen haben die Wetterphänomene für die Weltwirtschaft?

"El Niño" und "La Niña" haben schon oft zu dramatischen Ernteverlusten durch Überschwemmungen, Dürre oder Stürme geführt – brachten aber manchmal auch den ersehnten Regen. Zurzeit hoffen asiatische Produzenten von Reis, Weizen und Zuckerrohr, etwa in Indien, auf Rekordernten durch die aufziehende "La Niña". Australien erwartet gute Erträge bei Gerste und Raps – was weltweit zu einer Entspannung an den Rohstoffmärkten führen könnte.

Vor allem in Peru dürfte man sich gleich doppelt auf die kühle "La Niña" freuen: 2023 war dort nämlich die Mangoproduktion um 21 Prozent gegenüber Vorjahr eingebrochen. Mangobäume blühen nur, wenn es kühl und trocken ist, doch durch die feuchte Hitze von "El Niño" setzten sie in der vergangenen Saison kaum Blüten an. Auch in der Sardellen- und Anchovis-Fischerei vor Peru hofft man darauf, dass mit "La Niña" die Ostwinde an der Pazifikküste mehr nährstoffreiches Tiefenwasser hoch schaufeln: Die Nährstoffe lassen Plankton wachsen, sodass Fischschwärme reichlich Nahrung finden und die Fischer reichlich Sardellen und Anchovis. Durch "El Niño" war die Strömung fast zum Erliegen gekommen, Nährstoffe fehlten, Plankton und Fische starben. La Niña-Jahre sind daher auch gute Jahre für die Fischer in Südamerika. An deren Fischmehlfabriken hängen Geflügelhalter und Fischzüchter in Europa und China: Fischmehl aus Sardinen ist immer noch die Basis für viele Futtermittel in der Massentierhaltung.