Gewinner des Klimawandels – nördliche Wildnis verwandelt sich in Ackerland (original) (raw)
Welternährung Gewinner des Klimawandels – nördliche Wildnis verwandelt sich in Ackerland
Mit einem Anstieg der Temperaturen könnet man die bisherige Tundra in Ackerland überführen.
© Konstantin Kalishko / Picture Alliance
Wenn die Welt sich weiter aufheizt, werden die Zonen des Ackerbaus 600 Kilometer nach Norden ziehen, so eine neue Studie. Während im Süden die Felder verdorren, wird die Wildnis des Nordens bedroht. Größter Gewinner der Verschiebung ist Putins Russland.
Der Klimawandel wird meist mit Problemen für die Landwirtschaft in Zusammenhang gebracht. Es wird berichtet, welche Form von Anbau in Zukunft wegen fehlendem Wasser oder steigenden Temperaturen nicht mehr möglich sein wird. Weniger beachtet wird, dass es auch weite Gebiete gibt, die heute für die Landwirtschaft ungeeignet sind, mit zunehmender Temperatur des Planeten aber beackert werden können. Eine neue Studie, die in "Current Biology" veröffentlicht wurde, zeigt auf, was geschehen wird, wenn ein wachsender Bedarf nach Lebensmitteln auf eine allgemeine Verschiebung der landwirtschaftlichen Grenzen nach Norden trifft.
Klimawandel sorg für Verschiebung der Ackerfläche
Von der potenziellen Ackerfläche her gesehen, gibt es auch Klimagewinner – Russland gehört dazu. Um die weltweite Produktion zu sichern, müssen sich die Anbaugebiete von Getreide 600 Kilometer weit nach Norden verschieben. Nur so kann der Rückgang anderenorts ausgeglichen werden. "Ich würde sagen, das ist unvermeidlich", sagt Alexandra Gardner von der University of Exeter im Vereinigten Königreich. Dadurch sind die natürlichen Biotope in diesen Zonen allerdings gefährdet. Die Wildnis und die weitgehend intakten Ökosysteme wären akut bedroht. Der Prozess, den man heute im Amazonasbecken beobachtet, würde sich dann auf der Nordhalbkugel abspielen.
01. Juni 2019,17:02
"Nur wenige Gebiete unseres Planeten sind vom menschlichen Einfluss noch relativ unberührt", sagt Professor Ilya Maclean vom Environment and Sustainability Institute am Penryn Campus in Exeter in Cornwall. "Durch die Erwärmung unseres Planeten verringern wir die Produktivität bestehender Ackerflächen und eröffnen neue Gebiete für die Landwirtschaft, insbesondere im hohen Norden. Ohne Schutz könnten diese wertvollen Gebiete der Wildnis – mit ihrer großen Artenvielfalt und ihrem kulturellen Wert – unwiderruflich verloren gehen."
Verschwinden der nördlichen Wildnis
In einer Simulation haben die Forscher durchgespielt, wie verschiedene Klimaszenarien sich auf die Anbaugebiete von 1700 Nutzpflanzen auswirken. Bei einem gemäßigten Anstieg von Emissionen und Temperaturen würden sich 1,85 Millionen Quadratkilometer von Wildnis in geeignete Ackerfläche verwandeln. Und das schon bis zur Mitte des Jahrhunderts. Bei einem hohen Anstieg wären es sogar 2,75 Millionen Quadratkilometer. Das entspricht beinahe der achtfachen Fläche der Bundesrepublik oder 7 Prozent der gesamten Wildnis des Planeten – ohne die Antarktis.
Der Globale Süden verliert Ackerland
Der Großteil der "neuen" Nutzflächen findet sich in Russland, Kanada und Alaska. Insbesondere die Bedeutung von Russland für die Ernährung der Welt würde weiter steigen. Weltweit gesehen wird die Ackerfläche dann noch ungleicher verteilt sein als heute. In den stark bevölkerten Regionen des Südens nimmt die Anbaufläche ab. In kaum bewohnten Zonen wie Alaska und Sibirien nimmt sie zu. Zugleich verlieren diese Gebiete ihren Status als weitgehend vom Menschen unbehelligte Wildnis. Es ist unwahrscheinlich, dass diese Ausweitung der Ackerfläche im Norden aus ökologischen Gründen gestoppt wird. Denn in beiden Szenarien entstehen nicht nur neue Ackerflächen, von den derzeit genutzten Flächen sollen sich 6 Prozent nicht weiter zum Anbau eignen. Die Gewinner-Staaten würden Regionen, die heute kaum genutzt werden, in den Brotkorb der Welt verwandeln und so entsprechende Exporterlöse erzielen.