"Anti-Terroreinsatz": Aserbaidschan startet Angriff gegen Armenien in Bergkarabach (original) (raw)

Jahrelanger Konflikt "Anti-Terroreinsatz": Aserbaidschan startet Angriff gegen Armenien in Bergkarabach

Zwischen Armenien und Aserbaidschan flammen immer wieder Gefechte auf. Jetzt will sich Aserbaidschan die umkämpfte Region Bergkarabach vollständig zurückholen – mit einem "Anti-Terroreinsatz" gegen Armenien.

Der seit Jahren schwelende Konflikt zwischen Armenien und Aserbaidschan hat einen neuen Höhepunt erreicht. Aserbaidschan hat nach eigenen Angaben "Anti-Terroreinsätze" in der Region Bergkarabach gestartet. Sie richten sich gegen armenische Kräfte, teilte das Verteidigungsministerium in Baku mit. "Im Rahmen der Maßnahmen werden Stellungen an der Frontlinie und tiefgreifende, langfristige Feuerpunkte der Verbände der armenischen Streitkräfte sowie Kampfmittel und militärische Einrichtungen mit Präzisionswaffen außer Gefecht gesetzt", heißt es in der Mitteilung. Die Türkei und Russland seien über das Vorgehen informiert worden.

Die Lage vor Ort ist unübersichtlich. Aserbaidschan wirft Einheiten der armenischen Streitkräfte vor, das Feuer eröffnet zu haben. In der Erklärung rechtfertigte Aserbaidschan seinen Anti-Terroreinsatz als Vergeltungsmaßnahme.

Ziel des Einsatzes sei es, "die militärische Infrastruktur zu neutralisieren", sagte der außenpolitische Berater des aserbaidschnischen Präsidenten der Zeitung "Politico". Die armenische Bevölkerung vor Ort sei per SMS über die "Anti-Terrormaßnahmen" informiert worden.

Am frühen Nachmittag (Ortszeit) meldete die Plattform Open Causasus Media Luftschutzalarm in Stepanakert, der Hauptstadt von Bergkarabach. AFP-Reporter vor Ort berichteten zudem von Explosionen. Aserbaidschanischen Angaben zufolge wurden zuvor sechs Menschen bei einer Minenexplosion getötet, unter ihnen zwei Zivilisten und mehrere Polizisten.

19. September 2023,18:40

Ein zerstörtes Wohnhaus in Stepanakert 

Armenien und Aserbaidschan streiten um Bergkarabach

Anders als etwa der russische Angriffskrieg in der Ukraine, schwelt der Konflikt zwischen Aserbaidschan und Armenien schon seit einem Jahrhundert, flammte aber durch den Zerfall der ehemaligen Sowjetunion wieder auf. Die Region ist seit Jahrhunderten umkämpft, weil sie immer wieder unter armenischem, persischem, tatarisch-mongolischem, türkischem und russischem Einfluss stand.

Mit der Unabhängigkeit Armeniens und Aserbaidschans vom russischen Zarenreich 1918 erhoben beide Länder Anspruch auf die Region im Südkaukasus. Unterstützt von der Türkei, dem damaligen osmanischen Reich, erhielt Aserbaidschan schließlich das Verwaltungsrecht über die schon damals mehrheitlich armenisch besiedelte Region Bergkarabach. Ein Abkommen sollte zumindest weitreichende Autonomierechte garantieren. Diese wurden jedoch immer wieder verletzt, was die Fronten zwischen Armenien und Aserbaidschan zunehmend verhärtete.

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Unter sowjetischer Herrschaft wurden diese Spannungen zwar weitestgehend unterdrückt. Mit dem Zerfall der Sowjetunion eskalierte der Konflikt aber erneut. Der erste große Krieg zwischen den beiden Ländern fand in den 1990er-Jahren statt und forderte zwischen 1992 und 1994 Zehntausende Todesopfer auf beiden Seiten. Ein Waffenstillstandsabkommen konnte den Konflikt nicht lösen. Dass sich das mehrheitlich armenisch besiedelte Bergkarabach 1991 für unabhängig erklärte, wurde international nie anerkannt. Allerdings hat Armenien die Unabhängigkeit militärisch abgesichert, indem es sieben aserbaidschanische Provinzen besetzte – aus völkerrechtlicher Sicht ein illegaler Schritt.

Russland handelte neuen Waffenstillstand aus

Zum größten Gefecht der jüngeren Geschichte zählt die militärische Auseinandersetzung vom Herbst 2020. Bei den sechswöchigen Gefechten wurden etwa 6500 Menschen getötet. Weil Russland vermittelte, konnte der Krieg zunächst durch ein Waffenstillstandsabkommen beigelegt werden, zudem wurden 2000 russische Soldaten zur Friedenssicherung nach Bergkarabach entsandt. Für Armenien bedeutete das Abkommen zudem Gebietsverluste. Einen Kompromiss gibt es bis heute nicht, der Streit bleibt ungelöst. Politikwissenschaftler sprechen deshalb von einem "eingefrorenen Konflikt".

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Die christliche Tradition ist stark in Armenien.

Die christliche Tradition ist stark in Armenien.

© Emile Ghessen

Nach den Gefechten im August und September 2022 hat der armenische Staatschef Nikol Paschinjan bei einem Telefonat die USA, Russland und Frankreich zu einer "angemessenen Reaktion der internationalen Gemeinschaft" aufgefordert. Unter Federführung Russlands wurde erneut ein Waffenstillstand ausgehandelt. Man erwarte, dass sich beide Seiten an die Abmachung hielten, hieß es aus Moskau. Die Türkei mahnte Armenien indes, seine "Provokationen" gegen Aserbaidschan einzustellen und "sich auf Friedensverhandlungen und Zusammenarbeit" mit Baku zu konzentrieren.

Zahlreiche Menschen verloren in dem damalige Gefecht ihr Leben. Armeniens Regierungschef Nikol Paschinjan bezifferte die Zahl der getöteten armenischen Soldaten auf mindestens 49. Auch auf aserbaidschanischer Seite wurden Soldaten getötet.