Tod eines Unsterblichen (original) (raw)

Mai 1975: 20 Jahre war Fidel Castro damals der Maxímo Líder, weitere 30 sollten folgen

Mai 1975: 20 Jahre war Fidel Castro damals der Maxímo Líder, weitere 30 sollten folgen

© Elizabeth Frey/Hulton Archive

Der ewige Feind der USA hat so viele Attentate überlebt, dass er irgendwann nicht mehr an seinen Tod glaubte. Nun ist mit Fidel Castro einer der letzten Polit-Saurier des Kalten Krieges gestorben.

Wenn ich sterbe, wird es niemand glauben", hat Fidel Castro einmal gesagt. Vielleicht hatte der Máximo Líder irgendwann selbst angefangen, an die eigene Unsterblichkeit zu glauben. Mehr als 600 Anschläge auf sein Leben, so der kubanische Geheimdienst, seien vereitelt worden. Die CIA schleuste Agentinnen bis in sein Schlafzimmer, doch im entscheidenden Augenblick verwechselten sie die Pillen. Die vergifteten Zigarren erreichten Kubas Staatschef erst, als der gerade das Rauchen aufgegeben hatte. Der mit einer Pistole an der Kamera ausgestattete Kameramann getarnte Exil-Kubaner hatte auf einer Pressekonferenz in Fidel im Visier - doch als der ihn mit seinem breiten kubanischen Lächeln ansah, vermochte er nicht abzudrücken.

Lebensgefahr, glückliche Fügung und daraus erwachsendes strahlendes Selbstvertrauen begleiteten den Revolutionär und Diktator durch all seine kämpferischen Jahre. Nach dem fehlgeschlagenen Angriff auf die Moncada-Militärkaserne, wo Fidel und seine Kameraden 1953 die Revolution starten wollten, wurde der flüchtige Castro in den Bergen von einer Militärpatrouille gestellt. Doch der kommandierende Offizier verweigerte den Erschießungsbefehl. "Drückt nicht ab", sagte der schwarze Leutnant Pedro Manuel Sarría, "Ideen tötet man nicht."

Mitreißender Optimismus

Drei Jahre später kommt Castro mit 182 Guerilleros an Bord der Yacht "Granma" von Mexiko nach Kuba. Am Landungsort erwarten ihn schon die Truppen des damals herrschenden Diktators Fulgencio Batista. Nur 19 Mann überleben. Castro lässt sie antreten und erklärt: "Companeros, jetzt bin ich sicher, dass die Revolution siegen wird." Seine Mitstreiter erinnern sich noch lange danach, dass sie damals dachten, jetzt sei Fidel endgültig übergeschnappt. Doch sein Optimismus riss die anderen mit, und die siegreichen Gefechte gegen die gewaltige Übermacht des Batista-Militärs machte alle zu kleinen unbezwingbaren Fidels.

Castro war in den Kämpfen stets in der vordersten Reihe zu finden, doch meist nicht als normaler Kämpfer mit dem Gewehr in der Hand. Sein Bestreben sei immer gewesen, berichtete ein "Granma"-Überlebender und späterer General, den Gegner mit Argumenten zu überzeugen. "Mit Reden hat Fidel mehr Gefechte entschieden oder uns zumindest vor der Übermacht gerettet, als wir das mit Kugeln hätten tun können."

Castros Medientricks

Eine militärische Ausbildung hatte Castro nie erhalten und er kannte auch vor dem Sieg der Revolution nicht die Schriften von Guerilla-Strategen wie Mao Tse Tung. Seine Begabung war die schnelle Erfassung der Lage und die jeweils auf die speziellen Umstände bezogene Lösung des Problems. Fidel war ein genialer Improvisateur. Dies zeigte sich auch in der Schlüsselszene des Guerilla-Krieges. Die Medien des Batista-Regimes hatten Castro für tot und seine Truppe für aufgerieben erklärt, und die meisten im Land glaubten dies. Die Unterstützung für die Rebellen versiegte. Da gelang es den Revolutionären, einen Journalisten der "New York Times" in ihr Lager in den Bergen zu bringen. In wechselnden Uniformen traten die selben Guerilleros mehrfach vor dem Reporter und seinem Fotografen an, und die Zeitung machte ein paar Tage später mit einem Foto von Fidel mit Zielfernrohr und der Meldung auf, Castro lebe und die Guerilla erstarke. Der globale Mythos von Fidel und Kubas Guerilla war geboren.

An die Aktion der "New York Times" hat Gabriel Gil, späteres Mitglied der Führung der Kommunistischen Partei, noch die lebhafteste Erinnerung: "Fidel ließ uns antreten und gab uns folgende Instruktionen: 'Wenn der Journalist kommt, wird er als erstes fragen: Seid Ihr Kommunisten? Dann antwortet ihr: Was ist denn das, Kommunismus? Wir sind Kämpfer für die Freiheit Kubas.' So stand das später auch im Blatt. Und das Schönste an der Sache ist, ich hatte damals wirklich keine Ahnung vom Kommunismus."

Kubas Auto-Dinosaurier - der Jurassic Park der Automobilgeschichte

Piotr Degler hatte nicht damit gerechnet, so viele Wagen zu finden, die nicht dem klassischen US-Straßenkreuzer entsprechen.

Piotr Degler hatte nicht damit gerechnet, so viele Wagen zu finden, die nicht dem klassischen US-Straßenkreuzer entsprechen.

© Piotr Degler/Degler Studio

Die "Melonen"-Revolution

Im Prinzip galt dies auch für Castro. Fidel war, im Gegensatz zu seinem Bruder Raúl, nie Mitglied der Kommunistischen Partei oder einer ihrer Organisationen. Nicht aus Gründen der Tarnung, sondern aus politischer Überzeugung. Die KP, sagte er später, sei zu isoliert gewesen und hätte auch seine revolutionären Pläne nicht geduldet. Lachend fügte er hinzu, dass sein Bruder Raúl, der einzige Kommunist beim Angriff auf die Moncada-Kaserne, wegen dieser Aktion aus dem Kommunistischen Jugendverband ausgeschlossen wurde.

Dennoch hat Clara Maria del Valle, aus der einst kubanischen Rum-Dynastie Bacardi, Fidel einen Verräter an seiner eigenen Klasse genannt. Noch im Jahr vor der Revolution habe Bacardi seinen gesamten Jahresgewinn Fidel zur Verfügung gestellt, der als Sohn eines wohlhabenden Gutsbesitzers aus der Oberschicht kam. Doch dann habe sich das Ganze als "Melonen-Revolution" heraus gestellt: außen grün, aber innen rot.

Der mitschwingende Vorwurf einer bewussten Täuschung ist unbegründet. Kuba sollte zunächst nicht kommunistisch werden, das Land aber wurde es, auch weil es von den USA dazu gemacht wurde. Was immer die Revolutionäre unternahmen - die Vereinigsten Staaten reagierten mit Aggressionen - von der Wirtschaftsblockade bis zu militärischen Überfallen. Eine Entwicklung jedoch, die Fidels berühmter Mitkämpfer Che Guevara einkalkuliert hatte. In den Maßnahmen des Imperialismus und den Gegenmaßnahmen der Kubaner, schrieb er, konkretisierte sich die Revolution, bis sie schließlich einen sozialistischen Charakter annahm.

Gesucht: Alltags-Heroismus

Che Guevara versuchte vergeblich noch die eine oder andere Revolution, und seine Idee eines sozialistischen Kubas hat Fidels Bruder Raúl persönlich beerdigt. 2008 übernahm der die Führung des Landes und versuchte, zunächst zaghaft, dann immer entschlossener, das Kapitel Karibik-Kommunismus endgültig zu beenden. Ein Entschluss, der vor allem der immer desolateren wirtschaftlichen Lage Kubas geschuldet war. Schon Ende der sechziger Jahre hatte Fidel seinem Volk vorgehalten, es sei zwar fähig, an einem Tag sein Leben für die revolutionäre Sache hinzugeben, aber leider fehle ihm der Heroismus des Alltags.

Etwa zwei Jahre vor seinem Tod, Fidel war beinahe ein Jahr nicht mehr in der Öffentlichkeit gesehen worden, sah er, krank und schwach, wie sich sein Land und die verhassten Amerikaner wieder annährten. Es war Sieg und Niederlage zugleich. Im Dezember 2014 beschlossen Havanna und Washington, nach 50 Jahren des Schweigens, wieder diplomatische Beziehungen aufzunehmen. Was diese vorsichtige Öffnung für Kuba bedeutet, davor hatte der Maxímo Líder schon lange Angst: Dass sich die Amerikaner nämlich wieder Kuba bemächtigen könnten - wie schon so oft in der Geschichte. Obwohl er das Land heruntergewirtschaftet und in ein Gefängnis verwandelt hatte, wird dennoch für lange Zeit noch von seinem Volk bewundert werden. Als jemand, der den Kubanern ihren Stolz zurück gab.