Biden begnadigt Truthähne – aber wieso machen US-Präsidenten das eigentlich? (original) (raw)
US-Präsident Joe Biden hat den Truthähnen Liberty und Bell das Schicksal als Thanksgiving-Mahlzeit erspart. Die Tradition hat eine Vorgeschichte, die bis zu Abraham Lincoln zurückreicht.
Wenige Tage vor Thanksgiving hat US-Präsident Joe Biden bei einer offiziellen Zeremonie zwei Truthähne begnadigt. Die gut 19 Kilo schweren Tiere aus dem Bundesstaat Minnesota, die Biden am Montag auf der Südwiese des Weißen Hauses vor dem Tod bewahrte, heißen Liberty und Bell. Die Liberty Bell (deutsch: Freiheitsglocke) in Philadelphia ist ein Symbol der amerikanischen Unabhängigkeit.
Mit seinem Gnadenakt anlässlich des amerikanischen Erntedankfestes am kommenden Donnerstag folgte Biden einer Tradition, der mehr als 150 Jahre alte Wurzeln nachgesagt werden. An Thanksgiving wird in amerikanischen Familien traditionell Truthahn gegessen und seit dem 19. Jahrhundert wird dem Präsidenten vor dem Feiertag ein besonders prächtiges Exemplar überreicht. Der erste Bewohner des Weißen Hauses, der einen dieser Federvögel davor bewahrte, auf den Tellern der First Family zu landen, war dem Volksmund zufolge Abraham Lincoln, der von 1861 bis 1865 die Vereinigten Staaten regierte. Lincolns junger Sohn soll seinen Vater darum gebeten haben, den Truthahn zu verschonen.
23. November 2023,17:24
Seit 1947 ist die National Turkey Foundation offizieller Truthahn-Lieferant des Präsidenten. Die Präsentationszeremonie für die Öffentlichkeit gibt es seit Harry Truman, von 1945 bis 1953 der 33. Präsident der Vereinigten Staaten. Truman war der erste, der einen Puter von der Vertretung der Truthahnindustrie entgegennahm – allerdings hat er ihn nicht vor der Bratröhre gerettet.
Truthahn-Begnadigung zu Thanksgiving seit 1989 festes Ritual
Die erste dokumentierte Begnadigung eines Truthahns erfolgte 1963 durch John F. Kennedy. Dessen spätere Nachfolger Richard Nixon und Gerald Ford verspeisten die Tiere jedoch lieber wieder. Erst unter George Bush senior wurde die Truthahn-Amnestie im Jahr 1989 schließlich festes Ritual der US-Präsidenten.
Die Staatsmänner nutzen die Zeremonie gerne für lustige politische Sticheleien oder Selbstironie. So scherzte Biden, der am Montag auch noch seinen 81. Geburtstag feierte, mit Blick auf sein Alter, dies sei bereits das 76. Mal, dass Truthähne vom Präsidenten begnadigt würden. "Ich möchte, dass Sie wissen, dass ich beim ersten Mal nicht dabei war."
13. Dezember 2021,17:01
Bidens Vorgänger Donald Trump machte sich über das Amtsenthebungsverfahren gegen ihn im Jahr 2019 lustig, indem er sagte, die Truthähne "haben bereits Vorladungen erhalten, um im Keller von Adam Schiff zu erscheinen". Der Demokrat war damals Vorsitzender des Geheimdienstausschusses des Repräsentantenhauses und eine der treibenden Kräfte hinter den Impeachment-Bestrebungen.
Barack Obama witzelte 2014, die Begnadigung sei die "am meisten diskutierte Exekutivanordnung" des Monats, liege aber "vollständig im Rahmen meiner Vollmachten". Der Präsident spielte damit auf seinen Streit mit den Republikanern im US-Kongress an, die ihm vorhielten, mit einem Alleingang in der Einwanderungspolitik seine Amtsbefugnisse zu überschreiten.
25. November 2022,15:46
Liberty und Bell waren bereits am Wochenende in Washington eingetroffen und residierten dort, man glaubt es kaum, in einem Luxushotel, dem Willard InterContinental. Die noble Unterkunft liegt nur wenige Schritte vom Weißen Haus entfernt und dient seit mehr als einem Jahrzehnt als Herberge für die zu begnadigenden Puter. In dem Hotel hatten die Tiere am Sonntag auch an einer Pressekonferenz teilgenommen, auf der ihre Namen offiziell bekannt gegeben wurden.
"Sie checkten ein, gingen auf ihre Zimmer, sahen sich den Stadtplan an, nahmen ein Schaumbad, und ich habe gehört, dass sie auch etwas aus der Minibar getrunken haben", zitierte der US-Sender CNN den General Manager des Hotels, Markus Platzer.
Ihr Leben nach der Begnadigung dürfen Liberty und Bell nach Angaben von NTF-Chef Steve Lykken in ihrem Heimatstaat verbringen und sich an der Fakultät für Agrar- und Ernährungswissenschaften der Universität von Minnesota zur Ruhe setzen. "Ich weiß, dass sie von den Experten auf höchstem Niveau gepflegt werden und ihre Zeit genießen können", versicherte Lykken.