Danke dafür, ihr Bischöfe! (original) (raw)
- Politik
Bischofskonferenz: Schlag gegen Rechts
Katholische Kirche vs. AfD Danke dafür, ihr Bischöfe!
Bischöfe beim Eröffnungsgottesdienst der Frühjahrsvollversammlung der Deutschen Bischofskonferenz im Hohen Dom in Augsburg.
© Karl-Josef Hildenbrand/ / Picture Alliance
Die Deutsche Bischofskonferenz erklärt rechtsextreme Parteien wie die AfD für unwählbar. Der Hinweis kommt zur rechten Zeit, denn wir bewegen uns weltpolitisch in einer entscheidenen Phase.
In den vergangenen Jahren habe ich als Katholik in meiner Kirche so viele Momente der Selbstgewissheit und des Glücks erlebt wie Marienerscheinungen: null. Doch vergangene Woche gab es endlich einmal wieder einen Anlass, meine Überzeugung vom Sinn dieser Glaubensgemeinschaft zu festigen: Die deutschen Bischöfe haben sich offen und förmlich gegen das feindliche Menschheitsideal der AfD positioniert. Zitat: „Wir sagen es mit aller Klarheit: Völkischer Nationalismus ist mit dem christlichen Gottes- und Menschenbild unvereinbar.“
Danke dafür, Bischöfe!
Die Erklärung fiel überraschenderweise einstimmig aus, sodass sie niemand relativieren kann - im Sinne von: „Die einen Bischöfe sagen so, die anderen so.“ Die Botschaft der Geistlichen ist eindeutig: Wer Christsein und Glauben ernst nimmt, kann dem Menschenbild der Rechtsextremen unter keinen Umständen folgen oder sie gar wählen. Diese Mission formulierten die Bischöfe ausdrücklich mit dem Passus „mit großer Sorge“, was an die berühmte Enzyklika von Papst Pius XI. erinnert, der 1937 „mit brennender Sorge“ vor dem Nationalsozialismus warnte.
Man könnte einwenden: Wen interessiert heute noch, was Bischöfe sagen, wo doch Religion in der westeuropäischen Sphäre eine immer kleinere Rolle spielt? Ich halte dagegen: Es muss alle interessieren, die Freiheit und Demokratie lieben und sie nicht verlieren wollen. Der Politologe Andreas Püttmann etwa nennt die Erklärung daher „einen Coup, der die AfD kalt erwischt hat.“ Und sogar Thomas Schüller, höchst systemkritischer Professor für Kirchenrecht, lobt den „sehr mutigen Beschluss“.
Unsere Menschenbild resultiert aus der christlichen Lehre
Denn was leider in Vergessenheit zu geraten droht: Unser westliches, freiheitliches Selbstverständnis beruht in weiten Teilen auf dem Christentum und findet sich in säkularisierter Form im Humanismus wieder. Anders ausgedrückt: Die Christen haben die Menschenwürde und die Gleichheit, wie wir sie schätzen, quasi erfunden. Nach ihrer Auffassung sind alle Menschen Ebenbilder Gottes und damit gleichwertig - egal welcher Herkunft, ob gläubig oder ungläubig. "Katholisch“ heißt nichts anderes als „weltumspannend“. Und diese Vorstellung verpflichtet zu unbedingter Menschenliebe und Solidarität. Der christliche Universalismus kennt keine völkischen Grenzen. Er lieferte die große Hoffnung, endlich Frieden auf Erden zu schaffen.
Daran mit Wucht zu erinnern, kommt zur rechten Zeit. Denn dieses Selbstverständnis ist der einzige Garant unserer Freiheit. In weiten Teilen der Welt, wo die Aufklärung nie angekommen ist, sind solche Überzeugungen nach wie vor undenkbar. Schlimmer noch: Selbst in den demokratisch verfassten Ländern streben rechte Parteien an die Macht, die das Rad der Menschenwürde und Freiheit zurückdrehen wollen - und gerieren sich dabei noch als einzig wahre Christen. Man denke nur an Donald Trump in den USA, der sich im Wahlkampf nicht scheut, mit einem Messias-Video für sich zu werben: „Also gab Gott uns Trump!“
Auch in Deutschland positionieren sich immer mehr völkisch denkende Politiker als die einzig wahren Christen. Die AfD versucht es mit billiger Seelenfängerei auf Tiktok. Maximilian Krah etwa, aufgewachsen in Dresden, AfD-Spitzenkandidat für die Europawahl, stellt sich gern als frommer Katholik zur Schau, verachtet aber das beschriebene christliche Verständnis von Menschenrechten und Nächstenliebe vollumfänglich. Der Rechtsanwalt ist bekannt für seine Nähe zu den umstrittenen rechtsextremen „Piusbrüdern“; er stand ihnen anwaltlich bei, als deren Bischof Richard Williamson offen den Holocaust leugnete. Krah kanzelt das christlich-aufgeklärte Leben als verachtenswertes „Gegenwartschristentum“ und als zu bekämpfenden „Globalismus“ ab: "Wir lassen uns unseren Glauben nicht von einem fetten Bischof Marx wegnehmen."
Sein Parteifreund im Geiste, der rechtsextreme Thüringer AfD-Vorsitzende Björn Höcke, der nach eigenen Angaben ein bisschen katholisch und ein bisschen protestantisch erzogen wurde, kann mit christlicher Demut vor den Menschen und der Natur oder gar vor Gott überhaupt nichts anfangen. Im Gegenteil: In einem Youtube-Video visioniert der Polit-Heiland, dass sich „das Heilige des Christentums mit dem Heldentum aus dem Heidentum vereint.“ Das klingt vor allem nach einem bluttriefenden Mittelalter-Epos, wo Andersdenkende brutal aus dem Weg geräumt werden.
Die AfD wettert gegen die Warnung der "Kinderficker"
Zugegeben, auch viele Amtsträger der Katholischen Kirche haben sich in der Vergangenheit manchmal unchristlich verhalten; man denke nur an den Missbrauchsskandal. Da bietet die katholische Institution Kritikern eine offene Flanke, AfD-Politiker wettern schon, sie würden sich von „Kinderfickern“ (Bayerns Landeschef Stephan Protschka) gar nichts sagen lassen. Aber diese Skandale entstanden aus menschlichen Verfehlungen, nicht aus der christlichen Lehre. Die Demokratie ist schließlich auch nicht desavouiert, nur weil sie Männer wie Honecker hintergangen haben.
Ob die AfD wegen des Appells der Bischöfe gleich Prozente verliert, sei dahingestellt; im säkularen, AfD-lastigen Osten werden die Worte wohl am wenigsten Wähler abschrecken, dort gilt Kirche vielen ohnehin als Teil des verhassten Establishments. Aber es wäre schon ein Erfolg, wenn all die „lauen Christen“ im Westen ins Grübeln gerieten, die es sich gerade in der rechtspopulistischen Ecke gemütlich machen und aufgehört haben, für christliche Werte, für Würde und Freiheit, zu kämpfen.