Robert Dorsay: Der Mann, der wegen eines Witzes sterben musste (original) (raw)

NS-Schauspieler Robert Dorsay: Der Mann, der wegen eines Witzes sterben musste

Ein Mann mit Zylinder zwischen zwei jungen Frauen auf der Bühne

Robert Dorsay 1935 bei einem Auftritt mit den Schauspielerinnen Charlotte Daubert (l.) und Marianne Stanior

© Getty Images

Am 16. August 1904 wurde Robert Dorsay geboren. Der rundliche Mann mit dem verschmitzten Zwinkern stieg in den 1930ern zum beliebten Schauspieler und Kabarettisten auf – doch ein Witz wurde ihm zum Verhängnis.

Im Wikipedia-Artikel des Schauspielers Robert Dorsay steht ein Witz. Ungewöhnlich genug. Er lautet: "Bei Hitlers Einzug in eine Stadt hält ihm ein Mädchen ein Büschel Gras entgegen. Hitler fragt: 'Was soll ich damit?' Das Mädchen antwortet: 'Alle sagen, wenn der Führer ins Gras beißt, kommen bessere Zeiten.'" Dieser Witz ist der Grund, warum Dorsay mit nur 39 Jahren sterben musste. Er wurde 1943 im Gefängnis Berlin-Plötzensee geköpft.

Den Namen Robert Dorsay kennt kaum mehr jemand. Dabei war der rundliche Mann mit dem pfiffigen Gesicht fast so etwas wie ein Star des nationalsozialistischen Entertainments. Dorsay, 1904 unter dem Namen Robert Stampa in Bremen als Sohn eines Opernsängers geboren, war Kabarettist und Komiker, Schauspieler und Sänger. Er brachte es zu passabler Berühmtheit, spielte mit Zarah Leander oder Gustaf Gründgens. Er lächelte sich verschmitzt durch Wohlfühl-Filme wie "Meine Frau, die Perle" oder "Liebesbriefe aus dem Engadin". Doch er liebte politisches Kabarett, Swingmusik und hatte eine große Klappe. Attribute, die mit dem Nazi-Regime nicht unbedingt harmonierten.

Eine Schauspielkarriere in NS-Deutschland

Dennoch hatte Dorsay bis 1942 eine solide Karriere. Denn er tat, was viele taten. Er passte sich dem Regime an, soweit das für seinen Beruf nötig war. Von 1932 an war er sogar Mitglied der NSDAP. Freiwillig, noch bevor es Pflicht gewesen wäre. Für einen Moment schien er an das Projekt Nationalsozialismus also wirklich geglaubt zu haben. Ein Fehler, den viele von der Weimarer Politik frustrierte Deutsche damals machten. Bei Dorsay folgte jedoch schnell die Ernüchterung. Er hörte auf, die Parteibeiträge zu bezahlen und wurde deshalb 1933 wieder aus der Partei ausgeschlossen. Als man ihn gute zehn Jahre später drängen wollte, erneut einzutreten, sträubte er sich vehement und weigerte sich. In fragwürdigen Filmen wie "Robert und Bertram" (1939) spielte er jedoch trotzdem mit. Bis heute gilt der Streifen als sogenannter "Vorbehaltsfilm", der nicht frei erhältlich ist, weil Juden darin durchweg als "komische Untermenschen" gezeigt würden, getreu dem NS-Weltbild.

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Und auch sonst eignet sich die tragische Geschichte des lustigen Bremers wenig als Beispiel des edlen Widerstandskämpfers. Zu viele Fehler machte Dorsay, zu menschlich irrte und schlingerte er durch die Wirren des Dritten Reichs. Umso mehr eignet sich seine Geschichte als die eines Menschen, der trotz Anpassung, trotz Erfolgs, trotz einflussreicher Freunde an einem menschenverachtenden System zugrunde ging. Robert Dorsay war weder Jude noch Sinti oder Roma. Kein Ausländer und kein Kommunist. Nicht homosexuell, nicht behindert. Beliebter Volksschauspieler, der dem Krieg hätte entgehen können. Einer wie er hätte es unbeschadet durch die Hitler-Zeit schaffen können, wenn er den Mund gehalten hätte. Aber Robert Dorsays Kopf fiel unter dem Fallbeil der Nazis. Wenn es ihn getroffen hat, hätte es jeden von uns erst recht treffen können.

Ein Witz über Hitler wurde ihm zum Verhängnis

Den Witz, der ihm zum Verhängnis wurde, erzählte Dorsay im März 1943 bei einer Teerunde im Café des Deutschen Theaters in Berlin. Anwesend gewesen sein sollen unter anderem eine "Schweizerin", namentlich nicht bekannt, und der ebenfalls regimekritische Schauspielkollege Karl John, damals 38 Jahre alt. Ebenfalls dabei war, ohne dass jemand im Raum es wusste, ein Gestapo-Spitzel, der die bissige Unterhaltung der Runde mit anhörte.

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© Commons

Karl John hatte Glück, denn er war eng mit dem Regisseur Wolfgang Liebeneiner befreundet, für den er gerade vor der Kamera stand. Nach der Teerunde rief Propagandaminister Goebbels verärgert den Regisseur zu sich, um ihn über John auszufragen. Wolfgang Liebeneier wurde unter Strafe verboten, dem Schauspieler von der Befragung zu berichten. Weder er noch Dorsay sollten wissen, dass sie sich im Visier der Gestapo befanden. Doch Wolfgang Liebeneier verriet Karl John, in welcher Gefahr er sich befand. Der inszenierte daraufhin zusammen mit einem ihm bekannten Arzt einen schweren Unfall, ließ sich einen Schädelbasisbruch attestieren und in ein Sanatorium einweisen. So war er für die nächsten Wochen aus der Schusslinie und in Sicherheit.

Hinrichtung durch die Nazis

Dorsay jedoch tappte völlig im Dunkeln. Er ahnte nicht, dass die Nazis sofort begannen, seine privaten Briefe abzufangen und zu lesen. Und so nahm er kein Blatt vor den Mund, als er Ende März – nur gute drei Wochen nach der verhängnisvollen Teerunde – an seinen Freund Eddy Haase schrieb: "Wann ist endlich Schluss mit dieser Idiotie. Idiotie, anders kann man es schon gar nicht bezeichnen." Das reichte. Dorsay wurde verhaftet, da er "öffentlich den Willen des deutschen Volkes zur wehrhaften Selbstbehauptung zu zersetzen" versuche. Er blieb bis Oktober im Gefängnis. Dann köpften ihn die Nazis.

"Das am 8.10.43 ergangene Todesurteil ist nach Bestätigung am 29.10.43 vollstreckt worden. Todesanzeigen oder Nachrufe in Zeitungen, Zeitschriften und dergl. sind verboten", stand in schnöder Schreibmaschinenschrift in der knappen, furchtbar bürokratischen Nachricht, die Dorsays Frau Louise noch am selben Tag überreicht bekam.