Insolvente Ziegler-Gruppe: Was vom Holzimperium aus Plößberg übrig bleibt (original) (raw)
Monatelang ging es zu wie auf einem Basar. Und streng genommen war es auch ein Basar, wenn auch ein ganz spezieller. Denn es wurde nicht über die Preise für Gewürze, Obst oder Kleidung gefeilscht, sondern über ganze Firmen und zum Teil sogar deren Mobiliar. Und um viele 100 Arbeitsplätze. Es ging um die Ziegler-Group aus Plößberg in der nördlichen Oberpfalz, die bis zu ihrem Zusammenbruch Europas größtes Sägewerk betrieb und als Flaggschiff der bayerischen Holzwirtschaft galt.
Im November 2024 war das Unternehmen pleite. 600 Millionen Euro Schulden drückten, Firmenchef und Inhaber Stefan Ziegler meldete Insolvenz an. Und Volker Böhm stand vom ersten Tag an unter gewaltigem Zeitdruck. „Normalerweise können wir das vorläufige Insolvenzverfahren nutzen, um einen Geschäftsbetrieb so weit zu stabilisieren, dass der Abschluss des Investorenprozesses auch noch einige Monate nach Verfahrenseröffnung erfolgen kann“, sagt der vom Gericht bestellte Insolvenzverwalter. „Bei Ziegler hatten wir hingegen bei den meisten Unternehmen nur maximal zehn Wochen Zeit, um eine Lösung zu finden und die Stilllegung zu vermeiden.“

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Elf Monate später ist der Nürnberger Jurist zufrieden. Für 27 der 33 Betriebe aus dem verschachtelten Ziegler-Konglomerat fand er neue Eigentümer. Dazu gehören auch zwei Sägewerke in Schweden und eines in Rumänien. Unterm Strich bleiben etwa 70 Prozent der Arbeitsplätze erhalten, 1900 von 2600. Das ist auch gut für die 3000 Gläubiger, unter denen viele Handwerker und Dienstleister hauptsächlich aus der Oberpfalz und aus Oberfranken sind, aber auch Arbeitnehmer, denen die Firma noch Geld schuldet. Sie könnten sich über „substanzielle Erlöse“ freuen, ließ Böhm seinen Sprecher mitteilen. Wie hoch diese sind, sagte er nicht.
Dabei tat Böhm, was bei Insolvenzen meistens mit Argwohn und Skepsis verfolgt wird: Er suchte gar nicht nach einem Investor, der die gesamte Firmengruppe mit ihren 33 operativen Tochtergesellschaften und knapp 3000 Arbeitsplätzen übernehmen würde. Stattdessen zerlegte er das Familienunternehmen in seine Einzelteile und bot die Firmen einzeln an. „Die Investorensuche auf eine Gesamtlösung auszuweiten, war wenig aussichtsreich und hätte wertvolle Zeit gekostet“, sagt Böhm. „Wir haben deshalb die Betriebe je nach Geschäftstätigkeit in Einheiten zusammengefasst und sie passenden Investoren angeboten.“
Fortan begann das große Feilschen. Motto: Alles muss raus
Fortan begann das große Feilschen: mit Investoren über die Filetstücke des Konzerns, aber auch im Kleinen auf Online-Auktionen, bei denen Sattelaufleger für den Holztransport per Lkw oder Solarmodule, Batterien, Verpackungsmaterial und Metallschränke aus dem Ziegler-Fundus einzeln versteigert wurden. Motto: Alles muss raus.
Als Erstes verkaufte Böhm Mitte Januar das in Grafenwöhr/Hütten angesiedelte Dämmstoffunternehmen Naturheld an die Josef-Rettenmaier-Naturenergie-Holding mit Sitz im Ostalb-Kreis in Baden-Württemberg. Alle 130 Jobs blieben erhalten. Zwei Wochen später übernahm die fast namensgleiche Rettenmeier Holding AG mit Sitz in Willburgstetten bei Ansbach den Geschäftsbereich Holzverarbeitung mit 650 Beschäftigten in sechs Betrieben. Dazu gehört auch das Sägewerk an der Betzenmühle in Plößberg im Landkreis Tirschenreuth, der Stammsitz von Ziegler. Dort verloren allerdings 150 Beschäftigte ihre Jobs, was mit der Reduzierung der Kapazitäten einhergeht. Statt bis zu 2,3 Millionen Festmeter Holz pro Jahr sollen an der Betzenmühle künftig zwischen 1,3 und 1,5 Millionen Festmeter verarbeitet werden. Das Etikett, Europas größtes Sägewerk zu sein, ist damit allerdings weg.
Dort begann mit einem lokalen Sägewerk 1948 die Firmengeschichte. Vor allem in den vergangenen Jahrzehnten wurde daraus ein für die deutsche Holzwirtschaft systemrelevantes Unternehmen. Mit dem Manko, dass sich Eigentümer und Geschäftsführer Stefan Ziegler bei seinem rasanten Wachstumskurs heillos verzettelte und das Wachstum auf Pump finanzierte. Der Konzern war zudem unübersichtlich und verschachtelt organisiert und es gehörten Gesellschaften dazu, die mit dem Kerngeschäft Holz nichts oder bestenfalls am Rande zu tun hatten.
Gastronomiebetriebe zum Beispiel, ein Bahnhof, eine Handelsfirma, ein Baumarkt oder ein Architekturbüro. Ein weiteres Problem: Nicht alle Firmen liefen gut. Mit den Gewinnen der ertragreichen Gesellschaften wurden die Finanzlöcher der anderen gestopft. Als dann die Baukonjunktur absank und auch das bis dahin ertragreiche Plößberger Sägewerk zu schwächeln begann, spitzte sich die Lage zu.
Ob es außer Managementfehlern auch strafrechtliche Verfehlungen gab, prüft die Staatsanwaltschaft Regensburg. Sie leitete gegen neun Verantwortliche der Ziegler-Gruppe Ermittlungen wegen des Verdachts der Insolvenzverschleppung ein. Über deren Stand ist nichts bekannt und es konnte übers Wochenende auch nichts in Erfahrung gebracht werden.

Statt bis zu 2,3 Millionen Festmeter Holz pro Jahr sollen an der Betzenmühle künftig nur noch zwischen 1,3 und 1,5 Millionen Festmeter verarbeitet werden. (Foto: Armin Weigel/dpa)
700 Menschen haben im Zuge des Insolvenzverfahrens ihre Arbeitsplätze verloren. Allein 300 davon bei der Ziegler Logistik GmbH, die in Wiesau einen eigenen Bahnhof betrieb, wo bis zu 50 000 Container jährlich umgeschlagen wurden. Für die Logistiksparte fand sich kein Käufer. 120 Menschen verloren bei Eisen Knorr ihre Jobs, was allerdings bereits vor dem Insolvenzantrag beschlossene Sache war.
Aktuell akut gefährdet ist die Zehendner Keramik GmbH in Tirschenreuth. Der Hersteller von Kacheln und Kachelöfen muss seinen Geschäftsbetrieb am 31. Oktober einstellen, falls sich nicht im letzten Moment noch ein Interessent findet. „Jeder Arbeitsplatz, der durch ein Insolvenzverfahren verloren geht, ist für die jeweiligen Betroffenen ein schwerer Verlust“, so Böhm. „Angesichts der außergewöhnlichen Umstände bin ich aber erleichtert, dass es uns gelungen ist, eine solch große Zahl von Arbeitsplätzen zu erhalten, außerdem das Sägewerk im Oberpfälzer Wald als wichtigen Abnehmer für die regionalen Waldbauern.“
Die hielten Ziegler als Lieferanten auch während der Insolvenz die Treue. Als positives Signal wurde empfunden, dass die bayerischen Staatsforsten auf dem Höhepunkt der Krise zusicherten, auch in Zukunft 300 000 Festmeter nach Plößberg zu liefern und so für eine Grundlast sorgen.