SZ-Adventskalender: Mark B. möchte gesund werden und abnehmen. (original) (raw)
"Sie sind schon eine Erscheinung." Ein Satz, der Mark B. etwas erstaunt. Er hörte ihn von seiner Therapeutin, als sie darüber sprachen, dass der Platz neben ihm in U- und S-Bahn oft leer bleibt. Es trifft Mark B., wenn sich niemand zu ihm setzt. Er möchte eigentlich keine Erscheinung sein. Er möchte nicht auffallen, wenn er unterwegs ist. Besonders dann nicht, wenn es ihm schlecht geht. Dann zieht er sich am liebsten zurück, möchte tagelang nicht auf die Straße. Dann bewegt er sich kaum und weiß: Genau das ist nicht gut für mich. Solche Tage machen ihn einsam und ärgerlich, manchmal so sehr, dass er sich noch schlechter fühlt. Ein Teufelskreis.
Während seiner Therapiezeit hat Mark B. 25 Kilo abgenommen. Darauf ist er stolz. Doch seit Monaten geht es nicht weiter, er kann sein Gewicht noch nicht einmal konstant halten. Fünf Kilo runter, fünf Kilo rauf, erzählt er, so sei das seit dem Sommer. Sein Stundenkontingent mit der Therapeutin ist abgelaufen. Die Sitzungen mit ihr haben ihm Halt gegeben, einen Rahmen im Kampf gegen seine Übergewichtigkeit. "Ich habe Adipositas", sagt er am Telefon, als man ein Treffen mit ihm verabredet. Drei Wörter, die wohl vor seiner Erscheinung warnen sollen.
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"Adipositas ist kein äußerliches Zeichen von Willensschwäche, Adipositas ist eine komplexe, chronische Erkrankung, für die eine Vielzahl von Faktoren verantwortlich ist", erläutert ein einleitender Satz auf der Webseite der Adipositas-Klinik München. "Veränderungen anzunehmen, die erste Zeit durchzustehen und danach auf lange Zeit aufrechtzuerhalten, das ist kein einfacher Weg", heißt es dort weiter. Und: Eine Therapie dort bedeute eine erhebliche Umstellung in den alltäglichen Verhaltensweisen. Mark B. möchte Veränderung. Er möchte nicht mehr so viel und unkontrolliert essen, seinen Zuckerkonsum reduzieren. Nur noch an Wochenenden erlaube er sich Softdrinks, sagt er. Und er faste einen Tag pro Woche, esse 24 Stunden nichts. Aber immer wieder kann es passieren, dass er sich in Schokolade verliert. Hunger kenne er kaum, auch nicht das angenehme Gefühl der Sättigung. In den schlimmsten Phasen hat er drei Riesentafeln Milka-Schokolade hintereinander vertilgt. Dreimal 300 Gramm. Mark B. ist nicht stolz darauf. Es ist wohl ein gutes Zeichen, dass er mittlerweile offen darüber sprechen kann.
Einen großen Schritt in Richtung berufliche Veränderung hat Mark B. bereits gewagt. Er musste lange auf diese Chance warten, die Pandemie kam ihm dazwischen. Seit September vergangenen Jahres macht er nun eine Umschulung bei der Münchner Aidshilfe. Im Sommer wird er sich Kaufmann für Büromanagement nennen können. Täglich im Büro zu sein, im Team zu arbeiten, macht ihm Spaß. Er wird gebraucht, auch das ist ein gutes Gefühl.
Mark B. läuft mit tippelnden Schritten. Sein Körper ist eine Last für ihn. Manchmal mehr, manchmal weniger. Er sagt, Treppensteigen falle ihm schwer, an manchen Tagen könne er sich nicht zwingen dazu. Das sei ein Fehler, er müsse sich ja bewegen. Der 46-Jährige spricht oft von Fehlern in seinem Leben.
Ein Fitnessstudio wäre gut, kann er sich aber nicht leisten
Er war mal sportlich, hat in seiner Heimatstadt Pforzheim im Verein Turnier getanzt. Auf einem Foto neben einer Tanzpartnerin, das vor etwas mehr als 20 Jahren entstand, ist er ein schlanker junger Mann. Er hat auch Taekwondo trainiert. "Fast bis zum schwarzen Gürtel." In Mark B.s Augen blitzt Fröhlichkeit auf, als er von Sport spricht. Er würde gerne Salsa und Merengue lernen, sich im Takt der lateinamerikanischen Musik wiegen. Zum Glück habe er in früherer Zeit Muskeln aufgebaut, sagt Mark B. Die unterstützten jetzt seine Gelenke. Ein Fitnessstudio wäre gut, kann er sich aber nicht leisten.
Er kam 2001 nach München, um an der TUM Bauingenieur zu studieren, er wechselte nach einigen Semestern zu Statistik. Abgeschlossen aber hat er sein Studium nie. "Ich habe zu viel gearbeitet nebenbei", sagt er. Das Leben in der Großstadt war nicht so einfach für ihn, Freunde kamen und gingen. Es gab Todesfälle, die ihn belasteten. "2003 begann es mit dem Essen", sagt Mark B. Die Nahrungsaufnahme wurde mehr und mehr zum Lebensinhalt - und zum Problem. Seit einigen Jahren lebt er von Sozialhilfe. Während der Ausbildung verdient er nichts, aber sie ist eine große Chance, wieder Fuß zu fassen. Er würde gerne wieder am gesellschaftlichen Leben teilnehmen, neue Leute kennenlernen.
Sein größter Wunsch? "Gesund werden", sagt Mark B. spontan. Was er noch bräuchte, wäre neue Kleidung - eine Hose zum Beispiel oder ein Paar Schuhe, er hat Größe 49. Auch eine passende Winterjacke für ihn koste viel Geld. Und ein Computermonitor für die Berufsschule wäre toll.
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