Kolumne „Hin und Weg“: Von der Gefahr der Kokosnüsse auf Reisen (original) (raw)

Dass es sich bei Kokosnüssen um gemeingefährliche Geschosse handelt, ist ein weitverbreiteter Irrtum – auch wenn sie zu den Steinfrüchten (sic!) zählen, einzelne Exemplare bis zu zweieinhalb Kilogramm schwer werden können und, sobald sie aus den gut 20 Meter hohen Palmen fallen, an denen sie wachsen, Geschwindigkeiten von etwa 80 Kilometern pro Stunde erreichen. Was alles in allem zu einem durchaus wuchtigen Aufprall führt. Man sollte insofern besser nicht auf diese Weise von einer Kokosnuss getroffen werden.

Tatsächlich sind schon Menschen ernsthaft verletzt worden, die zur falschen Zeit unter einer Kokospalme lagen an einem karibischen oder polynesischen Traumstrand, welcher im Fall eines solchen treffsicheren Falles einer Kokosnuss natürlich umgehend zu einem Albtraumstrand wird. Einige von ihnen bedauerlicherweise sogar tödlich. Es sind aber auch schon Menschen an Knödeln erstickt oder in Pfützen ertrunken, ohne dass man deshalb ernsthaft in Erwägung zöge, Knödel zu verbieten oder jede Wasserlache von Staats wegen auszutrocknen.

Urlaub im Süden

:Viel Glück am Mittelmeer!

Hitze, Einheimischen-Proteste, giftiger Feuerwurm: Nichts kann uns offenbar davon abhalten, unseren Sommerurlaub im Süden zu verbringen.

Das Leben ist als solches nun einmal nicht frei von Risiken. Insofern ist jeder Hinweis, die Lebensgefährlichkeit von Kokosnüssen nicht zu unterschätzen, reine Panikmache. Es gibt sogar einen Wikipedia-Eintrag mit dem Titel „Tod durch fallende Kokosnüsse“, der belegt, dass dieses Risiko zu vernachlässigen ist und auf welch irreführende Interpretation beziehungsweise mutwillige Missdeutung von Daten die Falschbehauptung zurückgeht, es würden mehr Menschen durch Kokosnüsse getötet als durch Haiangriffe. Beides ist extrem unwahrscheinlich, eine Kokos-Kanonade ohnehin, aber auch das ungleiche Unterwasserduell zwischen Mensch und Tier. Mag Donald weird Trump noch so sehr vor der Gefahr von Haien in heimischen Gewässern warnen.

Selbst der kleine Drache Kokosnuss ist doch von herzlicher Harmlosigkeit

Kokosnüsse, um es so deutlich einmal hinzuschreiben, sind tendenziell harmlos. Dass in dem Kinderlied von der geklauten Kokosnuss die Affen durch den Wald rasen und dabei der eine den anderen kaltmacht, ist definitiv nicht der Kokosnuss anzulasten. Und dass die armseligen „Ritter der Kokosnuss“ in diesem Monty-Python-Film die Hälften einer Kokosnussschale aneinanderschlagen, um den Eindruck zu erwecken, sie seien edel zu Pferde und nicht schändlich zu Fuß unterwegs in ihr Verderben, ist einzig menschlicher Vermessenheit geschuldet.

Selbst der kleine Drache Kokosnuss, immerhin ein Feuerdrache, ist von so herzlicher Harmlosigkeit, dass sich jede Kriminalisierung der Kokosnuss eigentlich verbietet. Just diese Kombination von Kokosnuss und Feuer führt nun aber zu einer aberwitzigen Angelegenheit: Die IATA nämlich, der Dachverband der Fluggesellschaften, hat Kokosnüsse auf die Liste der Gefahrgüter gesetzt. Genau genommen: das getrocknete Fruchtfleisch der Kokosnuss. Denn: Es enthält viel Öl, hat einen niedrigen Brennpunkt und kann sich deshalb theoretisch schon bei relativ geringen Temperaturen entzünden. Nach dieser Definition unterscheiden sich Kokosflocken durch nichts von Streichhölzern und sind sie so explosiv wie überhitzte Natriumbatterien. Ganze Kokosnüsse, in Händen von Footballspielern und ähnlich geschickten Menschen durchaus als wirkungsvolle Wurfgeschosse einsetzbar, sind indessen weiterhin erlaubt im Handgepäck.

Stefan Fischer bevorzugt getrockneten Ingwer. (Foto: Bernd Schifferdecker (Illustration))