Werder nach dem 0:5 gegen Bayern: Musse vergess! (original) (raw)

In der 2. B-Jugend des FC Oberneuland hat Ramon Goncalves da Silva in der vergangenen Saison ziemlich viele Tore geschossen. Für das Publikum im edlen Bremer Stadtteil waren diese Tore immer ein Erlebnis, nicht nur wegen des jungen Angreifers, der sie bejubelte. Viel schöner feierte am Rande ein Mann, der es in dieser Disziplin bereits zu beachtlicher Meisterschaft gebracht hat: Ailton Goncalves da Silva, 51 Jahre alt inzwischen, Vater des jungen Stürmers und seinerseits eine der außergewöhnlichsten Figuren der Bundesliga-Geschichte (ausnahmsweise wörtlich verstehen).

Ailton war so schnell, wie er bauartbedingt niemals hätte sein dürfen, was ihn zu einem der besten und sowieso beliebtesten Stürmer des großen Bundesligavereins Werder Bremen machte. Er hat Bremen und der Liga großartige Sentenzen hinterlassen (musse guck, musse konzentrier),und als er einmal nach den Aussichten des Klubs für die kommende Saison gefragt wurde, sagte er nur: In momento Werder Breme bisschen guck.

Hierzu zweierlei Anmerkungen: Der Satz ist ausgezeichnet gealtert, besser kann man das immer noch nicht sagen. Und: Einen wie ihn hat Werder Bremen nicht mehr. Was natürlich miteinander zusammenhängt.

Nach dem 0:5 gegen den FC Bayern haben sämtliche Werderaner unisono für eine Art Amnesie plädiert, einfach vergessen solle man diese Partie. „Wir müssen die Pille schlucken und uns nicht von unserem Weg abbringen lassen“, sagte etwa der Abwehrspieler Niklas Stark und gab der Hoffnung Ausdruck, es könne sich „um einen Ausrutscher“ handeln. Und Mitchell Weiser empfahl, „das Spiel nicht zu hoch zu hängen und nicht zu tief an sich ranzulassen“.

Das kann man alles machen, zumal die Bremer sich auch auf die Leidensgenossen aus Kiel und Zagreb berufen konnten, die nach den jüngsten 1:6- und 2:9-Niederlagen gegen die Bayern ebenfalls weiter Fußball spielen. Ebenfalls muss eine Analyse natürlich „anerkennen, dass die Bayern bockstark waren“, wie Werders Sportdirektor Peter Niemeyer sachkundig anmerkte. Wie mittellos die Bremer an diesem Tag allerdings der bayerischen Dominanz begegneten, wie wenig ihnen einfiel, um sich aus der Umklammerung zu befreien, deutet nun doch wieder auf einen akuten Ailtonmangel im Team hin. So lässt sich selbst einem Ausnahmespiel wie diesem entnehmen, was die Bremer Verantwortlichen da unter den großen Herausforderungen eines Traditionsklubs für einen Kader angemischt haben.

Einstweilen fehlen Werder die Höhen, um dem (gehobenen) Mittelfeld der Liga wirklich entkommen zu können

Mal etwas vereinfacht gesagt, hat dieser Kader genügend Breite, um sich in einer Liga zu behaupten, in der Stabilität (ja, trotz 0:5), Ruhe und Eingespieltheit durchaus ein Wettbewerbsvorteil sein können; aber einstweilen fehlen wohl die Höhen, um dem (gehobenen) Mittelfeld der Liga wirklich entkommen zu können. Der Klub, der sich in all den Jahrzehnten immer über seine Helden definiert hat, beschäftigt zurzeit eine Menge seriöse Profis, die ein gewisses Niveau nie unterschreiten und imstande sind, ihrer zahlreichen Anhängerschaft oft genug einen guten Nachmittag zu bereiten. Was fehlt, sind ein paar Spieler fürs Besondere, die dem bayerischen Pressing ihr eigenes Selbstbewusstsein entgegenzuhalten. Um dem FC Bayern und den anderen Topklubs der Liga wieder näherzurücken, muss Werder Bremen wahrscheinlich schon noch ein bisschen länger guck.