Leise Kritik an Lambrecht: SPD-Kollegen schicken freundliche Kampfansage an die Verteidigungsministerin (original) (raw)
Die Parlamentarische Linke (PL) in der SPD-Bundestagsfraktion hat davor gewarnt, sich bei der Neuaufstellung der deutschen Außen- und Sicherheitspolitik nach Russlands Angriffskrieg gegen die Ukraine einseitig auf eine Stärkung der Bundeswehr zu konzentrieren.
„Wir müssen die neuen Realitäten ernst nehmen, ohne dabei eine Militarisierung des politischen Denkens und Handelns zuzulassen“, heißt es in einem Debattenbeitrag der Parlamentariergruppe, den deren Ko-Sprecherin Wiebke Esdar sowie die PL-Mitglieder und Außenpolitiker Sanae Abdi, Fabian Funke und Ralf Stegner am Freitag vorstellten.
Die Parteilinke setzt in dem laut Esdar auf lange Linien angelegten Thesenpapier deutlich andere Akzente als zuletzt SPD-Parteichef Lars Klingbeil und die sozialdemokratische Verteidigungsministerin Christine Lambrecht. Der robustere sicherheitspolitische Kurs der beiden SPD-Politiker hat die Unterstützung von Kanzler Olaf Scholz, auch wenn dieser sich noch nicht ebenso eindeutig geäußert hat.
Dabei vermieden es die PL-Vertreter bei der Vorstellung der Thesen unter dem Titel „Was bedeutet Zeitenwende? Für eine wertegeleitete UND realitätsbezogene Außen- und Sicherheitspolitik“, die anders gelagerten Positionen von Klingbeil und Lambrecht offen anzugreifen. Die Thesen stellten einen Beitrag zu dem von Klingbeil angestoßenen Diskussionsprozess zur Neuaufstellung der SPD in der Außen- und Sicherheitspolitik dar, erklärten sie.
Klingbeil hatte in einer Grundsatzrede im Juni Deutschland die Rolle einer Führungsmacht zugesprochen, sich für ein deutlich positiveres Verhältnis seiner Partei zur Bundeswehr plädiert und militärische Gewalt als letztes Mittel der Politik bezeichnet. In einem Beitrag über Fehler sozialdemokratischer Russlandpolitik sagte er diese Woche, es könne keine Sicherheit mit Russland mehr geben, sondern nur Sicherheit vor Russland.
Sie spricht für die Parlamentarische Linke (PL) in der SPD-Fraktion: Die Bundestagsabgeordnete Wiebke Esdar.
© dpa/Britta Pedersen
Lambrecht erklärte ebenfalls in einer Grundsatzrede, Deutschland müsse auch militärisch eine Führungsmacht sein. Zugleich warb sie dafür, im Interesse einer europäischen Zusammenarbeit bei Rüstungsprojekten die besonders strengen deutschen Regeln für Rüstungsexporte zu überarbeiten.
Dieser letzten These der Verteidigungsminister widersprach Ralf Stegner direkt, ohne sie freilich namentlich zu erwähnen. Der Abgeordnete vom linken SPD-Flügel bekannte sich ausdrücklich zur „militärischen Mitverantwortung“ Deutschlands und erteilte deutschen Alleingängen eine klare Absage.
Eine „mit europäischer Industriepolitik begründete Liberalisierung von Waffenexporte in Krisen- und Kriegsgebiete oder Autokratien dieser Welt“ konterkariere „unsere Bemühungen für eine stärker wertegeleitete Außenpolitik“, warnte er.
Sanae Abdi und Fabian Funke betonten den „breiten Ansatz“ ihrer außenpolitischen Vorschläge. Es gehe nicht nur um die Stärkung des Militärs, sondern auch um eine stärkere Betonung der Menschenrechte, ökonomische Faktoren für Sicherheit und feministische Außenpolitik, sagte Funke. Auch Klima- und Entwicklungspolitik seien Instrumente zur Schaffung von mehr Sicherheit, meinte Abdi.
Ihre Thesen zu deutschen Rüstungsexporten gefallen dem linken Flügel der SPD nicht: Verteidigungsmininsterin Christine Lambrecht.
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Das Papier ist geprägt von dem Gedanken, dass Deutschland außen- und sicherheitspolitisch keine Alleingänge unternehmen sollte. „Deutsche Sicherheitsinteressen können nur dann erfolgreich vertreten werden, wenn sie auch die Sicherheitsbedürfnisse und Perspektiven unserer europäischen und internationalen Partner:innen berücksichtigen“, heißt es darin. Und weiter: „Entscheidungen werden immer im Konzert der globalen Demokratien – der EU, Nato und G7 – getroffen, nie allein.“
Allerdings stellt sich der Text nicht dem Zielkonflikt, der darin besteht, dass zum Beispiel die darin ausdrücklich befürworteten strengen nationalen Regeln für Rüstungsexporte ein gemeinsames Handeln mit EU-Partner auf diesem Feld erschweren oder verhindern.
Stegner erklärte, die VN-Nachhaltigkeitsziele böten „längst den Orientierungsrahmen für die globale Gerechtigkeitsfragen, die es zu lösen gilt“. Die Lebenschancen von Menschen seien global „weiterhin krass unterschiedlich“. Weiter sagte er: „Das widerspricht nicht nur unserer Auffassung der universellen Menschenrechte, sondern ist und bleibt DIE Bedrohung für Wohlstand und Freiden in Europa“.
Das Papier bekennt sich ausdrücklich zu den VN als „einer handlungsfähigen globalen Plattform“. Internationale Organisationen müssten weiter gestärkt werden, „wenn autokratische Staaten ihre Arbeitsfähigkeit blockieren, müsse alternative Formate gefunden werden, um handlungsfähig zu bleiben“.
Dabei müssten Deutschland und die globalen Demokratien mit Initiative vorangehen. Bei der Bemühung um weltweite Ernährungssicherheit nach der Exportblockade ukrainischen Getreides durch Russland sei dies Deutschland vorbildlich gelungen, sagte Abdi.