DVD als Medium kritischer Filmeditionen – Universität der Künste Berlin (original) (raw)
DVD als Medium kritischer Filmeditionen
[Projektzeitraum: 2001–2005]
Ein „Klassiker der Filmkunst“ - „originalgetreu wiederhergestellt“, „rekonstruiert“, „restauriert“, die „definitive Fassung“. Festivals, Archive, das Fernsehen machen damit Reklame. Eigentlich stimmt das nie. Was ist das Original eines Films? Je näher man dem Begriff kommt, desto weiter entfernt er sich. Ein Film ist kein Objekt. Er lebt im Wandel seiner Gestalten, immer wieder neu kopiert, anders montiert, auf unterschiedlichem Material, bestenfalls angenähert einem früheren, „autornahen“ Zustand, auf Umwegen, unter Einsatz neuer Techniken, anders projiziert mittels neuer Geräte - jede Kopie, ja jede Projektion ein Original. „Der Film X“ ist die Summe aller seiner Erscheinungsformen ...
Zu den aktuellsten, zukunftsträchtigsten Erscheinungsformen neuer wie älterer Filme gehört die digitale Bildplatte - DVD (digital versatile disc), ihr Abspiel auf dem heimischen Fernseher oder auch schon ihre Projektion im Kino. DVDs mit Werken der Filmgeschichte beschränken sich bisher in der Regel auf die Wiedergabe jeweils einer Fassung eines Films (gern annonciert als die von einem Archiv „wiederhergestellte Originalfassung“) mit zusätzlichen Informationen in Gestalt von Audiokommentar, Features und Galerien etwa zur Entstehung des Films und seinen Mitarbeitern. Ein Beispiel für die Edition eines restaurierten Filmklassikers auf DVD ist die von der Friedrich-Wilhelm-Murnau-Stiftung weltweit erfolgreich vertriebene DVD von Fritz Langs „Metropolis“. Sie basiert auf einer Kino-Edition, für die Enno Patalas und Martin Koerber verantwortlich zeichnen.
Enno Patalas - seit 2001 Honorarprofessor der Universität der Künste Berlin – initiierte ein künstlerisch-wissenschaftliches Forschungsprojekt an der UdK, „Die digitale Bildplatte (DVD) als Medium kritischer Filmeditionen - Fragen der Textkritik, Restaurierung und Filmedition“. Das Projekt, das auf die Herstellung von kritischen Editionen bzw. Studienfassungen zu Werken der Filmgeschichte auf DVD zielt, wird von der Kulturstiftung des Bundes gefördert. www.kulturstiftung-des-bundes.de
Auch die Friedrich-Wilhelm-Murnau-Stiftung fördert das Projekt und stellt dafür großzügig das Filmmaterial von „Metropolis“ zur Verfügung. www.murnau-stiftung.de
Der Film „Metropolis“ wird im Rahmen des Projekts als Prototyp einer solchen Studienfassung realisiert. Weitere Studienfassungen von Sergej Eisensteins Revolutionsfilmklassiker „Panzerkreuzer Potemkin“ und Friedrich Wilhelm Murnaus Südseefilm „Tabu“ werden konzeptionell erarbeitet.
Die geplanten Studienfassungen sollen dem Benutzer außer der „horizontalen“ Lektüre einer oder mehrerer Fassungen eines Films eine „vertikale“, der Werkgeschichte folgende erlauben. Dem Benutzer soll die Möglichkeit gegeben werden, von Segmenten einer überlieferten Fassung aus alle sonst dokumentierten Stufen von Entstehung und Umgestaltung, Beiträge von Mitwirkenden ebenso wie Eingriffe von Bearbeitern anzuwählen. Die drei ausgewählten Filme eignen sich für dieses Projekt besonders wegen ihrer künstlerisch, ökonomisch und politisch aufschlussreichen Vor- und Nachgeschichte und einer bei wenigen anderen Werken der Filmgeschichte gegebenen Materiallage.
Die Studienfassung von „Metropolis“ intendiert, die Rekonstruktion des Films weiter zu führen und die Geschichte seiner Bearbeitung zu dokumentieren.
Die filmische Sicherung des „Panzerkreuzer Potemkin“ ist ein, ebenfalls von der Kulturstiftung des Bundes unterstütztes Projekt, das mit Unterstützung des Bundesarchiv Filmarchiv unter Gesamtleitung der Stiftung Deutsche Kinemathek realisiert wird; das an der UdK angesiedelte Projekt „DVD als Medium kritischer Filmeditionen“ will versuchen, die deutsche Nadeltonfassung von 1930 auf DVD zu erschließen.
Bei „Tabu“ würde der Fund von zehntausend Metern Kameranegativ - Varianten der Einstellungen des Films und nicht darin aufgenommene - erlauben, den Entstehungsprozess des Films darzustellen.
Diese Produktion wird vorbereitet und begleitet von Vorlesungen und Seminaren, die Erfahrungen, Methoden und Theorien zur Edition literarischer Texte, der Restaurierung von Werken der Bildenden Kunst und der Architektur, der Umsetzung von Partituren und Bühnenstücken in die Aufführungspraxis und der Praxis von Filmrestaurierung und -archivierung zum Gegenstand haben.