Comedian Tedros „Teddy” Teclebrhan über Klischees, Pyjamas und grünen Tee (original) (raw)

Als jemand, der seine Nächte vorzugsweise allein im Dunkeln weinend verbringt, befasse ich mich eigentlich nicht mit Comedy. Das ist vermutlich der Grund, warum ich bis vor drei Wochen nicht wusste, wer Tedros „Teddy” Teclebrhan ist. Im Gegensatz zu, wie mir Facebook mitteilt, mindestens 953,509 Menschen, die es wissen, und die bisher schon aufgrund dieser Tatsache ein fröhlicheres Dasein hatten als ich. Zehn Jahre länger leben werden als ich. Keinen Krebs kriegen werden. Ein erfüllteres Sexleben und geringeres Diabetesrisiko haben als ich. Wichser.

Wie dem auch sei, für alle anderen: Tedros Teclebrhan ist Schauspieler und Comedian. Er wurde bekannt mit der Umfrage zum Integrationstest, hat dieses Jahr in Halbe Brüder mitgespielt und war jahrelang erfolgreich auf Tournee. Die DVD zur Tournee, Teddy Show – Was labersch Du…?!, die am 27.11. erschienen ist, war am Tag ihres Erscheinens ausverkauft.

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Vorletzten Mittwoch—einem sehr kalten, sehr hässlichen Mittwoch—traf ich Teddy in der Lobby eines Hotels, dessen Namen ich vergessen habe. Am Abend vorher hatte in besagter Lobby eine Pyjamaparty stattgefunden. Während ich auf Teddy wartete, sinnierte ich darüber, was schlimmer wäre: Der einzige zu sein, der versehentlich zu einer Pyjamaparty im Anzug kommt, oder der einzige zu sein, der versehentlich zu einer normalen Party im Pyjama auftaucht. In diesem Moment erschien zum Glück Teddy zum Interview und erlöste mich davon, Antworten auf die großen Fragen des Daseins zu suchen.

VICE: Ich hab gehört, hier war gestern eine Pyjamaparty? Tedros Teclebrhan: Da war eine Frau, die sich plötzlich an unseren Tisch gesetzt hat und einen Freund, der neben mir saß, ins Ohr gebissen hat.

Im Pyjama. Ja. Sie war voll laut: „Eeeeeey, ihr Arschlöcher! Ich komm aus Hamburg, ihr Arschlöcher!” Wir mussten voll darüber lachen. Ich saß hier, mein Freund da, und dann hat sie sich ihn geschnappt und ihm am Ohr rumgesaugt. Er hat versucht, sie wegzudrücken, und sie hat ihm versehentlich in den Schritt gehauen, weil sie so betrunken war. Das Beste war, heute Vormittag haben wir gedreht, sind die ganze Zeit im Aufzug hoch- und runtergefahren, und plötzlich kommt sie rein. Voll schön angezogen. Kommt und sagt: „Hallo.” Und ich sag: „Hallo.” Und sag ihren Namen, und sie starrt mich nur vollkommen entsetzt an.

Hahaha. Sie schaut sich um, erkennt niemanden, erkennt nicht mal den Freund von mir, den sie abgeschlabbert hat. Fragt nur „H … hallo?”, gibt mir die Hand, total verwirrt, weil die Kamera auf sie gerichtet war. Auf einmal weiß ein fremder Typ mit Mütze im Aufzug ihren Namen, schon witzig.

Haha. Du bringst gerade eine DVD raus, erzähl mal, was passiert auf der? Ich spiele mehrere Figuren. Auf der Bühne spiele ich fünf von den acht. Und jede Figur erzählt aus ihrem Leben.

Hast du schon immer verschiedene Personen in deinem Kopf gehabt? So als Kind, „Ich bin der Otto”—„Nein, ich bin Sabine!”. Ich hab schon immer rumprobiert, schon immer eine starke Fantasie gehabt. Die erste Person, die ich nachgemacht habe, war von der Serie Munsters, Herman Munster, genau genommen seine Lache.

Also begann alles mit Herman Munster. Herman Munster hat meine Karriere geebnet. Ich hab aber keine wirkliche Person gespielt, ich habe Stimmen ausprobiert, Dialekte, Körperhaltungen.

Foto: Tyzian Masik

Was ist dein Lieblingsdialekt? Schwäbisch. Ja also, mir kennet däs ganse Interview au auf Schwäbisch schwätza.

Hattest du auch einen imaginären Freund? Oder mehr so echte? Ich hatte mehr so echte Freunde. Aber ich bin immer noch jemand, der, wenn ich im Bad bin, oder egal wo, allein mit mir rede.

„Teddy, hast du Hunger, was machen wir denn heute?”—„Ja Teddy, ich weiß auch nicht.” Nee, nichtmal. Es beginnt einfach so. Weil es davor schon im Kopf stattfindet. Ich bring mich selber zum Lachen. Voll extrem. Machst du das nicht?

Nein. Aber ich rede mit meinen Geräten. „Computer, bitte, mach doch schneller” oder wenn ich mein Telefon fallen lasse: „Sorry Telefon, tut mir leid.” Du nicht? Nein, also, ich rede schon mit Gegenständen. Aber ich fluche eher.

Siehst du dich als YouTube-Star? Was ist denn ein YouTube-Star?

Alles über fünf Klicks. Ja dann, klar! Nein, ich bin über YouTube bekannt geworden. Ich mach das immer, wenn ich Zeit habe, aber ich treffe die Leute lieber live. Ich hab Schauspiel studiert, und danach war ich auf der Bühne. Live ist das alles viel geiler, du hast mehr Spaß, kannst mit Leuten, die deine Videos schauen, direkt kommunizieren. Jetzt hab ich wieder angefangen zu schreiben …

… ein Buch? Nein, an einer neuen Show. Aber wenn du willst, dass ich ein Buch schreibe, schreibe ich ein Buch. Worüber?

Grünen Tee. Ja. das würde bestimmt funktionieren. Ich mach das. Und dann kommt es auf die Bühne. Wir sitzen dann da zwei Stunden und trinken Tee, schweigend. Überall so megaviele Wasserkocher. Sonst nichts. Und am Schluss stehen wir auf, verbeugen uns theatralisch. Standing Ovations. „Wooooaaah, ihr habt so großartig Tee getrunken.” Zur Autogrammstunde gibt es signierte Teebeutel.

Benutzte. Ja. Die Leute wollen das haben. Sie reiben sich damit ein. Nee, im Ernst, es gibt ein paar Themen für die neue Show. Ich will diesmal ein bisschen persönlicher arbeiten, ein bisschen mehr Tiefe reinbringen.

Du hast dieses Jahr in Halbe Brüder mitgespielt, was hältst du vom zeitgenössischen deutschen Film, wie geht’s dem? Ich glaub, dem geht’s immer besser. Eine Zeit lang habe ich ganz oft gehört „Ey, ich kann nichts anfangen mit deutschen Filmen” und ich hab das auch verstanden. Da war vieles nicht mutig. Aber gerade die neue Generation geht in eine gute Richtung. Da ist ganz viel Potential. Nur die Geldgeber müssen halt genau so entspannt sein und vertrauen. Man braucht mutige Leute an der Spitze. Ich hab manchmal das Gefühl, dass die Leute geblendet sind, keinen Bezug mehr haben zur Realität, zu den Leuten, die da draußen eigentlich sind. Ich hoffe, dass mir das nicht passiert.

Weil das schwerer ist, wenn man älter wird? Das, und wenn du viel arbeitest, ist man machmal so in seiner Welt, dass man gar nicht mehr versteht, was so vor sich geht. Man trifft alte Freunde aus seiner Stadt und merkt, was da die Themen sind, und man fragt sich, wo bin ich eigentlich? Über was mache ich mir Gedanken? Man nimmt sich zu wichtig.

Ich glaube, das machen fast alle. Ich schaue ganz wenige Filme, und mit denen, die ich nicht mag, halte ich mich nicht auf. Es gibt Leute, die kriegen aus negativen Sachen ihre kreative Energie, bei mir ist es genau das Gegenteil. Mir saugt das ganz viel Energie.

Also kein leidender Künstler. Neee, überhaupt nicht. Es fühlt sich für mich in solchen Momenten manchmal an, als würde ich in Slow Motion laufen. Als würde mein Leben ganz langsam ablaufen, und ich komme nicht voran.

Teddy als er selbst. Foto von Phil Daub

Gibt es nicht das Klischee, dass Comedians die unglücklichsten Menschen sind? Das gibt es, aber ich bin voll der glückliche Mensch. Es gibt Bilder von mir, ich war ein echt verrücktes Kind. Ich gucke immer aus dem Bild, nie in die Kamera, und grinse irgendwo ins Leere. Mir ist das gar nicht aufgefallen, aber mein Bruder hat das letztens bemerkt, und ich so: Fuck. Was dachten die Leute über mich?

Vermutlich fanden sie dich lustig. Ja. Ich interessiere mich nicht so für materielle Sachen, also manchmal kauf ich mir irgendwas, und dann denk ich: „Man, doch nicht so geil.” Die besten Geschenke sind Momente mit Menschen. Wenn die mir erzählen, aus ihrem Leben, wie das ihnen geholfen hat. Die schönste Nachricht war, ein Mädchen hat geschrieben: „Ich hab Bulimie und musste jetzt in eine Anstalt, und die haben alles probiert, aber ich habe keinen Appetit bekommen, und dann hab ich deine Videos angeguckt und ich musste so lachen und war so glücklich, dass ich Appetit bekommen hab.” Das war für mich krass.

Auf welches Essen willst du denn Appetit machen? Nudeln. Ich liebe Nudeln. Extrem. Magst du Nudeln?

Wer nicht? Nur Freaks, oder? Nur Außenseiter. Oder Hipster wahrscheinlich. Einfach mal pauschalisieren. Bist du ein Hipster?

Keine Ahnung. Das musst du mir sagen, ich stelle hier die Fragen, du gibst die Antworten. Direkt zurückgeschossen. Das hängt von der Einstellung ab, oder?

Für mich war das Signal immer, wenn die Männer ihre Socken über den Hosen getragen haben. Das waren für mich die, die am Bahnhof rumgehangen haben. Dann bin ich auch ein Hipster, ich hab immer am Bahnhof rumgehangen. In der kleinen Stadt, aus der ich komme, gab es nicht soviel. Ich hatte aber keine Socken über den Hosen. Habe ich mal probiert. Stand mir aber nicht. Fand ich hässlich.

Was hast du sonst für Pläne, planst du irgendwelche Experimente? Ich würde gerne mal in ein Kloster gehen. Für ein Jahr, in so ein Schweigekloster. Mal ein Jahr nicht reden, das wäre geil.