Südafrika: ANC-Rebellen spalten die Regierungspartei (original) (raw)
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Südafrika
ANC-Rebellen spalten die Regierungspartei
Veröffentlicht am 02.11.2008Lesedauer: 3 Minuten
Unterstützer des ehemaligen südafrikanischen Verteidigungsministers Mosiua Lekota bei einer Kundgebung in JohannesburgQuelle: AP
Korruption und Selbstsucht der Parteispitze haben Südafrikas Regierungspartei ANC zerbrechen lassen. Am 16. Dezember will eine Reihe von Funktionären um Ex-Verteidigungsminister Mosiuoa Lekota eine neue Partei gründen. Danach wird die bislang unangefochtene ANC erstmals ernsthafte Konkurrenz erfahren.
Sechs Wochen nach dem Rücktritt Thabo Mbekis als Südafrikas Präsident haben führende Dissidenten des ANC am Wochenende die Gründung einer neuen Partei angekündigt. Erstmals wird der seit 14 Jahren unangefochten regierende Afrikanische Nationalkongress (ANC) damit bei den Wahlen im kommenden Jahr Konkurrenz von Kabinettsmitgliedern, Ministerpräsidenten und Abgeordneten aus den eigenen Reihen bekommen. Bei der Wahl im April 2004 erreichte der ANC noch das Traumergebnis von fast 70 Prozent aller Stimmen, im Parlament stellt der ANC noch 297 der 400 Volksvertreter.
Vor mehreren Tausend Anhängern in Johannesburg erklärte der frühere Ministerpräsident der Provinz Gauteng, Sam Shilowa, man habe sich zu diesem Schritt entschlossen, um die in der Verfassung verankerten demokratischen Ideale des Landes zu schützen. Dies darf als offene Kritik an ANC-Parteichef Jacob Zuma und seinen engsten Mitarbeitern gelten. Gegen Zuma, bisher noch Präsidentschaftskandidat seiner Partei, wird seit Jahren wegen Korruption, Geldwäsche und Betrug ermittelt. Linksradikale ANC-Funktionäre wie der Chef der Jugendliga, Julius Malema, und der Gewerkschaftsboss Zwelinzima Vavi haben für den Fall einer fortgesetzten Strafverfolgung offen mit Gewalt bis hin zum Bürgerkrieg gedroht. Wegen des Falls Zuma – und anderer Prozesse gegen ranghohe ANC-Leute – wurde mittlerweile sogar die dem FBI nachempfundene Elitetruppe Skorpione aufgelöst, die somit Opfer ihres Erfolgs wurde.
Die neue Partei versteht sich als der wahre ANC, der die noblen Prinzipien der 1956 verabschiedeten Freedom Charta verteidigen will; damals hatten sich Tausende Südafrikaner aller Hautfarben versammelt und beschlossen, der Apartheidverfassung eine demokratische und freiheitliche Charta entgegenzustellen. An diese stolze Vergangenheit will die neue Partei anknüpfen und sich daher „Südafrikanischer Nationalkongress“ (SANC) nennen. Die Parteigründung soll am 16. Dezember in Bloemfontein stattfinden. Ein historisches Datum und eine historische Stätte: am 16. Dezember 1960 begann der ANC unter Führung von Nelson Mandela seinen bewaffneten Widerstand gegen das weiße Rassistenregime, und in Bloemfontein wurde die Bewegung vor fast 100 Jahren gegründet.
Politische Experten am Kap halten sich mit Vorhersagen über den Erfolg der neuen Partei bei der nächsten Wahl noch betont zurück. Schätzungen schwanken zwischen fünf und 15 Prozent. Dem Wähler müsste erst noch klargemacht werden, wie sich der SANC vom ANC unterscheiden würde, heißt es in Kommentaren. Shilowa gab am Samstag lediglich bekannt, man fordere eine Überarbeitung des Wahlsystems: Künftig sollten das Staatsoberhaupt, die neun Ministerpräsidenten und sogar die Bürgermeister des Landes direkt vom Volk gewählt werden und nicht mehr von den Parteibossen nach einer vorher festgelegten Listenordnung ernannt werden.
Weder der sang- und klanglos abgesetzte Ex-Präsident Mbeki noch sein Amtsvorgänger Nelson Mandela haben sich bisher zu der Spaltung des ANC öffentlich geäußert. Mbeki teilte Zuma lediglich in einem der südafrikanischen Presse zugespielten Brief mit, er werde sich für keine Partei in dem kommenden Wahlkampf einsetzen. Mandela, bereits in seinem 91.?Lebensjahr, sei tief betrübt über die jüngsten Ereignisse, erklärte ein Sprecher des Freiheitsidols.
Mehr als 6000 Menschen aus allen Teilen des Landes waren zu der eintägigen Versammlung im Norden von Johannesburg angereist. Mancher hatte sich sicherlich mehr Klarheit erwartet – auch darüber, ob weitere prominente ANC-Politiker sich nun „outen“ würden, was aber nicht der Fall war. Es heißt, dass Dutzende Abgeordnete im Laufe der nächsten Monate dem ANC den Rücken zukehren werden – aber erst, wenn ihre Rentenansprüche gesichert sind.
Der frühere Verteidigungsminister Mosioua Lekota, der vor einem Monat als erstes prominentes ANC-Mitglied öffentlich von „Scheidung“ gesprochen hatte, warnte in seiner Eröffnungsrede am Samstag, dass leitende Regierungsfunktionäre des ANC auch vor massivem Machtmissbrauch nicht zurückschrecken würden, um ihre „persönlichen Interessen“ zu verteidigen. Nur deshalb seien Mbeki und mehrere Ministerpräsidenten gefeuert worden, sagte Lekota. Die neue Parteiführung unter Zuma würde jeden „zermalmen“, der sich ihr in den Weg stellen würde.