Pegida-Kundgebung: Sturm um Höcke (original) (raw)
Bei Pegida in Dresden wird der thüringische AfD-Landeschef gefeiert. Aber ihm schlägt auch Protest von Tausenden entgegen – inzwischen auch aus neuen Lagern.
18. Februar 2020, 1:09 Uhr
In Dresden gab es in den letzten Jahren viele brenzlige Kundgebungen. Doch selten sind die Lager so dicht aufeinandergeprallt wie an diesem Montagabend auf dem Neumarkt, direkt vor der Frauenkirche. Es ist die 200. Versammlung von Pegida, als Ehrengast präsentiert das rechtsradikale Bündnis den thüringischen AfD-Landeschef Björn Höcke. Motto bei Pegida: "Das Thüringer Beben kommt nach Sachsen." Höcke soll über die Wahl des FDP-Manns Thomas Kemmerich mit AfD-Stimmen reden, bei Pegida nennt man es einen Geniestreich.
Einige Tausend Menschen verteilt auf drei Kundgebungen stehen auf dem Neumarkt, nur wenige Meter voneinander getrennt durch Polizisten. Im Lager von Pegida wird Björn Höcke gefeiert wie ein Star. Inzwischen ist Pegida an den meisten Montagen auf einen harten Kern von einigen Hundert Menschen zusammengeschrumpft, zum Jubiläum sind schätzungsweise 3.000 Anhänger gekommen. Aber dieser Seite schallt auch stundenlanger Protest entgegen, aufgeteilt auf zwei weitere Kundgebungen, mit ebenfalls jeweils etwa 2.500 Menschen. Es ist ein lauter, teils chaotischer Abend, an dem vieles durcheinanderwirbelt.
Björn Höcke bei seiner Rede auf der 200. Pegida-Kundgebung © AFP/Getty Images
Der Wind aus Thüringen weht bis nach Sachsen und hat einiges neu sortiert. Protest gegen die Pegida-Kundgebungen gab es in den vergangenen fünf Jahren immer, doch zuletzt waren es oft nur kleinere, hartnäckige Gruppen und linke Bündnisse, die sich an den Montagen regelmäßig versammelten. Dieses Mal ist der Protest viel größer – und es haben sich neue Lager angeschlossen. Nun sind auch CDU und FDP dabei. Geeint ist der Gegenprotest von Pegida allerdings nicht, man hat sich verteilt auf zwei Blöcke. Die Botschaft ist gleich: Gegen Pegida, gegen Björn Höcke. Der Ton ist hier und dort ein wenig anders.
Bei CDU und FDP, flankiert von städtischen Vereinen und Gesellschaften, läuft "Freude schöner Götterfunken". Auch der sächsische Ministerpräsident Michael Kretschmer unterstützt den Protest, ist an diesem Abend aber nicht zu sehen, sondern im Urlaub. Sein CDU-Generalsekretär und ein CDU-Minister sind unter anderem präsent als Redner, ebenso FDP-Politiker. Auf der Bühne hört man von einem Redner: "Wir stehen heute zusammen auf dem Platz. Mit dem Wissen, dass unsere Ausdrucksformen verschieden, aber unsere Ziele die gleichen sind." Ein anderer sagt: "Viele von Ihnen haben bestimmt keine Erfahrungen mit Demonstrationen dieser Art. Aber wir müssen gemeinsam etwas gegen Demagogen unternehmen. Wir haben es mit geistigen Brandstiftern zu tun. Wir dürfen nicht gleichgültig sein." Auf der anderen Seite des Platzes, im linkeren Pegida-Protestlager, wird von der Menge getrommelt und gepfiffen. Es gibt Sprechchöre: "Alerta, alerta" und "Nationalismus raus aus den Köpfen". Als Pegida zu einem kurzen Spaziergang durch die Stadt aufbricht, schlägt jemand eine Sitzblockade vor.
Pegida und die AfD
Bei Pegida wird lange auf Björn Höcke gewartet. Dann kommt er in einer Limousine hinter den Kundgebungswagen an und wird mit frenetischen Sprechchören begrüßt. Auf Distanz zu Pegida ist Höcke nie gegangen. Er zeigt sich seit Jahren gern mit der Pegida-Führung um Lutz Bachmann, stand schon als Redner auf der Bühne. Auch an diesem Montagabend begrüßt man sich freundschaftlich. Ebenfalls zu sehen aus dem engen Kreis um Höcke: der Verleger Götz Kubitschek und der brandenburgische AfD-Landeschef Andreas Kalbitz. Animositäten gegenüber Pegida von Teilen der AfD-Bundesspitze spielen in Dresden keine Rolle. Der Bundesvorsitzende Jörg Meuthen äußerte sich zurückhaltend über Höckes Auftritt bei Pegida. Im Interview mit Berlin direkt sagte er, dieser Auftritt sei für das Ansehen der Partei "nicht dienlich". Der sächsische AfD-Landesverband dagegen rief zur Teilnahme bei Pegida auf. "Stärken Sie Björn Höcke den Rücken." Das sei umso wichtiger, hieß es in einer Mitteilung, "als dieses Mal nicht nur die üblichen Berufsdemonstranten zum Protest aufrufen, sondern explizit auch die CDU und ihr Chef Kretschmer – eine unverfrorene Frechheit".
Eine halbe Stunde spricht Björn Höcke, man hört keine Grundsatzrede, in der er neue Töne anschlägt, sondern sein bekanntes Repertoire. Über die Gegendemonstranten sagt er: "Im Hintergrund sehen Sie die Opfer der deutschen Bildungskatastrophe." Die seien auch in Vereinen engagiert, die man nicht mehr tolerieren werde. "Der Staat darf nicht als Ideologieproduzent auftreten und deswegen werden wir diese sogenannte Zivilgesellschaft … dann leider trockenlegen müssen". Den geballten Gegenprotest nennt Höcke "eine neue nationale Front, die sich da bildet". Über Thüringen sagt er: "Wir haben den Schmuselinken Ramelow abgewählt." Und: "Die Reaktionen der Konsensdemokraten sind für mich der Dammbruch."
In einigen Momenten kommen sich Pegida-Anhänger und Protestierende gefährlich nah. Menschen brechen aus beiden Lagern aus, stehen sich mit geballten Fäusten gegenüber, schreien sich an. "Höcke ist ein Nazi", ruft ein Mann. Er wird sofort umringt von Menschen aus dem Pegida-Lager, die ihn beschimpfen: "Der ist überhaupt kein Nazi. Du bist einer!" Die Polizei hat Mühe, den Überblick zu behalten und bei solchen Konfrontationen sofort zur Stelle zu sein. In einigen Momenten war es denkbar knapp, aber im Laufe des Abends kommt es zu keinen größeren Zusammenstößen.
Korrekturhinweis: Ein Zitat von Björn Höcke war in diesem Text verkürzt wiedergegeben. Das Zitat lautet korrekt wie folgt: "Der Staat darf nicht als Ideologieproduzent auftreten und deswegen werden wir diese sogenannte Zivilgesellschaft … dann leider trockenlegen müssen". Die Redaktion