Antiquariat INLIBRIS Gilhofer Nfg. GmbH: Ein Wiener Unternehmen mit Tradition (original) (raw)
Innenansicht des Antiquariats Inlibris Gilhofer Nfg. GmbH
Das 1883 in Wien von Hermann Gilhofer gegründete Antiquariat gehört zu den führenden und angesehensten Unternehmen der Branche. Mit einem Lager von über 50.000 Objekten verfügt es über einen der größten nichtinstitutionellen Bestände an seltenen Büchern, historischen Manuskripten und Autographen.
Hugo Wetscherek übernahm mit der von ihm gegründeten Inlibris GmbH das traditionsreiche Unternehmen und führt es seither. Er begann gleich nach der Schule mit 18 Jahren beim Wiener Antiquariat Nebehay als Lehrling. Sein Ausbildner war Dr. Hansjörg Krug, der noch heute als Antiquar tätig ist.
Hugo Wetscherek ist Gründer von Inlibris. 2004/05 übernahm Inlibris das Wiener Traditionsunternehmen Gilhofer.
Für Wetscherek war die Ausbildung ein Augenöffner. "Obwohl ich seit frühester Kindheit viel gelesen und gesammelt habe, waren meine bibliophilen Erfahrungen damals sehr bescheiden und eigentlich auf Sortimentsbuchhandlungen und regelmäßige Flohmarktbesuche beschränkt", sagt er. "Ich habe zum ersten Mal einen Eindruck davon bekommen, was dieser Beruf alles umfassen kann und wie bedeutend, wertvoll und wichtig Bücher und Manuskripte als Handelsware sein können."
Fragen an Geschäftsführer Hugo Wetscherek
ZVAB: Was sind Ihre Stärken im Bereich Buch?
Hugo Wetscherek: Wir decken das alte Buch von der Inkunabelzeit bis Mitte des 19. Jahrhunderts ab, spätere Drucke haben wir nur fallweise im Angebot. Innerhalb dieses Zeitrahmens sind wir aber Generalisten - Sie finden bei uns frühe Reisewerke genauso wie Philosophie, Theologie, Literatur und Illustrata. Einen Schwerpunkt bilden bei uns sicher die alten Drucke bis 1600.
Ein Original-Blatt der 42-zeiligen, in der Werkstatt von Johannes Gutenberg in Mainz gedruckten lateinischen Bibel (B-42).
ZVAB: Was ist das älteste oder schönste Buch in Ihrem Angebot?
Hugo Wetscherek: Der älteste Druck in unserem Angebot ist zugleich der früheste - und meiner Meinung nach auch schönste - überhaupt: ein Blatt aus der Gutenberg-Bibel, mit der 1454 alles anfing. Aber auch die 1472 entstandene Erstausgabe der Imago Mundi von Honorius von Autun, eine enzyklopädische Weltbeschreibung, ist ein frühes Beispiel für einen typographisch sehr gelungenen Druck.
ZVAB: Von welchem Buch können Sie sich nur ungern trennen?
Hugo Wetscherek: Wir trennen uns von all unseren Büchern gern - als Händler erfreuen wir uns am Erwerben, Beschreiben und Wiederverkaufen, nicht am Besitz. Wenn die Bücher in gute Hände gelangen, ist uns das allerdings eine zusätzliche Freude.
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ZVAB: Handschriften sind ein weiterer Schwerpunkt Ihres Angebots. Was versteht man unter „Autographen“ und was macht ihr Faszinosum aus?
Hugo Wetscherek: Autographen sind im Antiquariatshandel eigenhändige Handschriften bedeutender Persönlichkeiten, etwa aus Kunst, Geschichte oder Wissenschaft. Autographen sind immer Unikate, und ihr Kauf ist daher in der Regel eine einmalige Gelegenheit. In den durchkorrigierten Arbeitsmanuskripten von Schriftstellern lässt sich manchmal der künstlerische Schaffensprozess geradezu in Echtzeit nachvollziehen: Das hat besonders Stefan Zweig fasziniert, der selbst einer der größten Sammler war.
Stefan Zweig (1881-1942) war selbst Sammler von Manuskripten. Portrait des Ehepaares Zweig aus dem Jahr 1926 von Franz Xaver Setzer mit Widmung.
Und manchmal verdichten sich auf einem Stück Papier auch große welthistorische Momente – Verträge zwischen Herrschern, Zerwürfnisse zwischen Künstlern, bedeutende naturwissenschaftliche Entdeckungen. Auch das berühmte, blutbefleckte letzte Schriftstück Robespierres, bei dessen Unterschrift er nur bis zum „o“ kam, bevor ihn anscheinend mitten im Schreiben die Kugel traf, war lange in Privatsammlungen; heute können Sie es in Paris im Museum bewundern.
ZVAB: Wie werden alte Handschriften entziffert und übersetzt?
Hugo Wetscherek: Erste Voraussetzung ist natürlich die Sprachkompetenz – und je älter die Handschrift, desto stärker weicht außerdem oft die Schriftform von der heute üblichen ab. Meine Kollegen lesen neben Deutsch und Englisch, Französisch und Italienisch auch Latein, Altgriechisch und Arabisch. Die absolvierten Studien sind zwar durchwegs facheinschlägig (u.a. Geschichte, Kunstgeschichte, Philosophie, Germanistik, Anglistik), aber letztendlich helfen hier nur viel Erfahrung und Übung. Deswegen sind wir auch sehr stolz, dass das Kernteam von Inlibris schon seit mehr als 20 Jahren diesem schönen Beruf gemeinsam nachgeht. Unser achtköpfiges Team umfasst natürlich auch einen „allgemein beeideten und gerichtlich zertifizierten Sachverständigen für die Transkription von Handschriften“ (das ist tatsächlich der offizielle Titel).
Sensationelles Original einer seit 1782 verschollenen Stauferurkunde Kaiser Friedrichs II. (MGH DD F II. 1160). Kaiser Friedrich bestätigt einem Kloster im Lavanttal auf Bitten des Abtes ein Privileg seines Großvaters Friedrich Barbarossa.
ZVAB: Was war die wertvollste Handschrift, die Sie jemals verkauft haben? Was war das Besondere daran?
Hugo Wetscherek: Wir haben sicher mehr als hundert Einzelstücke und Sammlungen im sechs- und teils auch im siebenstelligen Bereich verkauft; etwas Besonderes waren fast alle davon: Werkmanuskripte von Karl Marx und Ludwig Wittgenstein, Musikhandschriften von Mozart und Beethoven. Am interessantesten ist aber immer jenes Stück, das man gerade gekauft hat oder im Begriff steht zu erwerben.
ZVAB: Worauf sollte ich als Kunde beim Kauf von Autographen und Handschriften achten?
Hugo Wetscherek: Achten Sie auf die Fachkompetenz des Lieferanten – und auf Garantien, die über ein bloßes Echtheitszertifikat hinausgehen. Wir selbst gewähren unseren Käufern bei Beanstandungen ein uneingeschränktes Rückgaberecht auf Lebenszeit.
ZVAB: Gibt es in diesem Gebiet auch Entdeckungsmöglichkeiten für junge Sammler mit beschränktem Geldbeutel?
Hugo Wetscherek: Gelegenheiten gibt es immer! Ein Brief Egon Schieles kostet ja nicht einmal einen Bruchteil einer Zeichnung von der gleichen Hand. Und viele heute sehr wertvolle thematische Sammlungen sind zusammengestellt worden, als der Gegenstand des Interesses noch keineswegs teuer war. Beim Sammeln soll man sich deswegen immer vom eigenen Enthusiasmus leiten lassen. Mit ein wenig Glück ist man damit recht allein und kann ohne viel Konkurrenz einkaufen – und mit etwas mehr Glück ist man irgendwann einmal gar nicht mehr allein mit seinem Enthusiasmus, sondern besitzt eine auf dem Markt plötzlich sehr nachgefragte Sammlung.