Wählerzuwachsparadoxon (original) (raw)
Bei allen Quotenverfahren (im Gegensatz zu Divisorverfahren) kann das Populations-Paradox auftreten: Bei einem anderen Wahlergebnis kann eine Partei A trotz Stimmengewinnen einen Sitz verlieren und gleichzeitig eine Partei B trotz Stimmenverlusten einen Sitz gewinnen.
Dieses Paradoxon ist eine Folge der fehlenden Konsistenz und ist nicht zu verwechseln mit den Fällen des negativen Stimmgewichts, bei denen eine Partei wegen eines eigenen Stimmenzuwachses Mandate verlieren kann. Die Verschiebungen der Sitzverteilung beim Populations-Paradoxon ist eine Folge der Verschiebungen bei anderen Parteien.
Beispiel
Bundestagswahl 1998/Oberverteilung (ohne Überhangmandate) nach dem Niemeyer-Verfahren:
Partei CDU CSU SPD B90/Grüne PDS FDP gesamt Stimmenzahl 14004908 3324480 20181269 3301624 2515454 3080955 46408690 Sitzzahl 198 47 285 47 36 43 656 Quote 197,9 46,9 285,2 46,6 35,557 43,550
Annahme: die CDU hätte 38000 Stimmen weniger erhalten
Partei CDU CSU SPD B90/Grüne PDS FDP gesamt Stimmenzahl 13966908 3324480 20181269 3301624 2515454 3080955 46370690 Sitzzahl 198 47 285 47 35 44 656 Quote 197,5879 47,0 285,5 46,7 35,58579 43,58586
Wenn also bei der Bundestagswahl 1998 die CDU 38.000 Zweitstimmen weniger bekommen hätte und sich sonst nichts am Wahlergebnis geändert hätte, säße ein FDP-Abgeordneter mehr im Deutschen Bundestag (Dr. Christian Eberl) und ein PDS-Abgeordneter weniger (Prof. Heinrich Fink). Daran würde sich auch nichts ändern, wenn die FDP darüber hinaus zwei Stimmen weniger und die PDS zwei Stimmen mehr bekommen hätte.
Das mögliche Auftreten des Population-Paradoxons (Wählerzuwachsparadoxon) ist mathematisch äquivalent zur fehlenden Konsistenz und folgt damit direkt aus der Quotenbedingung. Es handelt sich also um ein bei Quotenverfahren nicht vermeidbares Paradoxon.
Links
- Negatives Stimmgewicht
- Paradoxien von Hare/Niemeyer
- Friedrich Pukelsheim, Divisor oder Quote? Zur Mathematik von Mandatszuteilungen bei Verhältniswahlen